VG Dresden

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Zitieren als:
VG Dresden, Urteil vom 26.02.2019 - 13 K 1402/18.A - asyl.net: M28816
https://www.asyl.net/rsdb/M28816
Leitsatz:

Behandelbarkeit einer HIV Erkrankung in Vietnam:

Kein Abschiebungsverbot wegen einer Erkrankung an Hepatitis B, HIV und Diabetes Typ 2, da diese in Vietnam behandelbar und die Behandlung "wenn auch unter erschwerten Bedingungen" zugänglich ist.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Vietnam, HIV/AIDS, Diabetes mellitus, Hepatitis B, Abschiebungsverbot, medizinische Versorgung, krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

So hat die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Hanoi in ihrer im vorliegenden Verfahren eingeholten Auskunft vom 18.7.2018 ausgeführt, dass jeder HIV-Infizierte Zugang zu den ausreichend zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten habe. Die Kosten übernehme die Krankenversicherung; soweit kein entsprechender Schutz bestehe, würden die Beiträge zur Krankenversicherung auf Antrag von der zuständigen Verwaltungsbehörde übernommen. In Ergänzung hierzu führt das Auswärtige Amt in seinem aktuellen Lagebericht vom 14.12.2018 (Stand: Oktober 2018) aus:

"Eine Krankenversicherung zur medizinischen Behandlung der breiten Bevölkerung ist im Aufbau begriffen. Die Krankenversicherung wurde Anfang 2015 zu einer allgemeinen Pflichtversicherung mit reduzierten Beiträgen für Familien und Bedürftige ausgebaut; aktuell sind nach Angaben des Arbeits- und Sozialministeriums 82 % der Bevölkerung versichert. Arbeitnehmer müssen 1,5 % ihres Gehalts abführen, der Arbeitgeber zahlt einen Betrag in Höhe von 3 % des Gehalts ein. 2002 richtete die Regierung einen Gesundheitsfonds für arme und benachteiligte Bevölkerungsgruppen ein. Über Health Insurance Cards oder die direkte Vergütung von Leistungen soll eine medizinische Grundversorgung gewährleistet werden. Für bedürftige ältere Menschen sowie für Kriegsversehrte besteht zudem die Möglichkeit, bei den Örtlichen Volkskomitees einen Antrag auf eine Bescheinigung zu stellen, die zu einer günstigen, ggfs. auch kostenlosen Krankenbehandlung berechtigt.

Generell ist in Vietnam eine Basisbehandlung bei den meisten Krankheiten möglich. Bereits etwas kompliziertere Behandlungen sind jedoch nur in Hanoi, Ho-Chi-Minh-Stadt sowie eventuell noch in einigen anderen großen Städten durchführbar, wobei die besseren Kliniken dort häufig überlastet sind. Das Ausbildungsniveau in medizinischen Berufen kann als solide bezeichnet werden, jedoch ist die Ausstattung in Arztpraxen und Krankenhäusern oft defizitär bzw. das Personal vermag sie nicht zu bedienen.

Korruption ist auch im Gesundheitswesen ein Alltagsproblem. Das Ob und Wie der Behandlung hängt von der Höhe der "Bezahlung" ab. Viele in staatlichen Krankenhäusern tätige Ärzte arbeiten mittlerweile nach Feierabend auf "eigene Rechnung".

Die gängigen Medikamente sind erhältlich. Allerdings kann es zu qualitativen oder zeitlichen Engpässen kommen. Produktfälschungen kommen auch hier vor. Über private Spezialkliniken lassen sich zu entsprechenden Preisen Medikamente fast jeglicher Art innerhalb kurzer Zeit importieren.

Die psychiatrischen Einrichtungen sind auf einem relativ hohen Niveau, stehen jedoch nur in den Großstädten zur Verfügung. Krankenhäuser und Privatkliniken, in denen lebensnotwendige Behandlungen durchgeführt werden können, existieren in den Großstädten und Provinzhauptstädten. In Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt sowie anderen größeren Städten werden in der letzten Zeit verstärkt auch halbstaatliche medizinische Dienstleistungen angeboten. Gebäude und Personal stammen z.B. von der Armee, Ärzte arbeiten aber kostendeckend auf private Rechnung. Die Untersuchungskosten in diesen Zentren sind relativ günstig (unter 10 USD je nach Art der Untersuchung). Die Ausstattung mit medizinischem Gerät ist angemessen (z. B. Ultraschall-, Röntgengerät etc.). Eine weitere Art von privaten Gesundheitsinstitutionen in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt sind die sog. "Family-Doctor-Services". Diese operieren in Teilbereichen auf Mitgliederbasis und bieten medizinische Versorgung zu relativ hohen Preisen an. Eine westlichen Standards entsprechende medizinische Versorgung (stationär und ambulant) ist im "Französischen Krankenhaus" in Hanoi und in den "SOS-Kliniken" in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt verfügbar. Insgesamt gibt es in Vietnam nach offiziellen Angaben 1.062 öffentliche und 80 private Krankenhäuser.

Personen mit HIV/AIDS werden aufgrund kultureller Faktoren, Vorurteilen, etc. oft Opfer von Diskriminierungen. Die offizielle Zahl der registrierten an HIV-Infizierten/AIDS- Erkrankten lag im Juni 2015 bei ca. 250.000, mit einer Dunkelziffer (bis insgesamt ca. 290.000) ist zu rechnen. Die Infizierungsrate lag im selben Erhebungszeitraum bei 0,47 %. Gesundheitsexperten schätzen den Beitrag von WHO/UNAIDS, auch der USA, bei Prävention und Behandlung von HIV/AIDS, würden sich aber ein stärkeres Engagement der vietnamesischen Seite wünschen. Mittlerweile erhalten mehr als die Hälfte der registrierten AIDS-Erkrankten eine antiretrovirale Behandlung."

Bestätigt wird diese Darstellung der Behandlungs- und Versorgungssituation auch durch die  Länderinformationsblätter des Federal Republic Service Home Affairs, General Directorate Immigration Office (10.9.2016) sowie der Internationalen Organisation für Migration, UN Migration (2018). Dies gilt insbesondere für den freien, auch kostenfreien Zugang zu Behandlung und Medikamenten. Erforderlich sind die entsprechenden Registrierungen, auch für die Krankenversicherung; Beiträge werden ggf. von den Sozialbehörden übernommen. In Hanoi und in Ho-Chi-Minh-Stadt gibt es frei zugängliche Krankenhäuser. Nichts anderes ergibt sich auch aus der Länderinformation der Staatendokumentation Vietnam des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 13.9.2016, S. 34). [...]