LG Paderborn

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Zitieren als:
LG Paderborn, Beschluss vom 08.11.2019 - 5 T 263/19 - asyl.net: M28694
https://www.asyl.net/rsdb/M28694
Leitsatz:

Neue Anhörung bei Ergänzung des Haftantrags um staatsanwaltliches Einvernehmen:

1. Mit dem Haftantrag müssen Betroffenen auch die Anlagen oder weitere Unterlagen überreicht und übersetzt werden (hier: Unterlagen zum Einvernehmen der Staatsanwaltschaft).

2. Bei Ergänzung des Haftantrags (hier: Einvernehmen der Staatsanwaltschaft) ergänzt, muss eine erneute persönliche Anhörung stattfinden. 

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Haftantrag, Ergänzung, Einvernehmen der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung, Übersetzung, Anhörung, Heilung,
Normen: FamFG § 34,
Auszüge:

[...]

Dies kann aber dahinstehen, da die Anordnung in jedem Fall aufgrund der nicht erfolgten Anhörung zum erteilten Einvernehmen der Staatsanwaltschaft rechtswidrig ist.

Trotz der Ausführungen im Haftantrag, dass das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nicht erforderlich sei, hat die Behörde noch am Tag der Antragstellung das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft bezüglich dieser Straftaten eingeholt (Aktenvermerk Bl. 525 der Ausländerakte). Mit Schreiben vom 27.06.2019 hat die Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises den am gleichen Tag gestellten Antrag gegenüber dem zuständigen Richter noch um dieses Einvernehmen ergänzt (Bl. 526 der Ausländerakte). Diese Ergänzung befindet sich jedoch nur in der Ausländerakte und nicht in der Gerichtsakte. Solch ein erteiltes Einverständnis kann in jedem Stadium des Verfahrens noch eingeführt werden. Allerdings handelt es sich dann um einen neue Tatsache, die eine neue Anhörung des Gerichts, die auch durch das Beschwerdegericht grundsätzlich möglich wäre, nach sich zieht.

Da das Amtsgericht Flensburg im Beschluss vom 27.06.2019 vom Vorliegen des Einverständnisses ausgeht (Bl. 101 d.A.), ist zwar anzunehmen, dass diese Ergänzung des Antrags den zuständigen Richter erreicht hat, sie war aber nicht Gegenstand der Anhörung vom gleichen Tag (s. Protokoll B. 95 - 97 d.A.). In dieser wurde nur der ursprünglichen Antrag überreicht, übersetzt und zum Gegenstand der Anhörung gemacht (s.o.).

Im vorliegenden Fall ist es auch nicht möglich zu überlegen, ob es sich gemäß § 72 Abs. 4 AufenthG bei den im Antrag aufgeführten Delikten nach § 242 und 267 StGB um Straftaten von geringem Unrechtsgehalt gehandelt hat, die keine Zustimmung erfordert hätten. Zum einen hat die Behörde selbst letztlich das Vorliegen eines Einvernehmens für erforderlich gehalten, sonst hätte sie es nicht eingeholt. Zum anderen enthält die Akte den Hinweis, dass es unter dem Alias ein Verfahren wegen räuberischen Diebstahls am ... 2019 geben muss, dass zustimmungspflichtig gewesen wäre (s. Vermerk der Kriminalpolizeidienststelle Sylt vom 27.06.2019, B. 64 d.A.). Der Akte ist nicht zu entnehmen, ob es sich dabei um eine weiteres Verfahren oder eines der beiden o.g. Aktenzeichen handelt.

Die erforderliche persönliche Anhörung zu dem erteilten Einvernehmen der Staatsanwaltschaft wurde im weiteren Verfahren nicht nachgeholt. Lediglich zur Frage der Abgabe an das zwischenzeitlich zuständige Amtsgericht Paderborn wurde der Betroffene und seine Vertrauensperson schriftlich angehört (s. Bl. 140 d.A.). Auch wenn hierbei eine Abschrift der Stellungnahme der Behörde vom 22.07.2019, in der auch auf das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft hingewiesen wurde, mitgeschickt wurde, ersetzt dies die erforderliche persönliche Anhörung nicht. Anhaltspunkte dafür, dass ausnahmsweise eine persönliche Anhörung des Betroffenen gemäß § 34 FamFG entbehrlich gewesen wäre, sind nicht ersichtlich. Selbst nach dem Hinweis der Behörde vom 22.07.2019 sah das übernehmende Amtsgericht Paderborn noch weiteren Klärungsbedarf und forderte mit Schreiben vom 31.07.2019 erneut eine Darlegung der Behörde zum Einverständnis der Staatsanwaltschaft an. Wenn aber bereits dem Gericht die Vorgänge nicht eindeutig genug sind, ist eine erneute Anhörung des Betroffenen erst recht erforderlich.

Eine Heilung des Mangels, dass das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nicht im ursprünglichen Antrag enthalten und nicht Gegenstand der Anhörung war, trat auch im weiteren Verfahren nicht ein. Da der Betroffene zwischenzeitlich abgeschoben wurde, ist eine Heilung in Form einer Anhörung auch im Beschwerdeverfahren nicht mehr möglich. [...]