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VG Trier

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Zitieren als:
VG Trier, Urteil vom 11.11.2019 - 1 K 13692/17.TR - asyl.net: M27827
https://www.asyl.net/rsdb/M27827
Leitsatz:

Kein Schutz für Angehörigen der Volksgruppe der Oromo aus Äthiopien:

Angehörigen der Volksgruppe der Oromo droht insbesondere aufgrund der positiven politischen Veränderungen seit April 2018 keine landesweite Gruppenverfolgung. Auch wegen früherer Unterstützung der OLF droht keine Verfolgung, da sich die Situation für Oppositionelle seit dem Amtsantritt des Premierministers Abyi Ahmed deutlich entspannt hat.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Äthiopien, Oromo, Gruppenverfolgung, Gruppenverfolgung, OLF, Oromo Liberation Front,
Normen: AsylG § 4,
Auszüge:

[...]

1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus im Sinne des § 4 AsylG, denn ihnen droht im Heimatland kein in dieser Norm genannter Schaden mit der insoweit erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit. [...]

1. Der Kläger hat eine Vorverfolgung nicht substantiiert dargelegt. So konnte der Kläger eine Verfolgung seiner Person durch den äthiopischen Staat nicht glaubhaft machen, da er zu dem wesentlichen Punkt seiner Inhaftierung widersprüchliche Angabe machte. [...]

2. Auch droht dem Kläger wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Oromo nicht die Gefahr einer landesweiten Gruppenverfolgung. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass Volkszugehörige der Oromo verstärkt Menschenrechtsverletzungen in Äthiopien ausgesetzt sind bzw. waren. Die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische landesweite Verfolgungsdichte von oromischen Volkszugehörigen war schon bislang (VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 - RO 2 K 16.32411 - juris; vgl. auch Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 06.03.2017 - Gz. 508-516.80/3 - ETH) und ist erst recht nach den aktuellen politischen Veränderungen zugunsten des Oromo-Volkes gegenwärtig nicht zu erkennen (vgl. dazu VG Bayreuth, Urteil vom 31. Oktober 2018 - B 7 K 17.32826 -, juris).

3. Des Weiteren ist, selbst wenn man von einer Vorverfolgung ausginge, die Indizwirkung derselben aufgrund der geänderten politischen Verhältnisse in Äthiopien entfallen. [...]

Die politische Situation in Äthiopien hat sich für Regierungsgegner und Oppositionelle bereits seit Anfang 2018 deutlich entspannt. Anfang des Jahres kündigte der damalige Premierminister Hailemariam Desalegn nach zweijährigen andauernden Protesten Reformmaßnahmen und die Freilassung von politischen Gefangenen an. Abiy Ahmed wurde am 2. April 2018 zum neuen Premierminister gewählt. Zwar kommt Abiy Ahmed ebenfalls aus dem Regierungsbündnis der EPRDF (Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front), ist aber der Erste in diesem Amt, der in Äthiopien der Ethnie der Oromo angehört (vgl. Amnesty International, Stellungnahme vom 11.7.2018 zum Beweisbeschluss des BayVGH vom 26.3.2018 S. 1), der größten ethnischen Gruppe Äthiopiens, die sich jahrzehntelang gegen wirtschaftliche, kulturelle und politische Marginalisierung wehrte (vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe-Länderanalyse vom 26.9.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 - im Folgenden: Schweizerische Flüchtlingshilfe - S. 5). Seit seinem Amtsantritt hat Premierminister Abiy Ahmed eine Vielzahl tiefgreifender Reformen in Äthiopien umgesetzt. [...] Mit dem benachbarten Eritrea wurde ein Friedensabkommen geschlossen und Oppositionsparteien eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 5 f.). Gerade auch für (frühere) Oppositionelle hat sich die Situation deutlich und mit asylrechtlicher Relevanz verbessert. Bereits unmittelbar nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed im April 2018 wurde das berüchtigte "Maekelawi-Gefängnis" in Addis Abeba geschlossen, in dem offenbar insbesondere auch aus politischen Gründen verhaftete Gefangene verhört worden waren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 24; AA, Ad-hoc-Bericht S. 17). [...] Am 20. Juli 2018 wurde zudem ein allgemeines Amnestiegesetz erlassen, nach welchem Personen, die bis zum 7. Juni 2018 wegen Verstoßes gegen bestimmte Artikel des äthiopischen Strafgesetzbuches sowie weiterer Gesetze, insbesondere wegen begangener politischer Vergehen, strafrechtlich verfolgt wurden, innerhalb von sechs Monaten einen Antrag auf Amnestie stellen konnten (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 7.2.2019 - im Folgenden: AA, Stellungnahme vom 7.2.2019 -; AA, Ad-hoc-Bericht S. 11; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5). [...]

Unter Zugrundelegung dieser positiven Entwicklungen ist nicht ersichtlich, dass der Kläger für den Fall einer früheren unterstellten Unterstützung der OLF in Äthiopien verfolgt werden könnte. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass auch die OLF von der Terrorliste gestrichen wurde, tausende von politischen Gefangenen freigelassen wurden und in den vergangenen Monaten sogar ehemals führende Oppositionspolitiker unbehelligt nach Äthiopien zurückgekehrt sind, spricht alles dafür, dass auch der Kläger keiner der in § 3a AsylG aufgeführten Verfolgungshandlungen (mehr) ausgesetzt sein wird (so der BayVGH, Urteil vom 13. Februar 2019 - 8 B 18.30261 - , juris).

Das Gericht verkennt nicht, dass die Arbeit des neuen Premierministers mit Rückschlägen und Gegenwind verbunden ist. Es wird vorwiegend von andauernden bzw. schwelenden ethnischen Konflikten zwischen den Bevölkerungsgruppen berichtet, aber nicht von konkret-individuellen Verfolgungshandlungen i.S.d. § 3a AsylG wegen politischer Aktivitäten Einzelner. Auch in den Regionen sind Gewaltkonflikte nach wie vor nicht unter Kontrolle (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6 f.). Die weiterhin vereinzelten Anschläge und Gewaltakte in Äthiopien vermögen an der Einschätzung des Gerichts zur politischen Verfolgung nichts zu ändern. Bei diesen Ereignissen handelt es sich nach Überzeugung des Gerichts auf der Grundlage der angeführten Erkenntnismittel aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Oppositionelle wegen ihrer politischen Überzeugung, sondern um Vorfälle in der Umbruchphase des Landes bzw. um Geschehnisse, die sich nicht als Ausdruck willentlicher und zielgerichteter staatlicher Rechtsverletzungen, sondern als Maßnahmen zur Ahndung kriminellen Unrechts oder als Abwehr allgemeiner Gefahrensituationen darstellen (vgl. dazu Auskunft des AA an das VG Dresden das vom 07.02.2019 - Gz. 508-516.80/52278). Aufgrund der jüngsten Gesetze und Vereinbarungen, verbunden mit der Rückkehr namhafter Exilpolitiker, kann daher nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass oppositionelle Tätigkeiten in Äthiopien zu flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen führen (vgl. auch VG Regensburg, B.v. 19.6.2018 - RO 2 E 18.31617 - juris; VG Regensburg, B.v. 31.7.2018 - RO 2 K 17.33894 - juris). Es liegen insbesondere auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die vom Parlament beschlossenen Veränderungen zugunsten der politischen Opposition in der (Vollzugs-) Praxis ignoriert würden. [...]