OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 08.01.2020 - 10 LA 3/20 - asyl.net: M28263
https://www.asyl.net/rsdb/M28263
Leitsatz:

Keine Divergenzzulassung bei Divergenz zu auf alten Erkenntnissen beruhenden Urteile:

"Bei Tatsachenfragen kommt eine Divergenzzulassung nicht (mehr) in Betracht, wenn sich seit der angeführten Entscheidung des Divergenzgerichts, die einen bestimmten Tatsachensatz aufgestellt hat, die tatsächlichen Verhältnisse nicht nur unwesentlich verändert haben."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Bulgarien, internationaler Schutz in EU-Staat, Divergenzrüge, Berufungszulassungsantrag, Erkenntnismittel,
Normen: AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 2,
Auszüge:

[...]

3 Bei Tatsachenfragen kommt eine Divergenzzulassung ferner dann nicht (mehr) in Betracht, wenn sich seit der angeführten obergerichtlichen Grundsatzentscheidung, die einen bestimmten Tatsachensatz aufgestellt hat, dessen Verbindlichkeit aber immer unter dem Vorbehalt einer Änderung der Sachlage steht, die tatsächlichen Verhältnisse nicht nur unwesentlich verändert haben (ständige Rechtsprechung des Senats: Senatsbeschlüsse vom 09.02.2018 – 10 LA 70/18 – und vom 13.12.2017 – 10 LA 150/17 –; Bayerischer VGH, Beschluss vom 31.08.2018 – 8 ZB 17.31813 –, juris Rn. 17; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10.07.2018 – 4 LA 41/18 –, juris Rn. 7, 9; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04.04.2017 – 3 L 69/17 –, juris Rn. 8; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 13.01.2009 – 11 LA 471/08 –, juris Leitsatz und Rn. 2; Hessischer VGH, Beschlüsse vom 29.11.1988 – 12 TE 3420/88 –, juris 1. Leitsatz und Rn. 6, vom 15.01.1990 – 12 TE 3516/88 – juris 3. Leitsatz, und vom 19.07.2000 – 5 UZ 2128/96.A –, juris Leitsatz und Rn. 4; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.06.1999 – 14 A 2788/94.A –, juris 1. Leitsatz und Rn. 5 ff.; GK-AsylG, a.a.O., § 78 AsylG Rn. 171; Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 78 Rn. 81; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.03.2009 – 8 B 2.09 –, Rn. 9 zu § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bei einer zwischenzeitlichen Änderung der Rechtslage). Insbesondere im Bereich von Tatsachenfragen ist zu berücksichtigen, dass die Grundsätzlichkeit einer Aussage Geltung nur für die ihr zugrunde gelegte tatsächliche Erkenntnislage beansprucht (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04.04.2017 – 3 L 69/17 –, juris Rn. 8; Hessischer VGH, Beschluss vom 19.07.2000 – 5 UZ 2128/96.A –, juris Rn. 4). Dabei ist nicht entscheidend, ob die wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitraum zwischen der Entscheidung des Divergenzgerichts und der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder erst nach dem Ergehen der erstinstanzlichen Entscheidung eingetreten ist. Denn auch im letzteren Fall ist die Entscheidung, von der das Verwaltungsgericht abgewichen ist, überholt und als nicht mehr relevant anzusehen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.06.1999 – 14 A 2788/94.A –, juris Rn. 7 bis 11). Im Berufungsverfahren wäre die betreffende Tatsachenfrage nämlich einer völlig neuen Betrachtung unter Berücksichtigung der neueren Erkenntnismittel zu unterziehen (vgl. zur Notwendigkeit der Berücksichtigung neuerer Erkenntnismittel auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 21.04.2016 – 2 BvR 273/16 –, juris Rn. 14), ohne dass es auf die mit der Divergenzrüge angeführte unterschiedliche Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse ankäme (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.06.1999 – 14 A 2788/94.A –, juris Rn. 11). In diesen Fällen kommt bei hinreichender Darlegung der betreffenden Grundsatzfrage(n) allein eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG in Betracht (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04.04.2017 – 3 L 69/17 –, juris Rn. 12; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 13.01.2009 – 11 LA 471/08 –, juris Leitsatz und Rn. 4 f.; Hessischer VGH, Beschluss vom 19.07.2000 – 5 UZ 2128/96.A –, juris Leitsatz und Rn. 5; GK-AsylG, a.a.O., § 78 AsylG Rn. 171; vgl. dazu auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 31.08.2018 – 8 ZB 17.31854 –, juris Rn. 28). [...]