OLG Koblenz

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Zitieren als:
OLG Koblenz, Beschluss vom 26.11.2019 - 4 W 299/19 SmA - asyl.net: M27896
https://www.asyl.net/rsdb/M27896
Leitsatz:

Zur gerichtlichen Zuständigkeit für die Entscheidung über einen Feststellungsantrag:

Wird eine inhaftierte Person in eine Hafteinrichtung verlegt, für die ein anderes Amtsgericht zuständig ist als für die ursprüngliche Haftanordnung, so wird ersteres nicht allein durch die Verlegung zuständig. Vielmehr bedarf es einer Abgabeentscheidung sowie einer vorherigen Anhörung der betroffenen Person.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Verlegung, Haftort, örtliche Zuständigkeit, Anhörung, Verfahrensfehler, Amtsgericht, rechtliches Gehör,
Normen: AufenthG § 106 Abs. 2 Satz 2,
Auszüge:

[...]

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 5 FamFG vollzieht sich nach Zweckmäßigkeitserwägungen (Bumiller/Harders, a.a.O., § 5 Rn. 20). Diese sprechen hier für eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Koblenz.

Dieses wurde dadurch, dass der Betroffene in dessen Zuständigkeitsbezirk aufgegriffen wurde und in der Folge dort das Bedürfnis für die Freiheitsentziehung entstanden war, für das Verfahren örtlich zuständig (§ 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, 416 Satz 1 FamFG). Die Verbringung des Betroffenen in den Bezirk des Amtsgerichts Darmstadt zur weiteren Vollziehung der Abschiebehaft führte per se nicht dazu, dass das Verfahren bei dem Amtsgericht Darmstadt angefallen und dieses ohne Abgabeentscheidung des Ausgangsgerichts für das Verfahren zuständig geworden wäre. Einen Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit, ohne dass es einer Abgabeentscheidung nach § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG bedürfte, sieht das Gesetz nur für die - hier nicht einschlägige - Entscheidung über eine Verlängerung der Abschiebehaft vor (vgl. BGH, Beschluss vom 2.3.2017 - V ZB 122/15 -, juris).

Soweit das Amtsgericht Koblenz das Verfahren nach Eingang der Beschwerde mit Beschlüssen vom 22.1.2019 und vom 3.6.2019 an das Amtsgericht Darmstadt abgab, entfalteten beide Beschlüsse wegen eines erheblichen Verfahrensfehlers keine Bindungswirkung nach § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Grundsätzlich können zwar auch verfahrensfehlerhaft ergangene Abgabebeschlüsse Bindungswirkung entfalten. Eine Ausnahme hiervon gilt jedoch bei Beschlüssen, die, wie hier, unter Verletzung des rechtlichen Gehörs ergangen sind (vgl. Keidel/Sternal, a.a.O. § 5 Rn. 45; Bergmann/Dienelt/Wnkelmann, 12. Aufl., AufenthG, § 106 Rn. 6). Das Amtsgericht Koblenz hatte jeweils vor der Entscheidung über die Verfahrensabgabe nicht ersichtlich den Betroffenen hierzu angehört, obgleich dies nach der Verfahrenslage problemlos möglich gewesen wäre.

Aus Gründen der Zweckmäßigkeit ist das Amtsgericht Koblenz als weiterhin örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen. Dieses war als erstes Gericht mit dem Verfahren und den sich in diesem stellenden Rechtsfragen befasst. Soweit einmal etwaig ein Abgabegrund nach § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG bestanden haben sollte, ist dieser durch die Abschiebung des Betroffenen zwischenzeitlich nicht mehr gegeben. [...]