VG Oldenburg

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Zitieren als:
VG Oldenburg, Urteil vom 11.04.2019 - 1 A 7949/17 - asyl.net: M27785
https://www.asyl.net/rsdb/M27785
Leitsatz:

Einem einfachen Mitglied der Oppositionspartei FPI (Front Populaire Ivoirien) des ehemaligen Präsidenten Laurent Gbagbo droht heute keine Verfolgung mehr. Dies kann allenfalls in Einzelfällen bei hochrangigen Unterstützer*innen Gbagbos vorkommen. Tausende von Menschen wurden amnestiert oder sind aus dem Exil zurückgekehrt.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Côte d’Ivoire, FPI, CNC, Gbagbo, politische Verfolgung,
Normen: AsylG § 3,
Auszüge:

[...]

Jedenfalls bleibt festzuhalten, dass sich die innenpolitische Lage in der Elfenbeinküste seit den blutigen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Machtübernahme des nunmehr amtierenden Präsidenten Ouattara dahingehend stabilisiert hat, dass eine (strafrechtliche) Verfolgung und politische oder staatliche Repression aus dem Ausland zurückkehrender Anhänger des ehemaligen Präsidenten Gbagbo grundsätzlich nicht mehr zu befürchten ist. Bereits im Jahr 2013 sind die Übergriffe der Sicherheitskräfte im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Situation der Opposition, 10.02.2014, S. 12). Organisierte Gruppierungen, die in den Krisenjahren Repressionen gegen Dritte ausgeübt haben, sind inzwischen weitestgehend aufgelöst (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Côte d'Ivoire (Stand Juni 2018), 03.08.2018, S. 11). Darüber hinaus hat Präsident Alassane Ouattara im Dezember 2015 der vollständigen oder teilweisen Aufhebung der Verurteilungen von mehr als 3000 Personen zugestimmt, die seit den gewaltsamen Auseinandersetzungen nach den Wahlen inhaftiert waren (Amnesty International, Amnesty Report 2016 Côte d'Ivoire, 24.02.2016). Während der Krisenjahre Geflüchtete sind ferner inzwischen weitestgehend (zu ca. 90%) zurückgekehrt und reintegriert; exilpolitische Aktivitäten im Ausland finden daher nicht statt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Côte d'Ivoire (Stand Juni 2018), 03.08.2018, S. 10; UNHCR, Côte d'Ivoire: COI Compilation, August 2017, S. 71f.). Im Übrigen hat die Oppositionspartei des ehemaligen Präsidenten auch an den letzten Parlamentswahlen am 18.12.2016 wieder teilgenommen und ist - wie zuvor - im Parlament vertreten. Da sie jedoch aufgrund der Boykottierung eines Flügels - mittlerweile ist die Partei aufgespalten zwischen Aboudramane Sangare, dem Repräsentanten der Hardliner-Fraktion, die die Freilassung von Laurent Gbagbo verlangt, und Pascal Affi Nguessan, dem Präsidenten der FPI (vgl. CORI, The treatment of Ivorian Popular Front (FPI)/Gbagbo supporters in Côte d'Ivoire by both state and non-state actors, 17.08.2016 - Côte d'Ivoire, S. 3) - nur noch drei Sitze für sich gewinnen konnte, stellt sie keinerlei Gegengewicht zu den Regierungsparteien mehr dar (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Côte d'Ivoire (Stand Juni 2018), 03.08.2018, S. 1).

Ausgehend hiervon vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr Verfolgungshandlungen aufgrund seiner FPI und FESCI- Mitgliedschaft sowie der Mitorganisation der Veranstaltung vom 15.08.2015 der CNC in Korhogo drohen.

Nach Einschätzung des Gerichts besteht nur noch für enge Vertraute Gbagbos, wie zum Beispiel ehemalige Mitglieder der Leibgarde des Ehepaars Gbagbo, ranghohe (nunmehr) Oppositionspolitiker und Parteimitglieder bzw. Unterstützer mit herausragende Funktion oder Beteiligte an Gräueltaten und Gewaltdelikten die Gefahr einer staatlichen Verfolgung, die zum Teil aber auch als berechtigte Strafverfolgung zu bewerten wäre (so auch VG Würzburg, Urteil vom 03.05.2018 - W 2 K 17.33457 - , juris, Rn. 21; VG Oldenburg, Urteil vom 22.06.2018 - 6 A 674/16). [...]

Soweit der Kläger geltend macht, dass es weiterhin zu Verhaftungen auch nach dem Ende der Unruhen kommt, so sind diese nach Einschätzung des Gerichts weitaus seltener und bilden Einzelschicksale ab, die regelmäßig ranghohe (nunmehr) Oppositionspolitiker beziehungsweise Personen mit engem Bezug zu dem ehemaligen Präsidenten, wie zum Beispiel ehemalige Mitglieder der Leibgarde des Ehepaars Gbagbo, betreffen. Zu diesem besonders gefährdeten Personenkreis gehört der Kläger hingegen nicht. Ferner ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger während der Zeit der Unruhen menschenrechtswidrige Handlungen gegenüber seinen politischen Gegnern vornahm, die nunmehr strafrechtlich verfolgt werden würden. Nachdem nunmehr sogar von der Rückkehr hochrangiger Anhänger in die Côte d'Ivoire berichtet wird, ist davon auszugehen, dass dem Kläger, der wie weite Teile der Bevölkerung Gbagbo ohne herausragende Funktion unterstützt hat und geflohen ist, bevor er selbst in ernsthafte Auseinandersetzungen verwickelt wurde, keine Verfolgungsgefahr - mehr - droht (vgl. auch VG Lüneburg, Urteil vom 16.01.2018 - 6 A 278/17 - juris; VG München, Beschluss vom 11.08.2017 - M 21 S 17.43339 -, juris Rn. 19; VG Braunschweig, Urteil vom 07.06.2017 - 5 A 1220/16 -, juris). [...]