OVG Rheinland-Pfalz

Merkliste
Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30.10.2019 - 6 A 11330/18 - asyl.net: M28095
https://www.asyl.net/rsdb/M28095
Leitsatz:

Ergänzende ärztliche Untersuchung oder weitere Frist zur Vorlage eines qualifizierten Attestes nur im Ausnahmefall:

"1. Der Nachweis einer tatbestandsrelevanten Erkrankung im Sinne von § 60 Abs. 7 AufenthG (juris: AufenthG 2004) obliegt grundsätzlich vollständig dem Ausländer (Rn.17).

2. Allenfalls im Ausnahmefall, etwa wenn es dem Ausländer ohne Verschulden unmöglich war, eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung einzuholen, ist im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG zu erwägen, ob eine ergänzende ärztliche Untersuchung des Betroffenen zu erfolgen hat, oder ob diesem eine weitere Frist zur Vorlage eines qualifizierten Attestes zu setzen ist (Rn.19)."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot, Beweislast, Sachaufklärungspflicht, rechtliches Gehör, Attest, Präklusion, Beweisantrag, mündliche Verhandlung,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 2, AufenthG § 60a Abs. 2c, AufenthG § 60a Abs. 2d S. 2, GG Art. 19 Abs. 4, Gg Art. 103,
Auszüge:

[...]

18 Durch die jüngste Novelle hat der Gesetzgeber mit dem in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (n.F.) enthaltenen expliziten Verweis auf § 60a Abs. 2c Satz 2 und Satz 3 AufenthG ausdrücklich klargestellt, dass die Anforderungen an ärztliche Atteste zu vereinheitlichen sind (BT-Drs. 19/10047, S. 37). Der Gesetzgeber hat damit auch klargestellt, dass der Nachweis einer tatbestandsrelevanten Erkrankung im Sinne von § 60 Abs. 7 AufenthG grundsätzlich vollständig dem Ausländer obliegt, da dieser nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (n.F.) i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern und dadurch eine – zielstaatsbezogene – erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG (n.F.) darstellen würde, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen muss.

19 Diese gesetzgeberische Grundentscheidung hat als Reflex eine Verminderung der behördlichen und gerichtlichen Aufklärungspflicht zur Folge. Allenfalls im Ausnahmefall, etwa wenn es dem Ausländer ohne Verschulden unmöglich war, eine entsprechende ärztliche Bescheinigung einzuholen, ist im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG zu erwägen, ob eine ergänzende ärztliche Untersuchung des Betroffenen zu erfolgen hat, oder ob diesem eine weitere Frist zur Vorlage eines qualifizierten Attestes zu setzen ist (vgl. § 60a Abs. 2d Satz 2 AufenthG). [...]