OVG Sachsen

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Zitieren als:
OVG Sachsen, Beschluss vom 15.05.2020 - 3 B 118/20 - asyl.net: M28548
https://www.asyl.net/rsdb/M28548
Leitsatz:

Visumsaufenthalte können zur Ehebestandszeit für eigenständiges Aufenthaltsrecht zählen:

"Der rechtmäßige Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG setzt nicht voraus, dass der Aufenthalt des Ausländers auf einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug beruhte."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: eheliche Lebensgemeinschaft, Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, eigenständiges Aufenthaltsrecht, eheunabhängiges Aufenthaltsrecht, Visum, Schengen-Visum, Ehebestandszeit,
Normen: AufenthG § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, AufenthG § 31 Abs. 4 Satz 2,
Auszüge:

[...]

7 Die in § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG angesprochene Aufenthaltserlaubnis muss nach den Regelungen des 6. Abschnitts des Kapitels 2, also nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 30 Abs. 1 AufenthG erteilt worden sein. Dass dies hier der Fall ist, ist unstrittig, da der Antragsteller bei Verlängerungsantragstellung über eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG verfügte.

8 Darüber hinaus muss der Tatbestand der dreijährigen rechtmäßigen Ehebestandszeit erfüllt sein. Insoweit reicht aus, dass der Antragsteller die Lebensgemeinschaft aufgrund eines rechtmäßigen Aufenthalts führte. Nicht erforderlich ist nach der Rechtsprechung und - soweit dort angesprochen - der Kommentarliteratur, dass der rechtmäßige Aufenthalt des die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis begehrenden Ausländers auch auf einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug beruhte. Daher genügen auch Zeiten, in denen der Ausländer über einen sonstigen Aufenthaltstitel oder bei späterer Titelerteilung zunächst über eine fiktive Aufenthaltserlaubnis nach § 81 Abs. 3 oder Abs. 4 AufenthG verfügte (Dienelt, in: Bergmann/ders., Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 31 Rn. 19 m. w. N.; OVG NRW, Beschl. v. 6. Februar 2013 - 18 B 1174/12 -, juris Rn. 13 ff. m. w. N.). Insbesondere ist nicht erforderlich, dass der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts begründende Titel von vornherein auch auf einen dauerhaften Aufenthalt, wie das Verwaltungsgericht meint, angelegt war. Hierfür enthält die gesetzliche Regelung keine Anhaltspunkte; entsprechende Rechtsprechung ist nicht ersichtlich. Bei den Schengen-Visa, mit denen sich der Antragsteller im Bundesgebiet aufhielt, handelte es sich um einen Aufenthaltstitel i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG, der einen rechtmäßigen Aufenthalt für die Gültigkeitsdauer des Visums vermittelte.

9 Für diese Sichtweise spricht auch die Formulierung in Nr. 31.1.2 Satz 6 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 31 AufenthG. Hiernach ist "nicht erforderlich (…), dass während des gesamten Zeitraums der rechtmäßige Aufenthalt des Ehegatten auf einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 beruhte." Hieraus kann ohne weiteres abgeleitet werden, dass nur die zu verlängernde Aufenthaltserlaubnis eine solche zum Ehegattennachzug sein muss, nicht aber der Titel, der den bisherigen rechtmäßigen Aufenthalt des Ausländers vermittelte.

10 Unter Zugrundelegung der von der Antragsgegnerin nicht in Frage gestellten Verweilzeiten hat der Antragsteller die maßgebliche Zeit von drei Jahren bis zur Trennung von seiner Ehefrau erfüllt. Dass er sich nicht ununterbrochen auf der Grundlage der ihm erteilten Schengen-Visa bei ihr befand, ist dabei unschädlich. Kurzzeitige Unterbrechungen, die nicht gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 7 AufenthG zu einem Erlöschen des Aufenthaltstitels führen, sind nämlich unschädlich (Dienelt a.a.O.). [...]