VG Stuttgart

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Zitieren als:
VG Stuttgart, Urteil vom 27.07.2018 - A 5 K 18943/17 - asyl.net: M27878
https://www.asyl.net/rsdb/M27878
Leitsatz:

Abschiebungsverbot für homosexuellen Asylsuchenden mit verschiedenen Erkrankungen:

1. Zwar wird Homosexualität in der togoischen Gesellschaft geächtet, allerdings ist bei nichtstaatlicher Verfolgung eine inländische Fluchtalternative möglich.

2. Es besteht jedoch ein Abschiebungsverbot, da der Kläger unter mehreren Krankheiten leidet und die Medikamente aufgrund des unzureichenden Gesundheitswesens in Togo vermutlich nicht finanzieren können wird.

(Leitsätze der Redaktion; diese und weitere Entscheidungen zu LSBTI-Personen sind auch zu finden in der Rechtsprechungssammlung des LSVD)

Schlagwörter: Togo, homosexuell, LSBTI, Abschiebungsverbot, Krankheit, Diabetes mellitus, sexuelle Orientierung, Herzerkrankung,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu. [...]

Der Kläger hat bei einer Rückkehr nach Togo aufgrund seiner Homosexualität nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu erwarten.

Der Kläger dürfte nach dem Eindruck des Gerichts zwar homo- bzw. bisexuell sein. Ob der Kläger seine Homosexualität auch ausleben möchte, erscheint dem Gericht jedoch zweifelhaft, da der Kläger ca. 14 Jahre in Ghana gelebt hat und dort seine Homosexualität nicht ausgelebt hat, um keine Probleme zu kriegen. Dies schien für ihn kein Problem zu sein.

Unabhängig hiervon besteht für den Kläger in Togo nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 1 AsylG in Form einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung i.S.v. § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG durch den togoischen Staat. [...]

Homosexualität ist in Togo mit Strafe bedroht. [...]

Hinsichtlich der bereits ausgeführten Strafbarkeit von homosexuellen Handlungen in Togo ist festzustellen, dass dieses Gesetz nicht umgesetzt wird (vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Togo des Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Republik Österreich, vom 24.05.2018, S. 15). Entsprechende Verfahren bzw. Verurteilungen sind nicht bekannt (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16.08.2011, S. 9). [...]

Homosexuelle in Togo sind aber auch einer gesellschaftlichen Ächtung und Stigmatisierung ausgesetzt, die die Personen zwingt, ihre sexuelle Orientierung geheim zu halten. [...]

Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die bestehenden Diskriminierungen und gesellschaftlichen Schwierigkeiten einen solchen Schweregrad erreichen, dass von einer Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a AsylG ausgegangen werden kann.

Soweit der Kläger weiter vorgetragen hat, dass seine Familie ihn geschlagen habe und ihn töten wolle, wäre es dem Kläger möglich und auch zumutbar gewesen, sich in einem anderen Teil von Togo niederzulassen. Zwar handelt es sich bei Togo um ein sehr kleines Land, jedoch ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger von seiner Familie oder den Leuten aus seinem Viertel, die von seiner Homosexualität wussten, in einem anderen Ort in Togo gesucht würde. [...]

Für den Kläger liegt jedoch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. [...]

Der Kläger leidet [...] an Diabetes mellitus Typ II, arterieller Hypertonie, Linksherzhypertrophie, Zn. Syphillis 02/17, Spondylarthrose der LWS, Hyperlordose LWS, Vitamin B12-Mangel, Trichterbrust und akutem Nierenversagen. [...]

Das Gesundheitswesen in Togo ist unzureichend, vor allem in den ländlichen und nördlichen Regionen (vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Togo des Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Republik Österreich, vom 24.05.2018, S. 17). Insbesondere Diabetes mellitus ist in Togo zwar behandelbar (vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 16.07.2012, Togo: Medizinische Versorgung, S. 9; Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16.08.2011, S. 14; vgl. auch VGH Bad.-Württ, Urteil vom 18.04.2017 - A 9 S 333/17 juris) und grundsätzlich sind in Togo alle Medikamente und medizinischen Dienstleistungen erhältlich (vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 16.07.2012, Togo: Medizinische Versorgung, S. 2 und 3). Generell gilt aber, wer kein Geld hat, hat auch keinen Zugang zu medizinischer Versorgung (vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Togo des Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Republik Österreich, vom 24.05.2018, S. 17; Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16.08.2011, S. 14; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.04.2017 - A 9 S 333/17 - juris). [...]

Der Kläger ist nach der Überzeugung des Gerichts nicht in der Lage, die von ihm benötigten Medikamente und Behandlungen zu bezahlen, da er nicht über genügend finanzielle Mittel in Togo verfügt. Der Kläger verfügt nach seinen glaubhaften Angaben über keine näheren Verwandten mehr in Togo, die ihn finanziell unterstützen könnten. Zu seiner Schwester, die in Nigeria lebe, sei der Kontakt abgebrochen und er wisse nicht, ob diese noch am Leben sei. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Togo gleich eine Arbeit finden wird, mit der er seinen Lebensunterhalt sowie seine medizinische Versorgung sicherstellen kann. Denn der Kläger ist seit dem Jahr 2000 nicht mehr in Togo gewesen und hat davor nie in Togo gearbeitet, sondern wurde lediglich von seiner Familie unterstützt. [...]