VG Trier

Merkliste
Zitieren als:
VG Trier, Urteil vom 09.08.2019 - 9 K 11569/17.TR - asyl.net: M28352
https://www.asyl.net/rsdb/M28352
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung wegen drohender Verfolgung durch Taliban:

Flüchtlingsanerkennung für jungen Mann aus Afghanistan, der zu erst bei einer Telekommunikationsfirma und danach bei der Arbaki-Miliz gearbeitet hat und wegen dieser Tätigkeit bereits einmal von den Taliban entführt und misshandelt wurde. Aufgrund der Vorverfolgung droht dem Betroffenen landesweit Verfolgung durch die Taliban. 

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Afghanistan, Arbaki, Taliban, interner Schutz,
Normen: AsylG § 3
Auszüge:

[...]

Im vorliegenden Einzelfall ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Tätigkeit bei der Arbaki-Miliz in der Provinz Maidan-Wardak sowie aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit bei der Telekommunikationsfirma ... erneut verfolgt werden würde.

Ihm kommt insoweit die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL zugute, da er vorverfolgt ausgereist ist. Nach dem persönlichen Eindruck des Gerichts im Rahmen der mündlichen Verhandlung und insbesondere aufgrund der vorgelegten Videoaufnahmen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger tatsächlich bereits von den Taliban entführt und misshandelt wurde. Die genannten Videoaufnahmen zeigen den Kläger inmitten von traditionell gekleideten Männern mit Kalaschnikows, die ihn zunächst beschimpfen und verhöhnen und dann schlagen und treten, während sie ihm vorwerfen, er habe seine Arbeit nicht niedergelegt. Dies entspricht den Ausführungen des Klägers im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt wie auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Das Gericht ist infolgedessen davon überzeugt, dass die von der Beklagten im Sachvortrag des Klägers gesehenen "logischen Mängel" nunmehr ausgeräumt sind.

Stichhaltige Gründe, die geeignet wären, diese Gefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich. Das Gericht vermag insoweit insbesondere auch keine inländische Fluchtalternative im Sinne des § 3e AsylG zu erkennen. Insoweit kann dahinstehen, ob dem Kläger ein Leben in einem anderen Landesteil zumutbar wäre. Jedenfalls nämlich ist nicht davon auszugehen, dass er dort vor einer Verfolgung hinreichend sicher wäre. Aufgrund der Gemengelage des Einzelfalls, in der die Arbeit des Klägers bei einer Miliz, seine vorherige Tätigkeit bei einem Telekommunikationsunternehmen und sodann der Tod eines Taliban-Kommandanten, für den man dem Kläger die Schuld gab, zusammentreten, geht das Gericht davon aus, dass eine hinreichende Individualisierung und Verdichtung der Verfolgungsgefahr besteht, um auf eine landesweite Verfolgung durch die Taliban schließen zu können. Insoweit geht das erkennende Gericht auch davon aus, dass die Taliban ihre umfangreichen Netzwerke tatsächlich nutzen würden, um den Kläger ausfindig zu machen. [...]