VG Darmstadt

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Zitieren als:
VG Darmstadt, Beschluss vom 23.08.2019 - 4 L 1466/19.DA.A - asyl.net: M28050
https://www.asyl.net/rsdb/M28050
Leitsatz:

Keine aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels gegen die Verpflichtung zur Mitwirkung im Widerrufs-/Rücknahmeverfahren: 

"§ 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass der Verweis auf § 73 AsylG nicht die Mitwirkungspflichten nach § 73 Abs. 3a AsylG umfasst."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Mitwirkungspflicht, Widerrufsverfahren, Rücknahme, Rücknahmeverfahren, Asylverfahren, Asylverfahrensrecht, Suspensiveffekt,
Normen: AsylG § 75 Abs. 1 S. 1, AsylG § 73 Abs. 3a,
Auszüge:

[...]

Nach der letztgenannten Vorschrift hat die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie der §§ 73, 73b und 73c aufschiebende Wirkung. Diese Vorschrift ist teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass der Verweis auf § 73 AsylG ("Widerruf und Rücknahme der Asylberechtigung und der Flüchtlingseigenschaft") nicht die durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Asylgesetzes vom 4. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2250) neu eingefügten Mitwirkungspflichten nach § 73 Abs. 3a AsylG umfasst. [...] Vorliegend entspricht es dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, das Verfahren zur Prüfung der Rücknahme-/Widerrufsvoraussetzungen effektiv auszugestalten und zu beschleunigen. Dies folgt neben der grundsätzlichen Einführung des § 73 Abs. 3a AsylG insbesondere aus § 73 Abs. 3a Satz 3 AsylG, wonach das Bundesamt den Ausländer mit Mitteln des Verwaltungszwangs zur Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anhalten soll. Nach dem ebenfalls durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Asylgesetzes vom 4. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2250) neu eingefügten § 75 Abs. 1 Satz 2 AsylG hat die Klage gegen diese Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73 Absatz 3a Satz 3) keine aufschiebende Wirkung. In den Gesetzesmaterialien hierzu heißt es (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Heimat v. 07.11.2018, BT-Drucks. 19/5590, S. 6):

"Da Zwangsmaßnahmen des Bundesamts im Rahmen der Widerrufsprüfung (z.B. die Anordnung des persönlichen Erscheinens) selbständig mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden können (§ 44a Satz 2 VwGO), besteht ein Risiko, dass entsprechende Klagen allein zur Verfahrensverzögerung erhoben werden. Um dieses Risiko zu minimieren, wird die aufschiebende Wirkung der Klage gegen entsprechende Zwangsmaßnahmen des Bundesamtes ausgeschlossen. Der einstweilige Rechtsschutz bleibt hiervon unberührt, so dass streitige Fragen im Rahmen des gerichtlichen Eilverfahrens zügig geklärt werden können."

Dem damit zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers würde es substanziell entgegenstehen, wenn zwar nicht die Klage gegen die Zwangsmaßnahme, aber die Klage gegen die damit – in demselben Bescheid – verbundene Anordnung der Mitwirkungshandlung selbst aufschiebende Wirkung hätte. Daneben würde auch das in § 73 Abs. 3a Satz 3 AsylG geregelte intendierte Ermessen ausgehöhlt, wenn das Bundesamt zunächst den sofortigen Vollzug der Mitwirkungsverpflichtung anordnen müsste, um Mittel des Verwaltungszwangs überhaupt erst anwenden zu können (vgl. § 6 Abs. 1 VwVG). [...]