VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Urteil vom 01.08.2019 - A 9 K 2729/16 - asyl.net: M28161
https://www.asyl.net/rsdb/M28161
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für chinesische Staatsangehörige wegen Mitgliedschaft in der Kirche des Allmächtigen Gottes:

Mitgliedern der "Kirche des Allmächtigen Gottes" droht in China religiöse Verfolgung.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: China, religiöse Verfolgung, Flüchtlingsanerkennung, Christen, Kirche des Allmächtigen Gottes,
Normen: AsylG § 3,
Auszüge:

[...]

Denn die Kirche des Allmächtigen Gottes ist in China - anders als eine Vielzahl mehr oder weniger geduldeter sonstiger christlicher Religionsgemeinschaften - ausdrücklich als "böser Kult" seit 1995 verboten, weil sie - obwohl sie nicht den Umsturz predigt und obwohl sie von ihren Mitgliedern Enthaltsamkeit in politischen Dingen fordert - die Kommunistische Partei Chinas als den in der Offenbarungsgeschichte in der Bibel erwähnten "Großen roten Drachen" ansieht, der grausam und gottlos herrscht, aber der biblischen Prophezeiung zufolge eines Tages unter dem Gewicht seiner Widersprüchlichkeiten und Irrtümer zu Fall kommen wird (vgl. dazu CESNUR/ORLIR, a.a.O., S. 12, 13; vgl. dazu ACCORD, a.a.O. Ziff.1.1., S. 3-5).

Die Zugehörigkeit zu dieser verbotenen Kirche wiederum wird durch Art. 300 des chinesischen StGB ausdrücklich unter Strafe gestellt und kann mit langjährigen Haftstrafen [bis zu 3 oder gar 7 Jahren] geahndet werden (so zuletzt wieder AA, Auskunft v. 5.8.2019 an VG Stuttgart; zuvor schon ausführlich mit weiteren Quellennachweisen VG Karlsruhe, Urteile v. 4.5.2018 - A 6 K 7906/16 - Rn. 26 u. v. 12.6.2018 - A 6 K 436/17-, Rn. 20 bis 33, jeweils juris; dazu auch VGH Bad.-Württ., B. v. 30.7.2018 - A 12 S 1332/18 -, juris).

Diese Strafandrohung wird in China - wenngleich nicht flächendeckend und gegenüber jedem Gläubigen - auch immer wieder zum Teil in Verfolgungswellen, zum Teil auch je nach Provinz unterschiedlich, vom chinesischen Staat durchgesetzt. Tausende Anhänger dieser Religionsgemeinschaft sind allen vorliegenden Erkenntnisquellen zufolge in den vergangenen Jahren und auch schon in der von der Klägerin genannten Zeit seit 2011 immer wieder verhaftet und zum Teil zu sehr hohen Haftstrafen verurteilt worden, die sie auch tatsächlich verbüßen müssen. Zudem sind Gläubige in vielen Fällen auch misshandelt oder gar gefoltert worden. Manche wurden dabei sogar getötet, andere gelten als vermisst (vgl. zuletzt wieder US Dept. of State, Religious Freedom Report, China, 21.6.2019, Berichtszeitraum 2018, S. 5, 10 - 13; ausführlich zur Verfolgungssituation mit zahlreichen Quellennachweisen vor allem auch ACCORD, a.a.O. Ziff. 1.2 und 1.3., S. 5 - 12; dazu auch CESNUR/ORLIR, a.a.O., S. 24 - 26).

Geschätzt wird die Zahl der Mitglieder der Kirche auf insgesamt ca. 4 Mio. Nach Angaben der Kirche wurden davon mehr als 300.000 zwischen 2011 und 2013 verhaftet. Anlass dafür war unter anderem, dass der Kirche vom chinesischen Staat vorgeworfen worden war, für 2012 den Weltuntergang vorhergesagt und dadurch Unruhe verbreitet zu haben, so wie es zahlreiche andere Bewegungen weltweit auch getan hatten (CESNUR/ORLIR, a.a.O. S. 30). 2014 wurde der Kirche des Allmächtigen Gottes eine Mordtat in einer McDonalds-Filiale angelastet, was zu weiteren Verhaftungswellen führte (CESNUR/ORLIR, a.a.O. S. 29, 30). Zwischen 2014 und 2018 sollen ca. 500.000 Gläubige aus ihren Häusern geflohen und damit mehrere Hunderttausend Familien auseinandergerissen worden sein, 300.000 Gläubige seien ungefähr verhaftet worden, ca. 40.000 seien gefoltert worden (ACCORD, a.a.O., S. 5). [...]