VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 27.03.2020 - 3 K 1373/18.A - asyl.net: M28655
https://www.asyl.net/rsdb/M28655
Leitsatz:

Internationaler Schutz für Familienangehörige auch bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit:

Der Anspruch auf Familienasyl oder internationalen Schutz für Familienangehörige nach § 26 AsylG besteht auch dann, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner eine andere Staatsangehörigkeit besitzt als die stammberechtigte Person.

(Leitsätze der Redaktion; siehe zu Familienasyl bei unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten auch die Vorlage des Bundesverwaltungsgericht an den EuGH, Beschluss vom 18.12.2019 - 1 C 2.19 - asyl.net)

Schlagwörter: subsidiärer Schutz, Familienschutz, Staatsangehörigkeit, Schutz von Ehe und Familie, Familieneinheit, Familienangehörige,
Normen: AsylG § 26 Abs. 5 Satz 1, AsylG § 26 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Die Kläger sind syrischer und libanesischer Staats-, arabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Die Kläger zu 1. und 2. wurden in Beirut, Libanon, geboren: Die Klägerin zu 1. am ... 1986, der Kläger zu 2. am ... 2008. Der Kläger zu 3. wurde am ... 2013 in Horns, Syrien, geboren. Die Klägerin zu 1. heiratete am ... 2007 den syrischen Staatsangehörigen ... Die Ehe wurde am ... 2007 in Syrien registriert. Die Kläger zu 2. und 3. sind die gemeinsamen Kinder der Klägerin zu 1. und des Herrn [...]

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 16. März 2018, zugestellt am 21. März 2018, lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Anerkennung als Asylberechtigte (Ziffer 2.) und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes ab (Ziffer 3.) ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 4.), forderte sie unter Androhung der Abschiebung in den Libanon auf, die BRD zu verlassen (Ziffer 5.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6.).

Der Ehemann der Klägerin zu 1., Herr ... reiste am 13. Oktober 2018 in die Bundesrepublik ein. Mit Bescheid vom 17. September 2019 wurde ihm subsidiärer Schutz zuerkannt (Az.: ...-475).

Die Kläger haben am 28. März 2018 Klage erhoben. Sie machen geltend, dass ihnen nach Zuerkennung des subsidiären Schutzes für Herrn ... als Mitgliedern der Kernfamilie ebenfalls ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes zustehe. [...]

Nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich ist, dass beide Ehegatten oder Lebenspartner dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen. Dies wird deutlich durch die Regelung in § 26 Abs. 2 AsylG, wonach minderjährigen Kindern des Stammberechtigten selbst dann Schutz gewährt wird, wenn sie mit diesem im Herkunftsstaat niemals zusammengelebt haben und daher dort weder einer eigenen noch einer potentiellen Verfolgung wegen der Verwandtschaft zum Stammberechtigten ausgesetzt waren. Diesem Zweck der Ermöglichung eines Zusammenlebens wird man nur dann gerecht, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des in Deutschland bereits anerkannten Stammberechtigten unabhängig von der möglichen Schutzgewährung durch seinen eigenen Herkunftsstaat in Deutschland Schutz findet. Denn der tatsächlich verfolgte und anerkannte Stammberechtigte selbst kann zum Zwecke der Wiederherstellung bzw. Aufrechterhaltung der Lebensgemeinschaft, außerhalb der Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (sog. Dublin III-VO), nicht auf die Möglichkeit des Nachsuchens um Schutz in einem anderen Staat, etwa dem Heimatstaat seines Ehegatten oder Lebenspartners, verwiesen werden. [...]