OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 01.07.2020 - 13 LA 55/20 - asyl.net: M28623
https://www.asyl.net/rsdb/M28623
Leitsatz:

Keine Einbürgerung bei verbleibenden Zweifeln an der Identität:

Ein polizeilicher Urkundenprüfbericht (hier der Geburtsurkunde), wonach Ausweispapiere des Herkunftsstaates keine Fälschungsmerkmale aufweisen, reicht nicht aus, um Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit zu beseitigen, wenn nicht auch die berechtigte Ausstellung bestätigt wird.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Einbürgerung, Identitätsfeststellung, Ausweisdokument, Tazkira, Afghanistan, Urkundenüberprüfung, inhaltliche Echtheit einer Urkunde,
Normen: StAG § 10
Auszüge:

[...]

7 Zwingende Voraussetzung einer Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG ist, dass die Identität des Einbürgerungsbewerbers geklärt ist und feststeht. Zwar hat dieses Erfordernis im Wortlaut des § 10 Abs. 1 StAG keine ausdrückliche Erwähnung gefunden. Die Klärung offener Identitätsfragen ist jedoch notwendige Voraussetzung und unverzichtbarer Bestandteil der Prüfung der in §§ 10 und 11 StAG genannten Einbürgerungsvoraussetzungen und Ausschlussgründe. Die Angaben zur Person bilden gleichsam die Basis für alle weiteren Ermittlungen. Auf der Grundlage der angegebenen Personalien (wie Titel, Vorname, Nachname, Geburtsname, Geburtsdatum, Geburtsort, Personen- und Familienstand) werden alle weiteren Anfragen bei in- und ausländischen Behörden durchgeführt. Nur wenn Gewissheit besteht, dass ein Einbürgerungsbewerber die Person ist, für die er sich ausgibt, kann nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden, ob und welche ausländische Staatsangehörigkeit der Einbürgerungsbewerber besitzt, ob er im In- oder Ausland wegen einer Straftat verurteilt worden ist, ob tatsächliche Anhaltspunkte für eine Verfolgung oder Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen bestehen oder ob ein Ausweisungsgrund vorliegt. Die Identitätsprüfung stellt daher nicht nur einen unverzichtbaren Teil der in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG vorgesehenen Statusprüfung dar. Sie bildet auch eine notwendige Voraussetzung der in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und § 11 StAG vorgesehenen Sicherheitsüberprüfung. In diesem Sinne wird die Identitätsprüfung im Gesetz unausgesprochen vorausgesetzt (vgl. BVerwG, BVerwG, Urt. v. 9.9.2014 - BVerwG 1 C 10.14  - , juris Rn. 14; Urt. v. 1.9.2011 - BVerwG 5 C 27.10 -, BVerwGE 140, 311, 313 - juris Rn. 12; Senatsurt. v. 3.5.2018 - 13 LB 107/16 -, juris Rn. 36f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 15.9.2016 - 19 A 286/13 -, juris Rn. 30). [...]

10 Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn die Identität im Zeitpunkt der Einbürgerung hinreichend geklärt ist. Identitätstäuschungen in der Vergangenheit stehen für sich genommen der Einbürgerung nicht entgegen, soweit sie nicht im Rahmen der Prüfung des Bestehens eines Aufenthaltstitels und der Unbescholtenheit (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 StAG) beachtlich werden; Identitätstäuschungen können aber eine intensivere Prüfung der sodann im Einbürgerungsverfahren bekanntgegebenen Personendaten veranlassen (vgl. GK-StAR, StAG, § 10 Rn. 56.6 (Stand: November 2015)). [...]

14 Die Klägerin meint, aus dem Urkundenprüfbericht der Polizeiinspektion Garbsen ((Zwischen-) Urkundenprüfbericht vom 4. Juni 2019, Bl. 159 GA) würde die inhaltliche Richtigkeit der Tazkira hervorgehen. Dies ist aber nicht der Fall. Im Zwischenbericht wird nur festgestellt, dass bei dem Dokument nach derzeitigem Kenntnis- und Sachstand keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Total- oder Verfälschung bzw. Lichtbildauswechslung vorlägen. Eine urkundentechnische Prüfung könne nicht die Frage klären, ob das Dokument amtlich berechtigt ausgegeben worden sei. Das Dokument sei nicht abschließend bewertet worden. Der Prüfbericht selbst gibt an, das Dokument sei (nur) mutmaßlich auf die Klägerin, geboren 1959, ausgestellt. [...]