OVG Sachsen

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Zitieren als:
OVG Sachsen, Beschluss vom 05.02.2020 - 3 B 335/19 - asyl.net: M28551
https://www.asyl.net/rsdb/M28551
Leitsatz:

Kein Absehen von der Nachholung des Visumsverfahrens bei Eheschließung im Ausland:

Anders als bei einer Ehe, die vor einem deutschen Standesamt geschlossen wurde, kommt ein Absehen von der Nachholung des Visumsverfahrens oder eine Rückholung nach der Abschiebung nicht in Betracht, wenn die Ehe in der Auslandsvertretung des Heimatstaates der Ehepartner geschlossen wurde.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Eheschließung, Eheschließung im Ausland, Eheschließung in der Auslandsvertretung, Botschaft, Auslandsvertretung, Konsulat, Visumsverfahren,
Normen: AufenthV § 39 S. 1 Nr. 5,
Auszüge:

[...]

12 2.1 Auf § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV kann sich der Antragsteller nicht berufen.

13 Hiernach kann ein Ausländer als Ausnahme von dem Visumserfordernis des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, der dann verdrängt wird (BayVGH, Beschl. v. 18.Mai 2009 - 09. 10 CS -, juris Rn. 18 m. w. N.), einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn seine Abschiebung nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und er aufgrund einer Eheschließung im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. [...]

16 Auch hat das Verwaltungsgericht hier im Ergebnis zu Recht verneint, dass die Ehe in der Bundesrepublik geschlossen worden ist. Zwar dürfte es sich rein örtlich um eine im Bundesgebiet geschlossene Ehe handeln, weil das Gebiet des vietnamesischen Generalkonsulats nicht exterritorial ist; hierauf hat der Antragsteller in seiner Antragsbegründung zutreffend hingewiesen (s. auch näher Maunz/Dürig, Grundgesetz, Loseblatt-Sammlung Stand: August 2019, Art. 16a Rn. 312 m. w. N. zur Exterritorialität von Botschaftsgebäuden).

17 Um einen Eheschluss i. S. v. § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV hätte es sich aber nur dann gehandelt, wenn die Ehe vor einem (deutschen) Standesamt geschlossen oder aber bei begründeten Zweifeln über ihre Gültigkeit - etwa im Wege der Amtshilfe gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde - von diesem anerkannt worden wäre. Die Erleichterung, dass bei einer Eheschließung im Inland von dem Visumserfordernis abzusehen ist, soll dem Umstand Rechnung tragen, dass dann, wenn eine der maßgeblichen Voraussetzungen für den Ehegattennachzug (hier die Ehe) im Bundesgebiet geschlossen wurde, es in der Regel ein bloßer Formalismus wäre, den aufenthaltsbegehrenden Ausländer auf die Einholung eines Visums von seinem Heimatland aus zu verweisen und ihn unnötigen und kostenträchtigen Belastungen auszusetzen (vgl. Begründung zu § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV: BR-Drs. 731/04 S. 183). Dies setzt aber voraus, dass die Anerkennung des Eheschlusses durch die Ausländerbehörde wegen der notwendigen Prüfung durch das Standesamt nicht problematisch ist. Dies kann bei Eheschließungen, die nicht vor dem Standesamt vorgenommen worden sind, allerdings anders sein. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Hinblick auf das Erfordernis einer inländischen Eheschließung auf Folgendes hingewiesen (Urt. v. 11. Januar 2011 - 1 C 23.09 -, juris Rn. 28 m. w. N.):

"(…) bei einer Eheschließung in Deutschland sieht das nationale Familienrecht spezielle Kontrollmechanismen zur Sicherung der Eheschließungsvoraussetzungen und Verhütung von Schein- oder Mehrehen vor: So hat der Verlobte, der gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB hinsichtlich der Voraussetzungen der Eheschließung ausländischem Recht unterliegt, grundsätzlich ein Ehefähigkeitszeugnis seines Heimatstaates beizubringen, dass nach dessen Recht kein Ehehindernis vorliegt (§ 1309 Abs. 1 BGB). Zudem hat der Standesbeamte  Anhaltspunkten für eine Scheinehe nachzugehen, denn er muss seine Mitwirkung u.a. dann verweigern, wenn offenkundig ist, dass beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig sind, keine eheliche Lebensgemeinschaft begründen zu wollen (§ 1310 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB). Diese Prüfungs- und Ermittlungspflicht des Standesbeamten wird verfahrensrechtlich durch die Befugnisse zu gemeinsamer und getrennter Befragung der Verlobten, der Anordnung zur Beibringung von Nachweisen sowie einer eidesstattlichen Versicherung in § 13 Abs. 1 und 2 PStG näher ausgestaltet. Folglich wird die gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG auch aufenthaltsrechtliche bedeutsame Absicht der Verlobten, eine eheliche Lebensgemeinschaft herstellen zu wollen, bei einer Eheschließung im Inland schon vom Standesbeamten geprüft und entsprechenden Verdachtsmomenten nachgegangen. Das erleichtert der Ausländerbehörde die spätere Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Dieser zusätzliche Kontrollmechanismus fehlt typischerweise bei einer im Ausland eingegangenen Ehe."

18 Diese Rechtsgedanken sind auch auf eine Heirat übertragbar, die zwar auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht aber vor einer deutschen Stelle geschlossen worden ist. Denn es ist nicht auszuschließen, dass die Ausländerbehörde zu bisweilen zeitraubenden und langdauernden Vorprüfungen veranlasst wird. Der sich möglicherweise anschließende auch gerichtliche Streit, ob es sich um eine gültige Ehe handelt oder nicht, soll aber nicht vom Ausländer vom Inland aus betrieben werden können. Insoweit würde der Anwendungsbereich des § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV über seinen Regelungszweck hinaus ausgedehnt werden. In diesem Fall ist es dem Ausländer zumutbar, das Anerkennungsverfahren vom Ausland aus zu betreiben. [...]