Zur Verteilung bei unerlaubter Einreise nach § 15a AufenthG trotz Asylgesuch:
"1. Ausländer, die ein Asylgesuch i.S.d. § 13 AsylG geäußert haben, unterliegen nicht der Verteilung nach § 15a AufenthG; dies gilt auch dann, wenn das Asylverfahren vor Stellung des förmlichen Asylantrags durch Rücknahme oder Eintritt der Rücknahmefiktion beendet worden ist.
2. Eine analoge Anwendung des § 15a AufenthG kann erwogen werden, wenn das Asylgesuch zurückgenommen wurde, bevor die nach § 46 AsylG zuständige Aufnahmeeinrichtung bestimmt worden ist. Ist der Ausländer hingegen bereits gem. § 22 AsylG an die zuständige Aufnahmeeinrichtung weitergeleitet worden, scheidet eine analoge Anwendung des § 15a AufenthG aus; dies gilt auch dann, wenn der Ausländer der Weiterleitung nicht nachkommt und das Asylgesuch deshalb als zurückgenommen gilt."
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 AufenthG werden unerlaubt eingereiste Ausländer, die weder um Asyl nachsuchen noch unmittelbar nach der Feststellung der unerlaubten Einreise in Abschiebungshaft genommen und aus der Haft abgeschoben oder zurückgeschoben werden können, vor der Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung oder die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Länder verteilt.
Die Antragstellerin ist unerlaubt eingereist (§ 14 Abs. 1 AufenthG); insoweit wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.
Allerdings hat sie um Asyl nachgesucht. Mit den Wörtern "um Asyl nachsuchen" nimmt § 15a AufenthG auf das Asylgesuch im Sinne des § 13 AsylG Bezug und nicht auf den förmlichen Asylantrag im Sinne des § 14 AsylG (VG Bremen, Beschl. v. 23.06.2020 – 4 V 996/20, juris Rn. 12; Westphal, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl. 2016, § 15a Rn. 1; Keßler, in: Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 15a Rn. 7). Es entspricht der üblichen Gesetzesterminologie, dass mit "Nachsuchen um Asyl" auf § 13 Abs. 1 AsylG verwiesen werden soll (vgl. Houben, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, § 13 AsylG Rn. 3 unter Hinweis auf § 13 Abs. 3 Satz 1 und 2, § 16 Abs. 1, § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 1 AsylG). Nach Aktenlage hat die Antragstellerin im Mai 2019 bei der ZASt ein Asylgesuch im Sinne des § 13 Abs. 1 AufenthG geäußert. Mit Schreiben der ZASt vom 15.05.2019 wurde sie gem. § 22 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 AsylG an die Aufnahmeeinrichtung des Freistaats Sachsen in Leipzig weitergeleitet, wo ihr die für die förmliche Asylantragstellung zuständige Außenstelle des Bundesamtes genannt werden sollte. Aufgrund dieses Nachsuchens um Asyl gehört sie nach dem eindeutigen Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der die Grenze der Auslegung bildet, nicht zu dem Personenkreis, der nach dieser Vorschrift zu verteilen ist. Darauf, dass sie der Weiterleitung nicht gefolgt ist und keinen förmlichen Asylantrag im Sinne des § 14 AsylG mehr gestellt hat, kommt es – wie ausgeführt – nicht an.
Ebenso ist es ohne Bedeutung, dass das Asylverfahren gem. § 22 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 33 Abs. 1 AsylG wegen der Nichtbefolgung der Weiterleitung durch den Eintritt der Rücknahmefiktion beendet ist. § 15a Abs. 1 Satz 1 AufenthG verlangt für das Ausscheiden eines unerlaubt eingereisten Ausländers aus dem Kreis der nach dieser Vorschrift zu verteilenden Personen nur, dass der Ausländer "um Asyl nachsucht". Dafür, dass der Ausländer wieder in den Anwendungsbereich des § 15a AufenthG zurückfällt, wenn er sein Asylverfahren nicht bis zu einem bestimmten Verfahrensstadium betreibt, enthält die Norm keine Anhaltspunkte.
§ 15a AufenthG ist auf den Fall der Antragstellerin auch nicht analog anwendbar. Eine solche Analogie kann erwogen werden, wenn ein Ausländer sein Asylgesuch wieder zurücknimmt, bevor er in ein Verteilungsverfahren nach Abschnitt 5 des Asylgesetzes einbezogen wurde. Denn der Gesetzgeber verfolgt mit § 15a AufenthG den Zweck, solche unerlaubt eingereisten Ausländer gleichmäßig auf die Länder zu verteilen, die nicht der Verteilung nach dem Asylgesetz unterliegen (vgl. BT-Drs. 14/5266, S. 6). Die Antragstellerin ist dagegen schon in ein Verteilungsverfahren nach dem Asylgesetz einbezogen worden. Die Aufnahmeeinrichtung des Freistaates Sachsen in Leipzig wurde als die für ihre Aufnahme nach §§ 45, 46 AsylG zuständige Einrichtung benannt und sie wurde nach § 22 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 AsylG dorthin weitergeleitet. Dem mit der Verteilung nach § 15a AufenthG verfolgten Interesse, eine gleichmäßige Verteilung der durch den Aufenthalt von unerlaubt eingereisten Ausländern hervorgerufenen Lasten zu erreichen, ist damit bereits Genüge getan (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 18.12.2018 – 1 B 148/18, juris Rn. 10 für den Fall, dass ein unerlaubt eingereister minderjähriger Ausländer, der dem jugendhilferechtliche Verteilungsverfahren nach § 42b SGB VIII unterlag, volljährig wird). Dass die Antragstellerin der mit der Weiterleitung nach § 22 Abs. 1 Satz 2, 3 AsylG entstandenen Verpflichtung zum Wohnen in der Aufnahmeeinrichtung in Leipzig (§ 47 AsylG, vgl. Heusch, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR § 47 Rn. 8) bislang nicht nachgekommen ist und dass eine anschließende weitere Verteilung nach §§ 50, 51 AsylG nicht durchgeführt wurde, ändert daran nichts. [...]