OVG Sachsen-Anhalt

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Zitieren als:
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20.08.2020 - 2 L 108/18 - asyl.net: M29178
https://www.asyl.net/rsdb/M29178
Leitsatz:

Pflicht zur Zahlung der Kosten der Abschiebung:

"1. Zu den Kosten, die bei der Vorbereitung der Abschiebung entstanden sind, können auch die Kosten einer Sprachanalyse gehören (Rn.11).

2. Gemäß § 70 Abs. 2 AufenthG a.F. (juris: AufenthG 2004) ist § 20 Abs. 3 VwKostG a.F. (juris: VwKostG ST) auf Kosten der Abschiebung entsprechend anzuwenden.(Rn.16).

3. Danach kann für den Eintritt der Unterbrechung der Verjährung eine förmliche Erklärung der zuständigen Behörde ausreichend sein, die Forderung einstweilen bis zu einer abschließenden Klärung der Rechtmäßigkeit nicht geltend machen zu wollen (Rn.19)."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Abschiebungskosten, Sprachanalyse, Verjährung, Kostenerstattung,
Normen: AufenthG § 70 Abs. 2 , VwKostG § 20 Abs. 3, AufenthG § 67 Abs. 1 Nr. 2, AufenthG § 66 Abs. 1, VwGO § 80 Abs. 2 S. 1,
Auszüge:

[...]

11 Die vom Beklagten geltend gemachten Kosten für die Sprachanalyse sind Kosten, die i.S.d. § 66 Abs. 1 AufenthG durch die Abschiebung entstanden sind, insbesondere bei der Vorbereitung der Maßnahme i.S.d. § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Kosten, die im Sinne dieser Vorschriften bei der Vorbereitung der Abschiebung entstanden sind, sind solche für Amtshandlungen oder Maßnahmen, die dem Ziel dienten, eine Abschiebung des Ausländers durch Ermittlung seiner Staatsangehörigkeit und damit des Abschiebungszielstaates zu ermöglichen bzw. ihre Vereitelung zu verhindern (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Mai 2014 - 1 C 3.13 - juris Rn. 18; Beschluss des Senats vom 20. August 2014 - 2 L 141/12 - juris Rn. 50). Hierzu gehören auch die Kosten einer Sprachanalyse (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 8. August 2012 - 2 A 153/10 - juris Rn. 24). Ob diese Kosten zur Erreichung des Zwecks der Maßnahmen erforderlich oder im engeren Sinne verhältnismäßig waren, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Mai 2014 - 1 C 3.13 - a.a.O. Rn. 18). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Sprachanalyse für die Feststellung der Staatsangehörigkeit des Ausländers nur eingeschränkt tauglich ist, weil Sprach- und Staatsgrenzen nicht immer identisch sind und einer Sprachanalyse bei der Feststellung der Herkunft nur indizielle Bedeutung zukommen kann. Diese Umstände ändern nichts daran, dass der Zweck einer Sprachanalyse in der Bestimmung des Herkunftsstaates oder der Herkunftsregion besteht, die ihrerseits der Feststellung des völkerrechtlich zur Aufnahme verpflichteten Staates dient (vgl. Möller, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 49 AufenthG Rn. 31; vgl. auch BT-Drs. 14/7386, S. 55, zu § 41 Abs. 2 AuslG). Damit handelt es sich bei den für eine Sprachanalyse entstandenen Kosten ihrer Art nach um Kosten, die der Feststellung des Staates dienten, in den der Kläger einreisen darf, sowie der Beschaffung eines Passersatzes auf Grund dieser Feststellung. Das gilt auch dann, wenn es - wie der Kläger meint - für die Feststellung seiner Staatsangehörigkeit bessere Maßnahmen geben sollte, wobei allerdings zweifelhaft ist, ob dies bei den genannten Botschaftsvorführungen oder den von ihm nicht näher spezifizierten "konkreten Passbeschaffungsmaßnahmen" der Fall ist. [...]

14 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haftet der Ausländer für die Kosten einer Abschiebung nur, wenn die zu ihrer Durchsetzung ergriffenen Amtshandlungen und Maßnahmen ihn nicht in seinen Rechten verletzen. Bei Maßnahmen, die zwar objektiv rechtswidrig sind, aber nicht selbstständig in Rechte des Ausländers eingreifen, entfällt eine Erstattungspflicht, wenn die Kosten bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären (§ 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG) (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Mai 2014 - 1 C 3.13 - a.a.O. Rn. 21). [...]

15 Gemessen daran bestehen an der Rechtmäßigkeit der Durchführung der Sprachanalyse und damit an der Erstattungsfähigkeit der hiermit verbundenen Kosten keine Zweifel. Insbesondere war die Maßnahme nicht unverhältnismäßig. Der Zweck der Sprachanalyse bestand - wie bereits ausgeführt - in der Bestimmung des Herkunftsstaates oder der Herkunftsregion des Klägers, die ihrerseits der Feststellung des völkerrechtlich zur Aufnahme des Klägers verpflichteten Staates diente. Hierzu war die Sprachanalyse auch geeignet, wie sich insbesondere daran zeigt, dass sie zu dem Ergebnis gelangte, dass der Kläger "mit Sicherheit" aus der Republik Niger stamme. Die Sprachanalyse war auch erforderlich. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Staatsangehörigkeit des Klägers hinreichend geklärt war, weil die von ihm selbst angegebene Herkunft aus dem Niger - wie sich später herausstellte - zutreffend war. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die in der Bundesrepublik Deutschland akkreditierten diplomatischen Vertretungen anderer Staaten regelmäßig Nachweise über die behauptete Staatsangehörigkeit verlangen, um Passersatzdokumente zum Zwecke der Rückführung in den durch sie diplomatisch vertretenen Staat auszustellen. Da der Kläger bislang keine originalen Ausweis- oder Passdokumente seines Herkunftsstaates oder andere originale Urkunden vorgelegt hatte, waren Maßnahmen zur Feststellung der Herkunftsregion des Klägers erforderlich, um mit Aussicht auf Erfolg einen Antrag auf Ausstellung von Passersatzdokumenten bei der Botschaft der Republik Niger stellen zu können. Die Anordnung einer Vorsprache des Klägers bei der Botschaft gemäß § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG hatte auch keinen Vorrang vor einer Sprachanalyse. Es liegen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass eine solche Maßnahme zur Feststellung der Herkunftsregion des Klägers genauso geeignet gewesen wäre wie die Sprachanalyse und zugleich den Kläger - weil kostengünstiger - weniger belastet hätte. [...]

19 Gleichwohl hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Kostenforderung des Beklagten nicht verjährt ist. Gemäß § 70 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 20 Abs. 3 VwKostG gehört zu den Unterbrechungstatbeständen auch das Aussetzen der Vollziehung sowie der Vollstreckungsaufschub. Diese Unterbrechungstatbestände sind hier erfüllt. Mit Schreiben vom 20. Juli 2010 hat der Beklagte dem Kläger mitgeteilt, die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides werde gewährt und eine Vollstreckung der Kosten erfolge bis zur Entscheidung über den Widerspruch vorerst nicht. Zwar sind Kosten der Abschiebung keine Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, so dass der Widerspruch des Klägers aufschiebende Wirkung hat. Gleichwohl führt die Mitteilung des Beklagten an den Kläger vom 20.Juli 2010 die Wirkungen des § 20 Abs. 3 VwKostG herbei. Die Vorschrift des § 20 Abs. 3 VwKostG ist ersichtlich auf Kosten i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO zugeschnitten. Bei Kosten der Abschiebung i.S.d. §§ 66, 67 AufenthG handelt es sich indessen nicht um derartige Kosten (vgl. VG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 2. Januar 2007 - 4 B 50/06 - juris Rn. 17 m.w.N.). Demgemäß ist eine entsprechende Anwendung des § 20 Abs. 3 VwKostG auf Kosten der Abschiebung nach §§ 66, 67 AufenthG geboten. Ausreichend für den Eintritt der Unterbrechung der Verjährung ist danach eine förmliche Erklärung der zuständigen Behörde, die Forderung einstweilen bis zu einer abschließenden Klärung der Rechtmäßigkeit (bzw. bis zum Erlass eines Widerspruchsbescheides) nicht geltend machen zu wollen. Eine derartige Erklärung hat der Beklagte mit Schreiben vom 20. Juli 2010 abgegeben. [...]