VG Braunschweig

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Zitieren als:
VG Braunschweig, Urteil vom 24.09.2020 - unbekannt - asyl.net: M28922
https://www.asyl.net/rsdb/M28922
Leitsatz:

Flüchtlingsschutz für Frau aus Ruanda wegen längeren Auslandsaufenthalts und Asylantragstellung:

Personen aus Ruanda, die sich mehrere Jahre im Ausland aufgehalten und dort einen Asylantrag gestellt haben, sind in Ruanda von staatlicher Verfolgung bedroht, weil ihnen eine oppositionelle Einstellung und Kontakte zur radikalen Opposition unterstellt werden und ihr Verhalten dem Ansehen des ruandischen Staates schadet. In der Folge ist ihnen unabhängig von der Glaubhaftigkeit des individuell vorgetragenen Verfolgungsschicksals die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

(Leitsätze der Redaktion, siehe auch VG Lüneburg, Urteil vom 11.10.2018 - 6 A 237/16 - asyl.net: M26690 und VG Hannover vom 06.08.2018 - 4 A 428/18 - asyl.net: M26597)

 

Schlagwörter: Ruanda, Asylantrag, Antragstellung als Asylgrund, Flüchtlingsanerkennung, oppositionelle Gesinnung, politische Verfolgung, Auslandsaufenthalt,
Normen: AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 5, AsylG § 3,
Auszüge:

[...]

Dies ergibt sich ungeachtet zahlreicher Widersprüche im Vortrag der Klägerin vor dem Bundesamt bereits aus dem Umstand, dass die Klägerin Ruanda jedenfalls vor 2015, mithin vor mindestens fünf Jahren verlassen hat, seitdem in Europa lebt und in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt hat. Das Verwaltungsgericht Hannover hat in seinem Urteil vom 02.05.2019 zu einem insoweit vergleichbaren Fall ausgeführt: [...]

Über die vorstehend zitierten Quellen hinaus ist festzustellen, dass sich die Lage im Hinblick auf Verfolgung tatsächlicher oder vermeintlicher Oppositioneller in Ruanda in Anbetracht der zur Verfügung stehenden aktuellen Erkenntnisse nicht maßgeblich verändert hat. Zwar hat das Auswärtige Amt mit Auskunft vom 23.04.2020 an das OVG Lüneburg (Bl. 58 GA) auf die Frage "Sieht der ruandische Staat ruandische Staatsangehörige, die Ruanda ohne Vorverfolgung legal verlassen haben und die nach einem mehrjährigen Aufenthalt im westlichen Ausland mit dortiger Asylantragstellung nach Ruanda zurückkehren, allein aufgrund ihres mehrjährigen Aufenthaltes im westlichen Ausland und des Betreibens eines Asylverfahrens dort als politische Gegner an und verfolgt sie? Verdächtigt der ruandische Staat Rückkehrer nach mehrjährigem Aufenthalt im westlichen Ausland generell, einen Asylantrag gestellt zu haben und knüpft daran politische Verfolgung? Wenn ja, wie würde sich diese Verfolgung gestalten?" ohne weitere Erläuterungen mit "Nein." geantwortet. Gleichzeitig wurde jedoch auch die Fragen danach, ob es Erkenntnisse darüber gebe, wie viele ruandische Staatsangehörige in der jüngeren Vergangenheit nach mehrjährigem Aufenthalt im westlichen Ausland - mit und ohne Asylantragstellung - wieder nach Ruanda zurückgekehrt seien, ebenso verneint. Von einer gesicherten Erkenntnisgrundlage, nach welcher aus dem "Nein" ohne weitere Begründung die Erkenntnis nachvollziehbar würde, dass nach längerem Aufenthalt im westlichen Ausland unter Betreiben eines Asylverfahrens, in dem sowohl das persönliche Vorfluchtschicksal als auch die Erfahrung mit und die Haltung zu der politischen Realität im Herkunftsland thematisiert und geäußert werden, ist die Einzelrichterin diesbezüglich angesichts der sich aus anderem Erkenntnismaterial ergebenden Lage in Ruanda nicht überzeugt. [...]

Angesichts dieser Erkenntnislage geht die erkennende Einzelrichterin nicht davon aus, dass sich die Gefahren für Rückkehrer, die sich längere Zeit im westlichen Ausland unter Betreiben eines Asylverfahrens aufgehalten haben, mithin um Schutz aus politischen Gründen vor der Regierungsmacht ihres Heimatlandes nachgesucht haben, nicht verringert haben, sondern nach wie vor aktuell sind und die Klägerin somit gefährdet ist, im Falle einer Rückkehr Gefahren für Leben, Gesundheit und Freiheit ausgesetzt zu sein. [...]