VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 31.10.2019 - 3 K 2297/18.F.A - asyl.net: M27929
https://www.asyl.net/rsdb/M27929
Leitsatz:

Keine Flüchtlingsanerkennung für Frau aus dem Iran wegen Ehe mit transsexuellem Mann:

Eine iranische Frau, die erst nach dessen geschlechtsangleichender Operation einen transsexuellen Mann geheiratet hat, wird nicht wegen ihr zugeschriebener Homosexualität staatlich verfolgt, da Geschlechtsumwandlungen staatlich akzeptiert sind und zum Teil von Krankenversicherungen unterstützt werden. Insofern ist auch bei Verfolgung durch Familienangehörige, welche die Ehe ablehnen, auf den Schutz durch staatliche Behörden bzw. eine inländische Fluchtalternative zu verweisen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: transsexuell, Eheschließung, homosexuell, Schutzbereitschaft, interne Fluchtalternative, interner Schutz, Iran, Transsexuelle, homosexuell, sexuelle Selbstbestimmung, Geschlechtsangleichung, Geschlechtsumwandlung,
Normen: AsylG § 3, AsylG § 3a, AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 4, AsylG § 3c, AsylG § 3d, AsylG § 3e,
Auszüge:

[...]

14 Soweit die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte im Termin vom 31.10.2019 zu bedenken gab, dass gegen die Klägerin wegen ihrer Ehe mit einem Transsexuellen der Verdacht der Homosexualität bestehe, wird dies vom erkennenden Gericht nicht geteilt. Die von der Klägerin geschilderte Verfolgung durch ihre Familienangehörigen setzte erst ein, als diese von der Transsexualität des Ehemannes der Klägerin erfuhren. Deshalb hat das erkennende Gericht keinen Zweifel daran, dass die von der Klägerin geschilderte Verfolgung ihr als Ehefrau ihres transsexuellen Ehemannes galt, nicht aber einer ihrer Person nunmehr zugeschriebenen Homosexualität.

Eine der Klägerin drohende Verfolgung im Iran nicht wegen eines in ihrer Person gegebenen Verfolgungsgrundes, sondern wegen ihres verwandtschaftlichen Verhältnisses zu einer solchen Person wäre nach Auffassung des erkennenden Gerichts als Sippenhaft zu verstehen. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (AA an BAMF vom 24.10.2011) wird sogenannte Sippenhaft im Iran nicht praktiziert.

Allerdings gibt das Auswärtige Amt (AA an VG Schwerin vom 11.12.2014) selbst an, dass nach seiner Erkenntnisse Familienangehörige von ausgemachten Oppositionellen häufig Opfer von staatlichen Maßnahmen wie Schikanen, Drohungen und gelegentlichen Festnahmen seien. Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Gefährdung von Konvertierten vom 07.06.2018 – Seite 13) schildert, dass Familienmitglieder von christlichen Konvertierten Opfer von Schikanen durch staatliche Akteure werden können.

Allerdings besteht zwischen Familienangehörigen von ausgemachten Oppositionellen bzw. Familienangehörigen von zum Christentum Konvertierten und der Klägerin ein gewichtiger Unterschied. Denn Geschlechtsumwandlungen, wie sie sich der Ehemann der Klägerin unterzogen hat, sind staatlich akzeptiert; entsprechende Operationen werden zum Teil von den Krankenversicherungen unterstützt (AA, Lagebericht vom 12.01.2019 – Seite 18). Deshalb hat das erkennende Gericht keinerlei Zweifel daran, dass der iranische Staat die von ihm akzeptierte Geschlechtsumwandlung des Ehemannes der Klägerin nicht zum Anlass nimmt, nunmehr den Ehemann der Klägerin zu verfolgen. Dies gilt erst recht für die Klägerin selbst, die ihren Ehemann erst nach dessen Geschlechtsumwandlung kennenlernte und heiratete. [...]