VG Düsseldorf

Merkliste
Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 07.01.2020 - 29 K 736/19.A - asyl.net: M27997
https://www.asyl.net/rsdb/M27997
Leitsatz:

Zuständigkeitsübergang trotz Remonstration des ersuchenden Mitgliedstaats im Dublin-Verfahren:

Stimmt der eigentlich zuständige Staat nach einer Remonstration der Wiederaufnahme doch noch zu, jedoch nach Ablauf der dafür vorgesehenen Frist, und stellt der Mitgliedstaat, auf dessen Gebiet sich die asylsuchende Person aufhält, auch nicht rechtzeitig einen erneuten Wiederaufnahmeantrag, so geht die Zuständigkeit für das Asylverfahren auf den ersuchenden Mitgliedstaat über.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Dublinverfahren, Remonstration, Zustimmung, Frist, Wiederaufnahmegesuch, Zuständigkeitsübergang,
Normen: VO 1560/2003 Art. 5, VO 604/2013 Art. 25,
Auszüge:

[...]

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerinnen ist nach Maßgabe der Dublin III-VO jedoch zwischenzeitlich auf die Beklagte übergegangen, weil die französischen Behörden das vom Bundesamt innerhalb der in Art. 24 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin III-VO genannten Frist gestellte Wiederaufnahmegesuch fristgerecht abgelehnt haben und die im Rahmen des Remonstrationsverfahrens schließlich doch noch erklärte Zustimmung Frankreichs erst nach Ablauf der Frist des Art. 24 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin III-VO bzw. nach endgültigem Abschluss des Remonstrationsverfahrens erfolgt ist.

Nach Art. 25 Abs. 1 Dublin III-VO nimmt der ersuchte Mitgliedstaat die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Wiederaufnahme der betreffenden Person so rasch wie möglich, in jedem Fall aber nicht später als einen Monat, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde (Satz 1). Stützt sich der Antrag – wie hier – auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen (Satz 2). Nach Abs. 2 ist davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, wenn innerhalb der vorgenannten Frist keine Antwort erteilt wird.

Vorliegend ist das vom Bundesamt am 29. März 2018 gestellte und am gleichen Tag in Frankreich eingegangene Wiederaufnahmegesuch innerhalb der hier wegen des Eurodac-Treffers einschlägigen Frist von zwei Wochen (Art. 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Dublin III-VO) mit Schreiben vom 30. März 2018 von Frankreich abgelehnt worden. Vor dem Hintergrund der (fristgerechten) Ablehnung scheidet hier auch die Anwendung der Zustimmungsfiktion aus Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO au (vgl. z.B. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 13. Juli 2018 – 22 L 1823/18.A, juris Rn. 13 und vom 27. April 2018 - 12 L 3840/17.A, juris Rn. 38; VG Aachen, Urteil vom 19. Dezember 2017 - 4 K 4415/17.A, juris Rn. 55).

Die Ablehnung des Wiederaufnahmegesuchs ist vorliegend auch nicht deswegen unbeachtlich, weil das Bundesamt gegen die Ablehnung des Wiederaufnahmegesuchs ein Remonstrationsverfahren nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, in der durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 geänderten Fassung (im Folgenden: Dublin II-DVO) eingeleitet hat, auf das Frankreich schließlich mit Schreiben vom 29. August 2018 dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben hat.

In Art. 5 Dublin II-DVO, der mangels anderweitiger Regelungen in der VO (EG) 118/2014 weiterhin Anwendung findet (vgl. EuGH, Urteil vom 13. November 2018 – C-47/17, juris; VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 13. Juli 2018 – 22 L 1823/18.A, juris Rn. 15 und vom 27. April 2018 – 12 L 3840/17.A, juris Rn. 39; VG Ansbach, Beschluss vom 9. Februar 2018 – AN 17 S 18.50096, juris Rn. 19), ist ein Remonstrationsverfahren für den Fall normiert, dass der ersuchte Mitgliedstaat ein Wiederaufnahmegesuch ablehnt. Vertritt der ersuchende Mitgliedstaat die Auffassung, dass diese Ablehnung auf einem Irrtum beruht, oder kann er sich auf weitere Unterlagen berufen, ist er nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-DVO berechtigt, eine neuerliche Prüfung seines Gesuchs zu verlangen. Diese Möglichkeit muss binnen drei Wochen nach Erhalt der ablehnenden Antwort in Anspruch genommen werden (Satz 2). Der ersuchte Mitgliedstaat erteilt binnen zwei Wochen eine Antwort (Satz 3).

Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Dublin II-DVO ist dabei dahingehend auszulegen, dass der ersuchte Staat sich im Geist loyaler Zusammenarbeit bemühen muss, auf ein Ersuchen um neuerliche Prüfung innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Antwort zu erteilen. Eine Rechtspflicht zur Beantwortung des Ersuchens auf neuerliche Prüfung innerhalb der zweiwöchigen Frist mit der Folge, dass im Fall ihrer Nichtbeachtung die Zuständigkeit auf den ersuchten Staat übergeht, ist damit jedoch nicht bezweckt (vgl. EuGH, Urteil vom 13. November 2018 – C-47/17, juris Rn. 77 ff.).

Das zusätzliche Verfahren der neuerlichen Prüfung ist dann endgültig abgeschlossen, wenn der ersuchte Mitgliedstaat nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen auf dieses Ersuchen antwortet. Dies hat zur Folge, dass der ersuchende Mitgliedstaat nach Ablauf dieser Frist als für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig anzusehen ist, es sei denn, ihm steht noch die für die Stellung eines erneuten Gesuchs um Aufnahme oder Wiederaufnahme innerhalb der dazu in Art. 21 Abs. 1 bzw. Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO vorgesehenen zwingenden Fristen erforderliche Zeit zur Verfügung (vgl. EuGH, Urteil vom 13. November 2018 – C-47/17, juris Rn. 86 f.). [...]