OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.11.2002 - 17 B 993/02 - asyl.net: M2857
https://www.asyl.net/rsdb/M2857
Leitsatz:

Hungertod bei Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo nicht ausgeschlossen.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Demokratische Republik Kongo, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Versorgungslage, Existenzminimum, Soziale Bindungen, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt
Normen: AuslG § 53 Abs. 6 S. 1; VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
Auszüge:

 

Die aufschiebende Wirkung der Klage 8 K 2632/01 VG Gelsenkirchen gegen die Abschiebungsandrohung in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 20. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Arnsberg vom 11. Mai 2001 wird angeordnet.

Nach gegenwärtiger Erkenntnislage ist nicht auszuschließen, dass für den Antragsteller in der Demokratischen Republik Kongo eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben in Form des Verhungerns und damit ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG besteht. Dieses ließe die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nicht unberührt, wenn es "zwingenden" Charakter hätte.

Bis zur Klärung dieser Frage besteht kein überwiegendes öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung.

Die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Erkenntnisse sind nicht geeignet, die Gefahr einer nahrungsmäßigen Unterversorgung des Antragstellers bis hin zum Hungertod mit einer dem Gewicht der in Rede stehenden Rechtsgüter Rechnung tragenden hinreichenden Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Das Verwaltungsgericht stützt sich maßgeblich auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 23. November 2001, demzufolge für die Bevölkerung in der Hauptstadt Kinshasa trotz schwieriger Versorgungslage "dank verschiedener Überlebensstrategien" keine akute Unterversorgung wie insbesondere in den Ostprovinzen des Landes besteht. Eine entsprechende Feststellung findet sich in dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2. August 2002. Beide Berichte lassen offen, welchen Inhalt die erwähnten "Überlebensstrategien" haben.

Ungeklärt ist darüber hinaus, ob der Antragsteller eine realistische Chance hat, derartige "Überlebensstrategien" zu entfalten. In diesem Zusammenhang wird zu berücksichtigen sein, dass er sich seit 15 Jahren - mit einer Ausnahme von 5 Monaten - außerhalb des Kongos aufhält und nach eigenen Angaben keinen familiären oder sonstigen persönlichen Bezug zu Kinshasa hat.

Ob und ggf. in welcher Weise er unter diesen Umständen für sich eine hinreichende Ernährungsgrundlage sicherstellen kann, bedarf weiterer Prüfung im Verfahren zur Hauptsache.