VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 29.11.2019 - 22 L 2745/19 - asyl.net: M28004
https://www.asyl.net/rsdb/M28004
Leitsatz:

Freizügigkeitsrecht bei doppelter Staatsangehörigkeit.

Das FreizügG/EU verleiht drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eines Unionsbürgers, der sich in einem Mitgliedstaat niederlässt, dessen Staatsangehörigkeit er (auch) besitzt, grundsätzlich kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: freizügigkeitsberechtigt, drittstaatsangehöriger Ehegatte, Unionsbürger, doppelte Staatsangehörigkeit, deutsche Staatsangehörigkeit, Inländerdiskriminierung, Aufenthaltsrecht,
Normen: RL 2004/38/EG Art. 3 Abs. 1, FreizügG/EU § 1,
Auszüge:

[...]

Das vom Antragsteller geltend gemachte Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU aufgrund seiner Ehe mit Frau ... besteht nicht. Diese besitzt zwar seit ihrer Geburt und auch aktuell weiterhin die polnische Staatsangehörigkeit, hat jedoch zusätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit erworben und sich erst anschließend im Bundesgebiet niedergelassen. Bei dieser Sachlage fällt der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des FreizügG/EU, so dass er sich auch nicht auf eine Freizügigkeitsvermutung bis zu einer behördlichen Feststel - lung des Nichtbestehens oder des Verlustes des Freizügigkeitsrechts berufen kann (vgl. zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs des FreizügG/EU in Bezug auf Familienangehörige: BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 - 1 C 34/16 - Rn. 11 ff, BVerwGE 160, 147-156 und juris sowie VGH BW, Beschluss vom 28. August 2019 - 11 S 1794/19 -, Rn. 16, juris).

Der Antragsteller ist nicht aufgrund seiner Ehe mit Frau ... als Familienangehöriger eines Unionsbürgers im Sinne des § 1 FreizügG/EU anzusehen. In der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung verleiht das FreizügG/EU drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eines Unionsbürgers in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht (vgl. EuGH, Urteil vom 12. März 2014 – C-456/12 –, Rn. 37, juris; EuGH, Urteil vom 14. November 2017 – C-165/16 –, Rn. 33 ff, juris).

Denn Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 (Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ABl. L 158, 30.4.2004, S.77), deren Umsetzung das FreizügG/EU dient, definiert als "Berechtigte" der durch die Richtlinie gewährten Rechte "jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie seine Familienangehörigen im Sinne von Artikel 2 Nummer 2, die ihn begleiten oder ihm nachziehen". Ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht für Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie sind, sieht die Richtlinie 2004/38 daher nur für den Fall vor, dass der Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, indem er sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, niedergelassen hat (EuGH, Urteil vom 12. März 2014 – C-456/12 –, Rn. 39 m.w.N., juris; EuGH, Urteil vom 14. November 2017 – C-165/16 –, Rn. 33 ff, juris.

Daran fehlt es hier. Denn die Ehefrau des Antragstellers erwarb die deutsche Staatsangehörigkeit im Jahr 2007. Ihre Einreise in das Bundesgebiet, seit der sie sich dauerhaft im Bundesgebiet aufhält, erfolgte indes erst im Jahr 2008. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, dass sich die Ehefrau des Antragstellers jemals in Ausübung ihres Freizügigkeitsrechts in einen anderen Mitgliedstaat begeben hat, als denjenigen, deren Staatsangehörigkeit sie (auch) besitzt. [...]