Abschiebungsverbot für eine alleinstehende Frau aus dem Irak:
Eine alleinstehende Frau ohne Schulbildung und ohne Berufserfahrung kann ohne familiäre Unterstützung keine Existenzmöglichkeit finden.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG) einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG. [...]
Die von der Klägerin dargelegten Umstände begründen keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. [...]
Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin bei einer Rückkehr in den Irak als ernsthafter Schaden die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe oder Folter im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht.
Die von ihr geltend gemachten Bedrohungen durch Schiiten - wie den Drohbrief oder die versuchte Entführung - beschränken sich allesamt auf ihr Leben bei ihrem Bruder, bevor dieser im Jahr 2011 getötet worden sein soll. Anschließend hat die Klägerin noch mehrere Jahre in Bagdad gelebt, ohne dass sie verletzt oder bedroht worden ist. Soweit sie erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, es habe auch unmittelbar vor ihrer Flucht aus dem Irak noch einmal einen Entführungsversuch gegeben, kann dieses Vorbringen nicht berücksichtigt werden, weil es gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 AsylG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO präkludiert ist. [...]
Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aber einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG. [...]
Die Klägerin hat nur eine rudimentäre Schuldbildung genossen und noch nicht in ihrem Leben gearbeitet. Sie war zeit ihres Lebens auf die tatsächliche und finanzielle Unterstützung ihrer Familie angewiesen. Sie ist es mithin weder gewohnt, selbstständig zu leben, noch sich in nennenswertem Umfang um ihren Lebensunterhalt zu kümmern. Bei einer Rückkehr in den Irak wäre sie jedoch vollständig auf sich allein gestellt. Auch die Familienmitglieder ihres Vaters bzw. damaligen Ehemannes, die ihr zuletzt ein Dach über dem Kopf geboten haben, sind mittlerweile weggebrochen. Ein Kontakt besteht nicht mehr und wird nach der endgültigen Scheidung von ihrem Ehemann wohl auch nicht mehr aufgebaut werden. Selbst wenn die Klägerin - entgegen ihrer Annahme - nach der rechtskräftigen Scheidung von ihrem zweiten Ehemann wieder die für ihren Vater gezahlte Rente beziehen könnte, wäre das Existenzminimum der Klägerin vor diesem Hintergrund nicht gesichert. [...]