VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 27.07.2020 - 33 L 290/20 A - asyl.net: M28765
https://www.asyl.net/rsdb/M28765
Leitsatz:

Einstweiliger Rechtsschutz in Dublin-Verfahren, weil Durchführbarkeit der Überstellung zweifelhaft ist:

"Wenn nach zwischenzeitlicher pandemiebedingter Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung in Dublin-Verfahren das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge jetzt keine Vollziehungsaussetzung mehr erklärt, bedarf es der substantiierten Darlegung, dass Überstellungen derzeit oder auf absehbare Zeit tatsächlich durchgeführt werden können."

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Corona-Virus, Dublinverfahren, Aussetzung der Vollziehung, Überstellungsfrist, Polen, tatsächliche Unmöglichkeit,
Normen: AsylG § 34a Abs. 1 S. 1, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, VO 604/2013
Auszüge:

[...]

3 Nach derzeitigem Sach- und Kenntnisstand ist für das Gericht nicht feststellbar, dass diese Voraussetzungen hier vorliegen. Es bestehen vielmehr begründete Zweifel daran, dass eine Abschiebung der Antragstellerin nach Polen tatsächlich durchgeführt werden kann. Denn die Antragsgegnerin hatte bislang aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie die Vollziehung von Abschiebungsanordnungen in Dublin- Verfahren gemäß § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO ausgesetzt. [...]

4 Danach fehlt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt an hinreichenden Tatsachen für die Annahme, dass – wie es § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG voraussetzt – feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Antragsgegnerin hat sich hierzu nicht verhalten. Sie hat auf die gerichtliche Anfrage vom 8. Juli 2020, ob derzeit oder in absehbarer Zeit Abschiebungen nach Polen tatsächlich durchgeführt werden, nicht reagiert. Demgegenüber ist gerichtsbekanntermaßen in anderen Verfahren eine Vollzugsaussetzung erklärt worden (vgl. Beschluss vom 13. Juli 2020 – VG 23 L 249/20 A –). Mangels weiterer Erkenntnisse über den Stand der Gespräche mit den Nachbarstaaten oder gar einer europaweit einheitlichen Lösung bedürfte es aber einer substantiierten Darlegung seitens der Antragsgegnerin, dass Abschiebungen nach Polen tatsächlich durchgeführt werden. Da dies bislang nicht erfolgt ist, bestehen im vorliegenden Verfahren ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung zum Zeitpunkt ihres Erlasses und zum gegenwärtigen Zeitpunkt. [...]