VG Stuttgart

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Zitieren als:
VG Stuttgart, Urteil vom 10.05.2019 - A 15 K 386/17 - asyl.net: M27781
https://www.asyl.net/rsdb/M27781
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung wegen drohender religiöser Verfolgung in China:

Gläubigen der (antikommunistischen) "Kirche des Allmächtigen Gottes" droht in China staatliche Verfolgung.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: China, Kirche des Allmächtigen Gottes, religiöse Verfolgung, Quanneng Shen Jiaohui,
Normen: AsylG § 3,
Auszüge:

[...]

a) Von einer staatlichen Verfolgung der Mitglieder der KdAG in China ist dem Grunde nach auszugehen. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Die Mitgliedschaft in der KdAG steht gemäß Art. 300 des chinesischen Strafgesetzbuches unter Strafe. Für die aktive Partizipation bei einer verbotenen religiösen Gruppierung ist eine Gefängnisstrafe von drei bis sieben Jahren ohne Bewährung vorgesehen und in besonders schweren Fällen mehr als sieben Jahre. Ein im August 2015 verabschiedeter Zusatz zum Strafgesetzbuch hat die Höchststrafe für das "Organisieren und Benutzen einer Sekte, um die Umsetzung des Gesetzes zu untergraben" von 15 Jahren Gefängnis auf lebenslänglich erhöht (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017, S. 14, m.w.N.). Auf dieser Grundlage kommt es immer wieder zu Festnahmen und Verurteilungen (Auswärtiges Amt, Allgemeine Anfrage zum Herkunftsland China, 20.01.2017).

Hintergrund ist, dass die KdAG in offener Feindschaft zur Kommunistischen Partei der Volksrepublik China steht und China als das "schmutzigste Land" und die Menschen dort als "am meisten vom Teufel verdorben" bezeichnet. Die Rückständigkeit und Armut des Landes werden als Beweis für Sündigkeit und Unterlegenheit ausgemacht. Gott habe China als Ort der zweiten Wiederkunft Christi ausgewählt, da die Dunkelheit des Landes den Glanz Christi betone (SFH, Schnellrecherche: Eastern Lightning/Church of Almighty God, 20.01.2017). Die chinesische Regierung betrachtet die KdAG deswegen als "bösartigen Kult" und stuft sie als terroristische Organisation ein (Auswärtiges Amt, Auskunft v. 20.01.2017).

Als die Glaubensgemeinschaft im Dezember 2012 verkündete, der Weltuntergang stehe unmittelbar bevor, sind 1300 Mitglieder in 16 chinesischen Provinzen verhaftet worden. Sie wurden des Verbreitens von Gerüchten und der Schwindelei beschuldigt. Die meisten wurden zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, in einem Fall betrug das Strafmaß acht Jahre (SFH, Schnellrecherche, 20.01.2017). Eine weitere Welle der Repression fand nach einem Mordfall in einem McDonald's-Restaurant in der Provinz Shandong im Mai 2014 statt. Im August wurden etwa 1000 Mitglieder festgenommen und gegen mehrere Dutzend Haftstrafen verhängt (SFH, Schnellrecherche, a.a.O.). Nach eigener Darstellung der KdAG seien zwischen 2011 und 2013 knapp 380.380 Mitglieder wegen ihres Glaubens und ihrer Bekehrungstätigkeiten festgenommen und eingesperrt bzw. zu Bußgeldern verurteilt worden (Jahresbericht 2017). [...]