VG Potsdam

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Zitieren als:
VG Potsdam, Beschluss vom 05.10.2020 - 12 L 340/20.A - asyl.net: M28967
https://www.asyl.net/rsdb/M28967
Leitsatz:

Vorläufiger Rechtsschutz für irakische Familie, deren Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde:

1. Nach § 24 Abs. 1 S. 3 AsylG ist grundsätzlich eine persönliche Anhörung der Asylantragstellenden vorzunehmen.

2. Soll der Asylantrag nach § 71a AsylG aufgrund eines vorigen erfolglosen Asylverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat der EU abgelehnt werden, so kann nach § 71a Abs. 2 S. 2 AsylG von der persönlichen Anhörung abgesehen werden, wenn dies für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, entbehrlich ist. Dies ist jedoch nur dann in Betracht zu ziehen, wenn das Bundesamt genaue Kenntnis vom individuellen Vortrag sowie von den Ablehnungsgründe im vorigen Verfahren hat.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Zweitantrag, persönliche Anhörung, Anhörung, Übersetzung, Asylverfahren, Unzulässigkeit, vorläufiger Rechtsschutz,
Normen: AsylG § 24 Abs. 1 S. 3, AsylG § 71a Abs. 2 S. 2,
Auszüge:

[...]

a) Das Bundesamt hat es verfahrensfehlerhaft unterlassen, die erwachsenen Antragsteller zu 1. und 2. persönlich zu ihrem Verfolgungsschicksal anzuhören.

Gemäß § 24 Abs. 1 S. 3 AsylG hat das Bundesamt den Ausländer grundsätzlich persönlich anzuhören. Von einer Anhörung kann abgesehen werden, wenn das Bundesamt den Ausländer als Asylberechtigter anerkennen will oder wenn der Ausländer nach seinen Angaben aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) eingereist ist. Von einer Anhörung kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt einem nach § 13 Abs. 2 S, 2 Asylgesetz beschränkten Asylantrag stattgeben will. Von der Anhörung ist abzusehen, wenn der Asylantrag für ein im Bundesgebiet geborenes Kind unter sechs Jahren gestellt und der Sachverhalt aufgrund des Inhalts der Verfahrensakten der Eltern oder eines Elternteils ausreichend geklärt ist. Keine der in § 24 Abs. 1 S. 4-6 AsylG normierten Ausnahmen ist im Fall der Antragsteller gegeben. [...]

Auch die Ausnahmeregelung des § 71a Absatz 2 S. 2 AsylG greift nicht ein. Nach dieser Vorschrift kann von der Anhörung abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. Dies ist allenfalls im Betracht zu ziehen, falls das Bundesamt Kenntnis von den Entscheidungsgründen der Ablehnung des Antrags im anderen Mitgliedstaat und es darüber hinaus Kenntnis von dem Inhalt des dortigen Vertrags eines Antragstellers hat. Den Ausdrucken elektronisch gespeicherter Daten des Bundesamtes und den beigezogenen Verwaltungsvorgängen der zuständigen Ausländerbehörde kann nicht entnommen werden, dass die Antragsgegnerin Kenntnis von dem antragstellerischen Vortrag in Schweden und von den dortigen Entscheidungsgründen hatte oder mittlerweile hat. [...]