VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2019 - 27 K 10116/17.A - asyl.net: M28028
https://www.asyl.net/rsdb/M28028
Leitsatz:

Keine politische Verfolgung in Nigeria wegen Mitgliedschaft in der IPOB:

"1. Eine Verfolgung wegen der Unterstützung der Unabhängigkeit Biafras, insbesondere einer Mitgliedschaft in der IPOB nach einer Rückkehr nach Nigeria droht nicht sämtlichen Unterstützern mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Ein solches erhöhtes Risiko besteht nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen allenfalls für die Anführer der IPOB-Bewegung in Nigeria.

2. Dies gilt gleichermaßen für exilpolitische Tätigkeiten für die Unabhängigkeit Biafras. Auch insoweit geht aus den verfügbaren Erkenntnissen hervor, dass allenfalls die Leitungsebene unter Beobachtung steht.

3. Asyl-Rückkehrer werden keiner Überprüfung seitens der Kriminalpolizei im Zusammenhang mit laufenden Verfahren unterzogen. Dies gilt auch in Bezug auf etwaige Verbindungen zur Biafra-Unabhängigkeits­bewegung.

4. Auch würden einfache Unterstützer der Unabhängigkeit Biafras nicht in ganz Nigeria erkannt werden. Dies würde allenfalls für die medial sehr präsenten Unabhängigkeitsführer oder die Drahtzieher der Bewegung ("high-profile-members") gelten."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Nigeria, Biafra, interne Fluchtalternative, IPOB, Indigenous People of Biafra, politische Verfolgung, Exilpolitik, Nachfluchtgründe,
Normen: AsylG § 3, AsylG § 3e,
Auszüge:

[...]

Unabhängig davon droht nach den dem Gericht vorliegen Erkenntnissen eine Verfolgung wegen der Unterstützung der Unabhängigkeit Biafras, insbesondere einer Mitgliedschaft in der IPOB, nach einer Rückkehr nach Nigeria nicht sämtlichen Unterstützern mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Ein solches erhöhtes Risiko besteht nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen allenfalls für die Anführer der IPOB-Bewegung in Nigeria (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 19. Februar 2019; so auch: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nigéria : Situation des membres du groupe IPOB, 19. Juli 2019, www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/afrika/nigeria /190719-nga-situation-ipobasylwiki. pdf, S. 5).

Festnahmen oder Verhaftungen von IPOB-Mitgliedern einzig aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu der Organisation sind bislang nicht bekannt geworden (vgl. Bundesrepublik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Nigeria, Gesamtaktualisierung vom 12. April 2019, S. 27).

Dies entspricht den Einschätzungen des European Asylum Support Office (EASO), das ebenfalls davon ausgeht, dass nicht alle Biafra-Anhänger einem entsprechenden Risikoprofil für eine drohende Verfolgung unterfallen, sondern allenfalls sog. "high-profile members" (vgl. EASO, Country Guidance Nigeria, easo.europa.eu/sites/default/files/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf, S. 50, 99).

Dies gilt gleichermaßen für exilpolitische Tätigkeiten für die Unabhängigkeit Biafras. Auch insoweit geht aus den verfügbaren Erkenntnissen hervor, dass allenfalls die Leitungsebene unter Beobachtung steht. Zwar stellt die Schweizerische Flüchtlingshilfe in ihrem jüngsten Bericht zur Lage der IPOB in Nigeria (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nigéria : Situation des membres du groupe IPOB, 19. Juli 2019, www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/afrika/nigeria/190719-nga-situation-ipobasylwiki. pdf) dar, dass der nigerianische Staat die exilpolitischen Tätigkeiten der IPOB beobachte. Anhand der dortigen Beispiele, wonach etwa nigerianische Regierungsmitglieder geäußert hätten, Frankreich sei das Finanzzentrum der IPOB, bzw. diese habe ihren Hauptsitz über Radio Biafra in London, zeigen, dass es hier allenfalls um eine Beobachtung der Exilpolitik auf höchster Ebene gehen kann. Hieraus kann indes nicht geschlossen werden, dass der nigerianische Staat etwa sämtliche IPOB-Anhänger, die in Europa an Demonstrationen teilnehmen oder sich in sozialen Medien engagieren, überwachen oder gar registrieren würde. Hiergegen spricht in Gegenteil die vom erkennenden Gericht in einem Parallelverfahren eingeholte Auskunft der Auswärtigen Amtes, wonach insbesondere im Rahmen der Einreise keine Kontrollen mit Blick auf etwaige politische Straftaten stattfinden (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 19. Dezember 2018, zu Frage 3; Auskunft an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 19. Februar 2019). [...]