VG München

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Zitieren als:
VG München, Urteil vom 14.12.2018 - M 23 K 17.31713 - asyl.net: M28707
https://www.asyl.net/rsdb/M28707
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für politisch aktiven Belutschen aus Pakistan:

Personen, die öffentlichkeitswirksam für die Freiheit Belutschistans und die Ziele des Baloch National Movement eintreten, ist die Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen, weil sie gezielten Bedrohungen durch den pakistanischen Staat ausgesetzt sind (hier: öffentliche Berichterstattung über Angriffe des pakistanischen Militärs auf die Bevölkerung Belutschistans). Auch Entführungen und Todesfälle stehen mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit staatlichen Sicherheitskräften, zumindest aber hat der Staat kein Interesse an der Aufklärung dieser Fälle. Die Verfolgung droht landesweit.

(Leitsätze der Redaktion; ähnlich auch VG Berlin, Urteil vom 12.03.2019 - 6 K 606.16 A - asyl.net: M28683, VG Trier, Urteil vom 05.11.2018 - 10 K 9081/17.TR - asyl.net: M28746)

Schlagwörter: Pakistan, politische Verfolgung, Belutschen, Baloch National Movement, BNM, Flüchtlingsanerkennung,
Normen: AsylG § 3
Auszüge:

[...]

Aus dem als Erkenntnismittel in das Verfahren einbezogenen Urteil des schweizerischen Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 4. Mai 2017 – E 4569/2013 – S. 6 ff.) ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass Personen, die öffentlichkeitswirksam für die Freiheit Baluchistans und die Ziele der BNM eintreten, gezielten Bedrohungen durch staatliche Behörden ausgesetzt sind. Auch wird von einem Verschwindenlassen zahlreicher Balutschen berichtet. Zwar sei die Täterschaft hierfür nicht abschließend geklärt. Indes bestünden hinreichende Hinweise auf eine Beteiligung staatlicher Sicherheitskräfte. Der klägerische Vortrag stimmt mit den im Urteil des schweizerischen Bundesverwaltungsgericht zitierten Berichten überein. Auch haben die pakistanischen Behörden kein ernsthaftes Interesse daran, die Entführungen und Todesfälle in Belutschistan aufzuklären. Auf die Ausführungen und Erkenntnisse im vorgenannten Urteil wird Bezug genommen. Diese macht sich das Gericht zu Eigen.

Der Kläger hat nach Überzeugung des Gerichts seine politische Überzeugung durch seine öffentliche Berichterstattung über die Angriffe des pakistanischen Militärs bzw. den pakistanischen Geheimdienst auf die Bevölkerung Belutschistans derart intensiv ausgeübt, dass an ihm ein landesweites Verfolgungsinteresse durch staatliche Behörden besteht. Es ist auch zu erwarten, dass der Kläger seine Tätigkeit in Pakistan für die BNM im Falle einer Rückkehr fortsetzen wird. Denn angesichts seiner auch in Deutschland ausgeübten Tätigkeit für die BNM ist das Gericht auch davon überzeugt, dass das Bekennen seiner politischen Überzeugung in der Öffentlichkeit für den Kläger ein identitätsbestimmender Teil seines politischen Verständnisses ist. So hat er nachvollziehbar seine Erwägungen für den Beitritt zur BNM in der mündlichen Verhandlung dargelegt und seine Überzeugungen anhand seiner Tätigkeiten in Pakistan und Deutschland nachvollziehbar verdeutlicht. Aus seinen Ausführungen lässt sich erkennen, dass der Einsatz für seine politische Meinung hinsichtlich der Freiheit Belutschistans in der Vergangenheit und auch zukünftig zu seiner Identität gehört und für ihn unverzichtbar ist. Darum ist der Kläger angesichts der vorliegenden Erkenntnismittel besonderen Verfolgungsgefahren ausgesetzt. Auf einen Schutz durch den Staat oder sonstige Organisationen i.S.d § § 3d AsylG kann der Kläger angesichts der Erkenntnislage nicht vertrauen. [...]