OVG Bremen

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Zitieren als:
OVG Bremen, Beschluss vom 20.11.2020 - 2 B 249/20 - asyl.net: M29035
https://www.asyl.net/rsdb/M29035
Leitsatz:

Erfolgloser Eilantrag gegen Verteilungsentscheidung wegen unzureichenden Nachweises deutscher Staatsangehörigkeit:

"1. Anders als das Vorliegen zwingender Gründe unterliegt die Frage, ob jemand zu dem nach § 15a AufenthG zu verteilenden Personenkreis gehört, keinen besonderen Nachweisfristen oder -anforderungen.

2. Gewöhnlicher Aufenthalt des in Deutschland geborenen Kindes einer sich illegal hier aufhaltenden Ausländerin i.S.d. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ist Deutschland, wenn das Kind sich noch nie in einem anderen Land aufgehalten hat, nach dem Willen der Mutter für nicht absehbare Zeit im Bundesgebiet verbleiben soll und eine Aufenthaltsbeendigung nicht konkret absehbar ist.

3. Die nachgeburtliche Anerkennung der Vaterschaft für das Kind einer verheirateten ghanaischen Staatsangehörigen durch einen Deutschen ist sowohl nach ghanaischem als auch nach deutschem Recht nicht geeignet, eine Abstammung zu begründen, solange die Vaterschaftsvermutung zugunsten des Ehemannes gilt.

4. Ein ghanaisches Scheidungsdokument genügt für sich allein nicht als verlässlicher Nachweis der Scheidung. Vielmehr ist auch in den Blick zu nehmen, ob es nach den sonstigen Umständen des Falles plausibel erscheint, dass die Ehe geschieden wurde."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Verteilungsverfahren, Vaterschaftsanerkennung, Scheidung, Scheidungsurteil, Ghana, gewöhnlicher Aufenthalt, Nachweis, zwingende Gründe, Familieneinheit, rechtlicher Vater, biologischer Vater,
Normen: AufenthG § 15a Abs. 1 S. 6, StAG § 4 Abs. 1 S. 1, EGBGB Art. 19 Abs. 1 S. 1, EGBGB Art. 19 Abs. 1 S. 3, EGBGB Art. 14 Abs. 2 Nr. 3, BGB § 1592 Nr. 1, BGB § 1598 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

II. Die zulässige Beschwerde, bei deren Prüfung der Senat auf die dargelegten Gründe beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ist unbegründet.

1. Ob der Antragsteller zu 2. deutscher Staatsangehöriger ist – der einzige Umstand, auf den sich die Antragsteller zur Begründung der Beschwerde berufen -, ist im vorliegenden Verfahren zu prüfen, obwohl die Antragsteller dies erst nach Veranlassung der Verteilung vorgetragen haben. Anders als bezüglich der Verteilung entgegenstehender "zwingender Gründe", die gemäß § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG vor der Veranlassung der Verteilung nachzuweisen sind, gelten bezüglich der Frage, ob eine Person überhaupt zu dem nach § 15a AufenthG zu verteilenden Personenkreis gehört, weder spezielle Präklusionsregelungen noch besondere Geltendmachungserfordernisse. Wäre der Antragsteller zu 2. Deutscher, wäre die Vorspracheverpflichtung - soweit sie ihn betrifft - rechtswidrig, weil nur Ausländer der Verteilung nach § 15a AufenthG unterliegen.

Soweit die Vorspracheverpflichtung die Antragstellerin zu 1. betrifft, könnte sich aus der deutschen Staatsangehörigkeit des Antragstellers zu 2., der ihr minderjähriges Kind ist und mit dem sie in Haushaltsgemeinschaft lebt, zwar grundsätzlich ein der Verteilung entgegenstehender zwingender Grund ergeben (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 08.03.2013 – 1 B 13/13, juris Rn. 3 f.; a.A. OVG Hamburg, Beschl. v. 27.08.2015 – 1 Bs 159/15, juris Rn. 10; OVG NW, Beschl. v. 17.03.2017 – 18 B 267/17, juris Rn. 5 ff.). Dieser könnte im vorliegenden Verfahren aber nicht berücksichtigt werden, weil er nicht vor Veranlassung der Verteilung nachgewiesen wurde. Es wäre vielmehr im Verfahren gegen den Verteilungsbescheid zu prüfen, ob sich daraus ein Hindernis für dessen Vollstreckung ergibt (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 29.01.2014 – 1 B 302/13, juris Rn. 25 f.).

2. Bei einer im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist nicht feststellbar, dass der Antragsteller zu 2. die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Vaterschaftsanerkennung des Herrn ... erworben hat. [...]