OVG Thüringen

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Zitieren als:
OVG Thüringen, Beschluss vom 03.02.2020 - 3 ZKO 773/19 - asyl.net: M28192
https://www.asyl.net/rsdb/M28192
Leitsatz:

Keine Umdeutung eines ablehnenden Dublin-Bescheids in eine Ablehnung als unzulässig aufgrund eines in einem anderen EU-Mitgliedstaat gewährten Schutzstatus:

"Der Bescheid, mit dem ein Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ("Dublin-Bescheid") als unzulässig abgelehnt wird, kann grundsätzlich nicht in einen ablehnenden Bescheid nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ("Drittstaatenbescheid") umgedeutet werden."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Dublinverfahren, Drittstaatenregelung, Abschiebungsandrohung, Abschiebungsanordnung, Umdeutung, Berufungszulassungsantrag, internationaler Schutz in EU-Staat, Unzulässigkeit,
Normen: AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Bst. 1, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, VwVfG § 47 Abs. 1 S. 1,
Auszüge:

[...]

Zwar führt die Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG wie auch des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zunächst nur zur unmittelbaren Rechtsfolge, dass der gestellte Asylantrag unzulässig ist. Diese verengte Sichtweise verkennt jedoch, worauf das Verwaltungsgericht ersichtlich zutreffend hinweist, die weiteren Rechtsfolgen für den betroffenen Ausländer.

Die Feststellung der Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG führt zwingend nach der gesetzlichen Regelung dazu, dass eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG zu erlassen ist, während im Fall der Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG eine Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG zu folgen hat. Dies sind - so nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. grundlegend auch über den zu Grunde liegenden Fall hinausgehend: BVerwG, Beschluss vom 23.10.2015 - 1 B 41.15 - juris Rdn. 15) - grundsätzlich voneinander zu unterscheidende Rechtsinstitute, die nicht in einem Stufenverhältnis zueinander stehen. Insofern spricht - entgegen der Auffassung der Beklagten - hier nichts gegen die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall.

Dies führt dann in der Konsequenz auch dazu, dass sich der vorläufige Rechtsschutz grundlegend anders gestaltet und sich auf die Rechtsstellung des Klägers auswirkt. [...]

Zutreffend verweist das Verwaltungsgericht auch darauf - insoweit nimmt der Senat hier darauf Bezug -, dass die Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG und § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG inhaltlich nicht derart aufbauen, dass die eine Entscheidung in der anderen Entscheidung aufgeht. Beide Entscheidungen sind vielmehr inhaltlich durch unterschiedliche Prüfungsgegenstände und -maßstäbe geprägt. Im Fall des Dublin-Verfahrens, in dem noch keine Entscheidung im Asylverfahren ergangen ist, ist regelmäßig zu prüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union für die Prüfung des Antrags zuständig ist und bejahendenfalls, ob gegebenenfalls aufgrund Mängel in dortigen Asylverfahren ein Selbsteintrittsrecht begründet ist. Hingegen ist Prüfungsgegenstand in dem anderen Fall, in dem bereits eine Entscheidung eines anderen Mitgliedstaates über die Gewährung eines internationalen Schutzstatus vorliegt, nunmehr noch die Frage von Abschiebungsschutz wegen Mängel im Status anerkannter Schutzberechtigter in dem anderen Mitgliedstaat. Auch wenn diese Prüfungen vor dem Hintergrund des Art. 3 EMRK und Art. 4 EU-GRCharta regelmäßig sich in Teilen entsprechen dürften, sind diese Situationen jedoch jeweils grundlegend zu trennen und können auch zu unterschiedlichen Ergebnissen aufgrund unterschiedlich anzuwendender nationaler oder europarechtlicher Vorschriften führen. [...]