LSG Bayern

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Zitieren als:
LSG Bayern, Beschluss vom 08.07.2019 - L 18 AY 21/19 B ER - asyl.net: M27867
https://www.asyl.net/rsdb/M27867
Leitsatz:

Leistungskürzung wegen Zumutbarkeit einer Rückkehr nach Griechenland:

Leistungskürzung für eine in Griechenland als schutzberechtigt anerkannte syrische Familie, da es ihr zumutbar ist, den Schutz in Griechenland in Anspruch zu nehmen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Sozialrecht, Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Sozialleistungen, Leistungskürzung, Leistungseinschränkung, Anspruchseinschränkung, internationaler Schutz in EU-Staat,
Normen: AsylbLG § 1a Abs. 4 S. 2 a.F.
Auszüge:

[...]

32 b. Der Senat hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es den Ast ausnahmsweise unzumutbar wäre, den in Griechenland gewährten internationalen Schutz in Anspruch zu nehmen. Unter diesem Gesichtspunkt käme im Wege der teleologischen Reduktion eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 1a Abs. 4 S. 2 AsylbLG in Betracht (i.d.S. auch LSG Baden-Württemberg vom 14.05.2019 - L 7 AY 1161/19 ER-B, juris Rn. 16 ff.; zur Frage einer teleologischen Reduktion des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG s. auch Bayerisches LSG vom 17.09.2018 - L 8 AY 13/18 B ER, juris Rn. 27 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen vom 07.02.2018 - L 8 AY 23/17 B ER, juris Rn. 18; SG Landshut vom 15.02.2019 - S 11 AY 10/19 ER, juris Rn. 30 ff.). In diesem Zusammenhang ist aber darauf hinzuweisen, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten beruht. Daher muss die Vermutung gelten, dass Personen, die Asyl beantragt hätten oder denen subsidiärer Schutz gewährt worden sei, in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechtecharta, der Genfer Konvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten behandelt werden (vgl. EuGH, Urteile vom 19.03.2019 - C-163/17 und C-297/17, C-318/17, C-319/17, C-438/17; siehe dazu auch VGH Baden-Württemberg vom 27.05.2019 - A 4 S 1329/19, juris). Diese Vermutung greift allerdings dann nicht, wenn die Schutzberechtigten in dem Schutz gewährenden Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist; es muss objektiv die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bestehen (vgl. EuGH a.a.O.). Hinweise dafür, dass den Ast in Griechenland eine solche Gefahr droht, hat der Senat nicht (siehe zur Lage anerkannter Schutzberechtigter in Griechenland aktuell VG Cottbus, Beschluss vom 21.03.2019 - VG 5 L 540/18.A, juris). Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge haben die Ast im Wesentlichen geltend gemacht, dass sie Griechenland verlassen haben, weil die soziale Lage schwierig gewesen sei, die öffentlichen Leistungen sehr niedrig gewesen seien und es immer wieder Streitigkeiten mit anderen Bevölkerungsgruppen bzw. Mitbewohnern und Nachbarn gegeben hätte. Der Senat nimmt insoweit auch Bezug auf die Ausführungen in den gegenüber den Ast ergangenen Bescheiden des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.08.2018, mit denen die Anträge auf Asyl als unzulässig abgelehnt wurden. Allein die im Vergleich schwierigeren und schlechteren Lebensbedingungen in Griechenland lassen es aber nicht unzumutbar erscheinen, die Ast auf die Inanspruchnahme des dort gewährten internationalen Schutzes zu verweisen. Auch entsprechend der Rechtsprechung des EuGH (a.a.O.) lässt sich die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Schutz gewährenden Staat nicht auf den bloßen Umstand stützen, dass im Aufenthaltsstaat die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse günstiger sind. Nicht einmal das Drohen prekärer Lebensverhältnisse - große Armut oder starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse - begründet eine solche ernsthafte Gefahr. Vielmehr wäre diese erst dann gegeben, wenn eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten würde, die es ihr nicht erlauben würde, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen (insbesondere Ernährung, Hygiene, Unterkunft), und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigen oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzen würde, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. EuGH a.a.O.). Hierfür sieht der Senat, wie ausgeführt, keine Anhaltspunkte. [...]