VG Cottbus

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Zitieren als:
VG Cottbus, Urteil vom 11.06.2020 - 5 K 164/20.A - asyl.net: M28534
https://www.asyl.net/rsdb/M28534
Leitsatz:

Keine Verlängerung der Klagefrist, wenn das BAMF eine falsche Ausreisefrist gesetzt hat:

"Gegen die Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet verbleibt es auch dann bei einer Klagefrist von einer Woche, wenn die Abschiebungsandrohung eine Ausreisefrist von 30 Tagen ab Unanfechtbarkeit setzt"

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: offensichtlich unbegründet, Ausreisefrist, Klagefrist, Rechtsmittelbelehrung, Irrtum, Zulässigkeit,
Normen: VwGO § 58 Abs. 2, VwGO § 80 Abs. 5, AsylG § 74 Abs. 1, AsylG 3 36 Abs. 3 S. 1, AsylG § 36 Abs. 1, AsylG § 30,
Auszüge:

[...]

14 Es gilt auch nicht die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO. Vielmehr belehrt die dem angefochtenen Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung zutreffend über insbesondere die einzuhaltende Wochenfrist. Die Wochenfrist gilt gemäß § 74 Abs. 1 zweite Alternative AsylG dann, wenn der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO innerhalb einer Woche zu stellen ist. Das ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG insbesondere der Fall, wenn der Asylantrag – wie hier – als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Die Frage, welche Frist dem Betroffenen für eine freiwillige Ausreise gesetzt wurde und ab wann eine Ausreisepflicht vollziehbar ist, ist nach dem Gesetz für das Fristenregime ohne Belang. Das gilt auch für die Frage, ob ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO überhaupt notwendig ist, weil etwa im Einzelfall – wie hier – die Ausreisepflicht noch nicht vollziehbar und damit dem Betroffenen der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet ist (hier weil die Beklagte rechtswidrig die Frist zur freiwilligen Ausreise an den unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens geknüpft hat). Solche einzelfallbezogenen Aspekte ändern nichts an der gesetzlichen Systematik, auf deren abstrakter Natur das Fristenregime allein aufbaut. § 36 AsylG regelt ausweislich seiner amtlichen Überschrift das Verfahren bei offensichtlicher Unbegründetheit. Die Absätze 2 bis 4 bleiben deshalb auch dann maßgeblich, wenn die Ausreisefrist entgegen § 36 Abs. 1 AsylG gesetzt wurde. Anwendungsvoraussetzung für die Verfahrensvorschriften der folgenden Absätze ist nicht die zutreffende Anzahl der Tage für die Ausreisefrist, sondern die Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet (in diesem Sinne auch Funke-Kaiser GK-AsylVfG, November 2014, § 74 Rn. 3). In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass die Qualifizierung des Asylantrages durch das Bundesamt als offensichtlich unbegründet zutrifft (Funke-Kaiser a.a.O.).

15 Ob die Rechtsbehelfsbelehrung, die die Beklagte hinsichtlich gerichtlichen Eilrechtsschutzes erteilt hat, fehlerhaft ist, weil dort zu Unrecht über die Notwendigkeit eines Antrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO belehrt wird, bedarf keiner Entscheidung, weil es hier nicht um die Antrags-, sondern die Klagefrist geht. Insoweit handelt es sich um zwei selbständige Belehrungen (VG Göttingen, Beschluss vom 23. Januar 2017 – 3 B 90.17 – Rn. 6 juris). Im Übrigen wäre ein solcher Hinweis jedenfalls nicht geeignet, den Betroffenen abzuhalten, den Rechtsbehelf - hier die Klage - überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (st. Rspr., vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. März 2016 – BVerwG 3 PKH 5.15 –, juris Rn. 6; Beschluss vom 31. August 2015 – BVerwG 2 B 61.14 –, juris Rn. 8; Beschluss vom 16. November 2012 – BVerwG 1 WB 3.12 –, juris Rn. 14, jeweils m.w.N.). [...]