Einbürgerung eines nordkoreanischen Staatsangehörigen auch ohne staatliche Dokumente als Identitätsnachweis:
"1. Sind im einbürgerungsrechtlichen Verfahren Dokumente des Heimatstaates oder verlässliche Auskünfte über amtliche Register nicht zu erlangen, ist im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden, ob die Identität und Staatsangehörigkeit auf der Grundlage der persönlichen Angaben des Betroffenen und gegebenenfalls sonstigen Erkenntnisquellen als geklärt angesehen werden kann.
2. Identitätsbelegende Dokumente oder Registerauszüge sind für Flüchtlinge von der Demokratischen Volksrepublik Korea über die Deutsche Botschaft nicht zu erlangen.
3. Zur Beweiskraft von Nachbeurkundungen nach dem Personenstandsgesetz und zur Bedeutung von gutachterlichen Sprach- und Textanalysen."
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Die Berufung des Klägers ist auch begründet, denn er hat gemäß § 10 Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG - in der für die Prüfung des mit der Verpflichtungsklage verfolgten Einbürgerungsanspruchs maßgeblichen Fassung (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2017 - 1 C 16/16 -, BVerwGE 159, 85 = NVwZ 2017, 1312 = Juris Rn. 9), die diese Vorschrift durch Art. 44 Fachkräfteeinwanderungsgesetz - FkrEinwG - vom 15. August 2019 (BGBl I Seite 1307) gefunden hat, einen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. [...]
Die Klärung der Identität und der Staatsangehörigkeit eines jeden Einbürgerungsbewerbers ist grundsätzlich zwingende Voraussetzung einer jeden Einbürgerung. Denn es besteht ein erhebliches staatliches Interesse daran zu verhindern, dass ein- und dieselbe Person im Rechtsverkehr mit mehreren unterschiedlichen Identitäten und amtlichen Ausweispapieren auftreten kann. Diesen unverzichtbaren Nachweis hat der Einbürgerungsbewerber in der Regel durch Vorlage seines nationalen Reisepasses oder eines anderen Dokuments seines Heimatstaates mit Identifikationsfunktion zu führen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestehen begründete Zweifel an der Identität einer Person, wenn geeignete Dokumente zum Nachweis der Identität fehlen oder wenn gefälschte Urkunden vorgelegt werden (BVerwG, Urteil vom 1. September 2011 - 5 C 27/10 -, BVerwGE 140, 311 = NVwZ 2012, 707 = Juris Rn. 11 f.). Sind solche Dokumente oder verlässliche Auskünfte über amtliche Register nicht zu erlangen, ist im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden, ob die Identität und Staatsbürgerschaft auf der Grundlage der persönlichen Angaben des Betroffenen und gegebenenfalls sonstiger Erkenntnisquellen als geklärt angesehen werden kann (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 4. Dezember 2018 - 5 C 18.2372 -, Juris Rn. 10). [...]
Zwar verfügte der Kläger bei seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nicht über Urkunden der Demokratischen Volksrepublik Korea, mit denen er seine Identität und seine Staatsangehörigkeit hätte belegen können, noch verfügt er heute über derartige Dokumente. Auch dem Senat ist es nicht gelungen, entsprechende Auskünfte aus amtlichen Registern der Demokratischen Volksrepublik Korea zu erlangen. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2019 hat sich der Senat an das Auswärtige Amt mit der Bitte gewandt, mit Hilfe eines Vertrauensanwalts der Botschaft die Richtigkeit der Angaben des Klägers durch Einsichtnahme in amtliche Register zu überprüfen. Das Auswärtige Amt hat dem Senat mit Schreiben vom 24. Oktober 2019 mitgeteilt, dass die deutsche Botschaft in Pjöngjang keinen Vertrauensanwalt in Nordkorea habe und der Botschaft selbst auch keine Einsicht in amtliche Register des Landes gewährt werde.
Auch die vom Standesamt A-Stadt ausgestellte Personenstandsurkunde ist allein nicht geeignet, den vollen Beweis über die Identität und die Staatsangehörigkeit des Klägers zu erbringen. Zwar dienen die Beurkundungen in den Personenstandsregistern und -urkunden dem Zweck, beweiskräftige Unterlagen über den Personenstand bereitzustellen. Dabei weisen die Beweisregeln des § 54 Abs. 1 und 2 Personenstandsgesetz - PStG - anders als die Regelungen der §§ 415, 418 Zivilprozessordnung - ZPO - die Besonderheit auf, dass die Urkunden nicht in jedem Fall auf eigenen Wahrnehmungen der beurkundenden Behörde beruhen müssen. An der Beweiskraft nehmen jedoch nur die Angaben teil, die nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 PStG dem Personenstand zuzurechnen sind; also Name, Datum der Geburt, Eheschließung oder Begründung einer Lebenspartnerschaft und Tod, nicht dagegen die Staatsangehörigkeit einer Person (Gaaz/Bornhofen, Personenstandsgesetz, 4. Aufl. 2018, § 54 Rn. 4, 8 f.). Gemäß § 54 Abs. 3 Satz 1 PStG sind die Beweisregelungen der Abs. 1 und 2 widerlegbare Vermutungen, wobei für die Richtigkeit der Beurkundung derjenige beweispflichtig ist, der die Unrichtigkeit behauptet (Gaaz/Bornhofen, a.a.O., § 54 Rn. 22 mit Hinweis auf OLG Hamm, Beschluss vom 22. Dezember 2015 - I-15 W 137/14 -, StAZ 2016, 275). [...]