VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 04.06.2020 - 33 L 182/20 A - asyl.net: M28536
https://www.asyl.net/rsdb/M28536
Leitsatz:

Ablehnung eines Asylantrags als "offensichtlich unbegründet":

1. Ein Asylantrag kann als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt werden, wenn keine eigene Verfolgung geltend gemacht, sondern der eigene Asylantrag ausschließlich mit der drohenden Verfolgung des Ehepartners begründet wird.

2. Ein Antrag auf Familienasyl kann auch dann abgelehnt werden, wenn die Ablehnung des Stammberechtigten nicht bestandskräftig ist. Er kann auch dann als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt werden, wenn der Asylantrag des Stammberechtigten nicht als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Familienasyl, Familienflüchtlingsschutz, Familienschutz, offensichtlich unbegründet,
Normen: AsylG § 26 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 S. 1, AsylG 3 30 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

13 Das Bundesamt hat den Asylantrag auch zu Recht gemäß § 30 Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Danach ist ein Asylantrag offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. Diese Annahme ist gerechtfertigt, wenn sich der Asylantrag bei richtiger Rechtsanwendung als eindeutig aussichtslos darstellt (BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 1984 – BVerfG 2 BvR 1413/83 –, juris Rn. 27). Das Bundesamt ist seiner besonderen Begründungspflicht insoweit hinreichend nachgekommen, als es die Voraussetzungen einer Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach der Vorschrift wiedergegeben und ausgeführt hat, es bestehe für die Antragstellerin offensichtlich keine individuell begründete Furcht vor Verfolgung. Die Ablehnung als offensichtlich unbegründet ist auch in der Sache gerechtfertigt. Das Vorbringen der Antragstellerin erweist sich nämlich als asylrechtlich unerheblich und irrelevant.

14 Soweit in der Literatur vertreten wird, ein Asylantrag dürfe nur dann als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, wenn auch der Tatbestand des § 26 AsylG offensichtlich nicht vorliege, weil ein Asylantrag nur dann eindeutig aussichtslos sei, wenn Familienasyl ebenfalls versagt werden müsse (vgl. Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 12. Auflage 2018, § 30 AsylG Rn. 7), so ist diese Voraussetzung vorliegend erfüllt. Denn der Tatbestand des § 26 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 AsylG verlangt jedenfalls, dass dem Familienangehörigen internationaler Schutz unanfechtbar zuerkannt worden sein muss. Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall. Vielmehr ist der Asylantrag des Ehemannes der Antragstellerin mit Bescheid des Bundesamtes vom 24. Februar 2020 abgelehnt worden. [...]

16 Soweit darüber hinaus vertreten wird, der Asylantrag des Familienangehörigen müsse selbst als offensichtlich unbegründet oder bestandskräftig abgelehnt worden sein (vgl. BeckOK AuslR/Heusch, 21. Ed. 1.2.2019, AsylG § 30 Rn. 11), so handelt es sich dabei um eine unsubstanziierte Rechtsbehauptung ohne überzeugende Begründung, welche das Gericht nicht teilt. Es ist nichts dafür ersichtlich, was es erforderlich erscheinen lässt, dass der Asylantrag einer Referenzperson ebenfalls als offensichtlich unbegründet oder bestandskräftig abgelehnt worden sein müsste. Insbesondere ist eine zukünftige Zuerkennung internationalen Schutzes über die Vorschriften des Familienasyls ohnedem nicht ausgeschlossen, vielmehr könnte die Antragstellerin für den Fall der zukünftigen Zuerkennung internationalen Schutzes gegenüber ihrem Ehemann einen Folgeantrag stellen. Auch bewirkt die sofortige Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung keine unmittelbare Trennung der Familie. Vielmehr wäre eine solche durch die Ausländerbehörde im Rahmen der Vollziehung zu berücksichtigen. Dabei liegt im Übrigen keine andere Sachlage vor, als wenn ein Asylantrag der Antragstellerin einfach unbegründet, aber bestandskräftig abgelehnt worden wäre, während das Asylverfahren des Ehemannes noch läuft. [...]