OVG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24.07.2019 - 4 MB 41/19 - asyl.net: M27726
https://www.asyl.net/rsdb/M27726
Leitsatz:

Aufschiebende Wirkung gegen den Sofortvollzug einer Stubenarrestverfügung:

1. Erwachsene können nicht verpflichtet werden, sich während der Abendstunden, also zwischen 20 und 24 Uhr) zu Hause aufzuhalten. Eine Gleichsetzung von Abend- und Nachtstunden ist nicht gerechtfertigt, da es üblich ist, dass Erwachsene sich spontan abends nicht zu Hause aufhalten.

2. Die hier streitgegenständliche Ordnungsverfügung ist außerdem möglicherweise nicht konkret genug, da sie keine Regelung dafür trifft, wie der Aufenthaltsort der zuständigen Behörde mitgeteilt werden kann, wenn diese z.B. geschlossen ist.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Ordnungsverfügung, Stubenarrestanordnung, Suspensiveffekt, Bestimmtheitsgebot,
Normen: AufenthG § 46 Abs. 1
Auszüge:

[...]

8 Die Anordnung dürfte wegen einer unzureichenden Ausübung des in § 46 Abs. 1 AufenthG eingeräumten Ermessens rechtswidrig sein. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich erwachsene Menschen in den Abendstunden – selbst nach 20.00 Uhr – nicht selten außerhalb der Wohnung aufhalten. Die Entscheidung hierfür kann auch spontan fallen oder ohne den Gedanken an sämtliche vom Antragsgegner abgefragte Daten (Zeitraum, Referenzperson, Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort). Die Begründung des Bescheides vom 20. März 2019 nennt jedoch keine Gesichtspunkte dafür, warum die Abendstunden mit den Zeiten der Nachtruhe gleichgesetzt werden. [...]

9 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit der Regelung bestehen (§ 108 Abs. 1 LVwG). Der Antragsgegner ist sich anscheinend selbst nicht über deren Inhalt im Klaren. Im Schriftsatz vom 3. April 2019 heißt es, die Antragstellerin habe sich "entgegen der vollziehbaren streitgegenständlichen Verfügung" am 2. April 2019 um 6 Uhr nicht in ihrer Wohnung aufgehalten. Dem liegt offenbar die – am Wortlaut orientierte – Vorstellung zu Grunde, dass die Ordnungsverfügung eine Aufenthaltspflicht begründet. Mit der Beschwerdebegründung wird dagegen vorgetragen, der Antragstellerin stehe es frei, sich jederzeit aufzuhalten, wo sie dies begehre, sie sei nur verpflichtet, ihren Aufenthalts - ort anzuzeigen. Hintergrund für diesen Widerspruch ist die fehlende Regelung für den Fall, dass der Antragstellerin eine Anzeige bis 12.00 Uhr nicht möglich ist, weil sie sich z.B. erst später entscheidet, weil sie die geforderten Daten nicht lückenlos angeben kann oder weil die Behörde an dem betreffenden Tag geschlossen und telefonisch nicht erreichbar ist und der Antragstellerin keine anderen Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Der Ordnungsverfügung lässt sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, ob die Antragstellerin in diesen Fällen sämtlicher Verpflichtungen ledig ist oder ob um 12.00 Uhr eine zunächst nur bedingte Aufenthaltspflicht zu einer unbedingten erstarkt. [...]