VG Neustadt a.d.W.

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Zitieren als:
VG Neustadt a.d.W., Beschluss vom 26.11.2019 - 2 L 1064/19.NW - asyl.net: M28092
https://www.asyl.net/rsdb/M28092
Leitsatz:

Keine Befreiung vom Visumsverfahren bei Ehegatt*innennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten:

"1. § 36a Abs 2 S 1 Nr 2 AufenthG (juris: AufenthG 2004) soll nach einer längeren Zeit des fluchtbedingten Getrenntlebens in unterschiedlichen Staaten dem Wunsch und dem Bedürfnis auf Herstellung der Familien­einheit im Bundesgebiet Rechnung tragen (Rn. 6).

2. Die Ausnahmenregelungen vom Visumzwang in § 39 Nrn 3, 5, 6 AufenthV und in § 5 Abs 2 S 2, Alt 1 AufenthG (juris: AufenthG 2004) finden auf den Nachzug zu einem subsidiär schutzberechtigten Ehegatten keine Anwendung, weil ein gesetzlicher Anspruch auf Ehegattenzusammenführung im Bundesgebiet in diesen Fällen nicht besteht (Rn. 11).

3. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel für den Nachzug zu einem subsidiär Schutzberechtigten erst nach der Einreise einholen zu dürfen, im Interesse der vorrangig zu verfolgenden Kontingentlösung (§ 36a Abs 2 S 2 AufenthG (juris: AufenthG 2004)) praktisch auf jene Fälle beschränkt, in denen entweder andere als die o.g. Ausnahmen oder Befreiungsregelungen eingreifen oder es den Ehegatten aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht zumutbar ist, das Visumverfahren durchzuführen (Rn. 11)."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: subsidiärer Schutz, Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, Visumspflicht, Visumsverfahren, Familienzusammenführung, Visumsverfahren, humanitäre Gründe, Aufenthaltstitel, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen,
Normen: AufenthG § 36a Abs. 2 S. 1 Nr. 2, AufenthG § 36a Abs. 2 S. 1 Nr. 1, AufenthG § 5 Abs. 2 S. 1, AufenthG § 25 Abs. 2 S. 1 Alt. 2,
Auszüge:

[...]

3 Die Antragstellerin strebt die Einholung eines Aufenthaltstitels im Inland zum Aufenthalt bei ihrem subsidiär schutzberechtigten Ehemann an, der – ebenso wie die Antragstellerin selbst – die russische Staatsbürgerschaft hat, und der nach der angekündigten Umschreibung des Aufenthaltstitels voraussichtlich in Kürze in den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative AufenthG gelangen wird. Rechtsgrundlage für die Ehegattenzusammenführung zu einem subsidiär Schutzberechtigen ist seit dem 1. August 2018 die Regelung in § 36a AufenthG. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers richtet sich der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten seither ausschließlich nach § 36a AufenthG, der für diesen Personenkreis den Ehegattennachzug speziell und gegenüber § 30 AufenthG mit abschließender Wirkung regelt (vgl. S. 20, 21 der BT-Drucksache 19/2438 vom 4. Juni 2018 zum sog. Familiennachzugsneuregelungsgesetz vom 12. Juli 2018 (BGBl. 2018 I S. 1147 f.)). [...]

4 Hiervon ausgehend fehlt es an den besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 36a AufenthG. Nach § 36a AufenthG kann dem Ehegatten eines Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative AufenthG besitzt, aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis – unter Beachtung der sich aus § 36a Abs. 2 bis 5 AufenthG ergebenden Beschränkungen – erteilt werden. [...]

10 Zudem fehlt es für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Denn bei ihrer Einreise von Dänemark kommend in das Bundesgebet war die Antragstellerin nicht im Besitze des für eine Ehegattenzusammenführung erforderlichen nationalen Visums (§ 6 Abs. 3 i.V.m. § 36a Abs.1 und Abs. 2 Satz 2 AufenthG).[...]

11 Ausnahmen vom Visumzwang greifen nicht ein. Zwar ist es in Fällen, in welchen insbesondere ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, vereinzelt möglich, einen Aufenthaltstitel nach Maßgabe der entsprechenden Ausnahmeregelungen im Inland einzuholen oder einen bereits erteilten Titel erst nach der Einreise entsprechend zu verlängern. Indessen finden die hier maßgeblichen Ausnahmeregelungen in § 39 Nrn. 3, 5, 6 AufenthV und in § 5 Abs. 2 Satz 2, 1. Alternative AufenthG auf den Nachzug zu einem subsidiär schutzberechtigten Ehegatten keine Anwendung, weil ein gesetzlicher Anspruch auf Ehegattenzusammenführung im Bundesgebiet in diesen Fällen gerade nicht besteht (§ 36a Abs. 1 Satz 3 AufenthG, vgl. auch S. 2 der o.g. BT-Drucks. 19/2438). Denn § 36a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ermöglicht bei dem Vorliegen von humanitären Gründen einen Nachzug lediglich nach Ermessen (... kann erteilt werden ...). Damit hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel für den Nachzug zu einem subsidiär Schutzberechtigten erst nach der Einreise einholen zu dürfen, im Interesse der vorrangig zu verfolgenden Kontingentlösung (§ 36a Abs. 2 Satz 2 AufenthG) praktisch auf jene Fälle beschränkt, in denen entweder andere als die o.g. Ausnahmen oder Befreiungsregelungen eingreifen oder es den Ehegatten aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht zumutbar ist, das Visumverfahren durchzuführen (§ 5 Abs. 2 Satz 2, 2. Alternative AufenthG). [...]