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OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Urteil vom 14.01.2002 - 3 R 1/01 - asyl.net: M2930
https://www.asyl.net/rsdb/M2930
Leitsatz:

Keine Gefährdung mehr wegen Verfolgung unter Mobutu; beachtliche Verfolgungsgefahr bei aktiver Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei (hier: UDPS) im Sinne öffentlichkeitswirksamer Aktivitäten, z.B. Teilnahme an Demonstrationen; beachtliche Verfolgungsgefahr wegen exilpolitischer Betätigung nur bei öffentlichkeitswirksamer Tätigkeit im Sinne eines "eigenen Gesichts", Prominenz aber nicht erforderlich; noch keine Verfolgungsgefahr bei Teilnahme an Demonstrationen im Ausland; keine Gefährdung allein wegen Asylantragstellung; keine allgemeine extreme Gefährdungslage im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 53 Abs. 6 AuslG.(Leitsatz der Redaktion)

 

Schlagwörter: Demokratische Republik Kongo, Christen (katholische), Demonstrationen, Glaubwürdigkeit, Machtwechsel, Verfolgungszusammenhang, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, UDPS, Überwachung im Aufnahmeland, Antragstellung als Asylgrund, Sippenhaft, Situation bei Rückkehr, Zwangsrekrutierung, Zeugenaussage Okito, Abschiebungshindernis, Extreme Gefahrenlage, Versorgungslage, Existenzminimum, Medizinische Versorgung, Malaria, Infektionsrisiko
Normen: AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 53 Abs. 6 S. 1
Auszüge:

 

Dem Kläger steht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung Abschiebungsschutz nach § 51 I AuslG nicht wegen seiner nunmehr vorgetragenen Mitgliedschaft in der UDPS in Deutschland ohne leitende Funktion zu.

Die Frage der Rückkehrgefährdung durch Exilpolitik bedarf einer näheren Darlegung.

In einem ersten Schritt ist die Rückkehrgefährdung von oppositionellen Exilpolitikern auf der Grundlage der Gefährdung oppositioneller Inlandspolitiker im Kongo zu bewerten.

Die von dem Regime Joseph Kabila gegenüber einigen Führern der Opposition gezeigten großzügigen Gesten werden zwar vom Auswärtigen Amt im Sinne einer politischen Öffnung interpretiert (Lagebericht des AA vom 23.11.2001 - 508-516.80.3 COD -, Asylis-Ausdruck, S. 13). Das überzeugt letztlich nicht.

In einer Gesamtwertung kommt auch das Auswärtige Amt zu dem Ergebnis, dass in der Amtszeit von Joseph Kabila sich die asyl- und abschiebungsrelevante Lage trotz erster Ansätze nicht entscheidend verbessert hat (Lagebericht des AA vom 23.11.2001 - 508-516.80.3 COD -, Asylis-Ausdruck, S. 2). Vor allem ergibt sich aus den einzelnen Feststellungen des Auswärtigen Amtes und übereinstimmend von amnesty international, dass öffentlichkeitswirksame Aktivitäten gegen die Regierung, vor allem Demonstrationen und Pressekonferenzen, nach wie vor gewaltsam mit Verhaftungen unterbunden werden.

Eine öffentlichkeitsaktive Tätigkeit der Parteien wird nach wie vor rigoros unterbunden. Zusammenfassend würdigt das Auswärtige Amt die politische Repression im Kongo dahingehend, es komme regelmäßig zu willkürlichen Verhaftungen aktiver Regimegegner oder von Personen, die dafür gehalten werden (Lagebericht des AA vom 23.11.2001 - 508.516.80.3 COD -, Asylis-Ausdruck, S. 7).

Die aktuelle Behandlung von Menschenrechtlern spricht dafür, dass Menschenrechtsverletzungen stattfinden, aber nicht aufgedeckt werden sollen. Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen sind derzeit im Kongo besonders in Gefahr, selbst Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu werden (ai vom 12.2.2001 - AFR 62-00.080 -, S. 3). Selbst Menschenrechtsorganisationen werden als Opposition betrachtet, und ihre Führungsebene im Kongo ist konkret gefährdet.

Dem Grundmuster der Repression der Opposition im Kongo liegt ein einheitliches Konzept zugrunde. Die Angriffe gegen die Oppositionsparteien sind strategisch gezielt und sollen diese Partien lahmlegen (UNHCR, Hintergrundpapier von April 1998, S. 2). Von diesem Lahmlegungsziel geht auch der Garreton-Bericht aus, wonach im Kongo jede politische Aktivität verbannt ist, um die Opposition zur Bedeutungslosigkeit zu verurteilen (Garreton-Bericht vom 30.1.1998, S. 15/16). Das Auswärtige Amt geht ebenfalls davon aus, dass die Machthaber im Kongo keine aktive Opposition von Parteien oder gesellschaftlichen Gruppen dulden (Auswärtiges Amt vom 5.11.1998 - 514-516.80/25 496 -, S. 4). Nach Auffassung des Auswärtigen Amtes sind aktive Mitglieder der Opposition auch unter dem Regime von Joseph Kabila nach wie vor vorübergehenden Verhaftungen und Repressionsmaßnahmen ausgesetzt; Regimegegner werden willkürlich verhaftet.

Bei aktiver Oppositionspolitik im Kongo besteht die Möglichkeit der Misshandlung, Verhaftung und Folterung (Auswärtiges Amt vom 13.7.1998 - 514-516.80/27 101 -).

Zu der Einschüchterungspraxis gehört es, dass bei gesuchten oder bereits inhaftierten Oppositionellen auch Sippenhaft praktiziert wird (so nunmehr AA, Lagebericht vom 5.5.2001 - 508 (514) - 516.80/3 COD -, S. 15, und zu zwei Referenzfällen amnesty international vom 12.2.2001 - AFR 62-00.080 -, S. 3; anders noch im Sinne fehlender Sippenhaft, aber Einschüchterung von Angehörigen führender Oppositioneller; AA Lagebericht vom 23.3.2000 - 514-516.80/3 COD -, S. 15; einschränkend auch noch amnesty international vom 22.4.1999 - AFR 62-98.049/5 -, S. 6).

Nach den Feststellungen des Auswärtigen Amtes findet auch unter Joseph Kabila eine besondere Strafverfolgung von Oppositionellen statt. Bei der Polizei ist eine Sonderabteilung für die Strafverfolgung von Oppositionellen und Journalisten eingerichtet mit der Unterabteilung DSIR und dem Kommandanten Mateta, der bei der Verhaftung von Oppositionellen in rüder oder gar brutaler Weise mitwirkt und in dessen Dienstbereich nicht selten Gefangene mit Stromschlägen gefoltert werden (AA, Lagebericht vom 5.52001 - 508(514)-516.80/3 COD -, S. 10; kürzer berichtet in Lagebericht des AA vom 23.11.2001 - 508.516.80.3 COD -, Asylis-Ausdruck, S. 7).

Entsprechend dem Ziel der Lahmlegung der Opposition wird die Opposition massiv eingeschüchtert, nicht aber aufgelöst. Eine passive Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei im Kongo selbst ist mit dem Lahmlegungsziel des Regimes durchaus vereinbar. Nach dem Bericht der Europäischen Union muss eine passive Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei im Kongo nicht als gefährlich betrachtet werden (Council of the European Union, Bericht vom 8.11.1999, S. 19, unter Hinweis auf eine Quelle in einer westlichen Hilfsorganisation). Das Auswärtige Amt geht in ständiger Lageeinschätzung davon aus, dass die einfache Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei nicht verfolgt wird (Auswärtiges Amt vom 13.7.1998 - 514-516.80/27 101 -, sowie vom 10.2.1999 - 514-516.80/33 096 -; Lageberichte vom 23.3.2000 - 514-516.80/3 COD -, S. 12, sowie vom 5.5.2001 - 508(514)-516.80/3 COD -, S. 12; Lagebericht des AA vom 23.11.2001 - 508.516.80.3 COD -, Asylis-Ausdruck, S. 9).

In der Würdigung von amnesty international sind die Gewichte nicht wesentlich anders gesetzt (amnesty international, Länderkurzbericht von Juli 2000).

Nach der Würdigung des Senats kann im Kongo interne Parteiarbeit ohne Öffentlichkeitswirkung nach wie vor geleistet werden (ebenso OVG Lüneburg, Urteil vom 21.2.2000 - 1 L 4903/98 -, S. 16 des amtl. Umdrucks; für nichtöffentliche politische Betätigung einfacher Mitglieder von Oppositionsparteien VG München, Urteil vom 29.6.1999 - M 21 K 96.51831 -, Leits. 2).

Die Duldung der internen Parteiarbeit ohne Öffentlichkeitswirkung im Kongo schließt die passive Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei mit ein. Eine beachtliche Verfolgungsgefahr lässt sich für die einfache Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei im Kongo selbst nicht feststellen.

Dagegen stimmt das Erkenntnismaterial im wesentlichen darin überein, dass die Verfolgungsschwelle im Kongo mit politischer Aktivität in der Öffentlichkeit überschritten wird, wobei die Schwellenhöhe etwas unterschiedlich angesetzt wird. Von einer sehr niedrigen Eingriffsschwelle bereits unbedeutender Aktivitäten geht der Bericht der Europäischen Union aus. Nach dem Bericht der Europäischen Union engagieren sich die Oppositionsparteien auf ihr eigenes Risiko, selbst unbedeutende politische Aktivität kann Verhaftung provozieren (Council of the European Union, Bericht vom 8.1.1999, S. 18). Amnesty international geht in den Festnahmefällen von der Schwelle der Ausübung von Grundrechten durch engagierte Menschen aus (amnesty international, Länderkurzbericht von Juli 2000). Sowohl das Institut für Afrika-Kunde als auch UNHCR gehen von einer etwas höheren Schwelle aus. Nach der Einschätzung des Instituts für Afrika-Kunde bedeutet offene politische Opposition im Kongo ein beträchtliches Verfolgungsrisiko, insbesondere eine Kritik an der Regierung (Institut für Afrika-Kunde, Stellungnahmen vom 14.7.1997, S. 3 sowie vom 15.10.1998, S. 2).

Auch nach Auffassung von UNHCR wurden insbesondere Kritiker gezielt Opfer von Verhaftungen (UNHCR, Hintergrundbericht von April 1998, S. 17). Nach der Einschätzung des Auswärtigen Amtes löst politische Aktivität insbesondere in Form der Organisation von Demonstrationen und Parteiveranstaltungen staatliche Einschüchterung mit vorübergehenden Verhaftungen und Misshandlungen aus (Auswärtiges Amt vom 27.2.1998 - 514-516.80/22 839 -, S. 3 und 4; zur Einschüchterung aktiver Mitglieder auch Auswärtiges Amt vom 2.10.1999 - 514-516.80/33 069 -; ebenso Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 5.5.2001 - 508(514)-516.80/3 COD -, S. 12). Derzeit sind vor allem Demonstrationen und öffentlichkeitswirksame Pressekonferenzen die Eingriffsschwelle für ein gewaltsames Einschreiten des Staates mit Verhaftungen (Lagebericht des AA vom 23.11.2001 - 508.516.80.3 COD -, Asylis-Ausdruck, S. 8/9; Pressemitteilung der UDPS vom 6.10.2001).

Der Senat hält es nach Auswertung des Erkenntnismaterials für hinreichend sicher, dass die Schwelle zu einem beachtlichen Verfolgungsrisiko zwischen passiver Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei im Kongo und aktiver Mitgliedschaft im Sinne öffentlichkeitswirksamer Aktivitäten verläuft. Oberhalb dieser Schwelle wird eine Verfolgungsgefahr von dem gesamten vorliegenden neueren Erkenntnismaterial bejaht.

Einschlägig ist im vorliegenden Fall die Oppositionspartei UDPS (Union pur la Démocratie et le Progrès Social), der der Kläger im Exil angehört. Die UDPS wird als die bedeutendste Oppositionspartei im Kongo angesehen (UNHCR-Hintergrundpapier von April 1998, S. 19).

Die UDPS ist im Kongo in besonderem Maß Zielgruppe der Repression (UNHCR, Hintergrundpapier von April 1998, S. 19). Die passive Mitgliedschaft in der UDPS im Kongo ist zwar nicht als gefährlich anzusehen (Bericht der Europäischen Union vom 8.11.1999, S. 19). Leiter und prominente Mitglieder der UDPS gehen aber ein ernstes Risiko von Gefängnis und Folter ein (Bericht der Europäischen Union vom 8.11.1999, S. 18).

Nach allem genügt im Kongo aktive und öffentlichkeitswirksame Opposition zur Überschreitung der Verfolgungsschwelle, nicht aber passive Opposition. Ein grundlegender Wandel ist nicht eingetreten. Die Opposition ist gelähmt und kann sich nicht einmal ausreichend durch Pressekonferenzen artikulieren und erst recht keine Demonstrationen durchführen.

Im nächsten Schritt ist die Verfolgungsschwelle nun für die Exilpolitik zu bestimmen.

Die Gefährdung von oppositionellen Exilpolitikern wird im Erkenntnismaterial nach der insofern übereinstimmenden Vorgehensweise des Auswärtigen Amtes, amnesty international und des Institutes für Afrika-Kunde auf der Grundlage der Gefährdung von Inlandspolitikern im Kongo eingeschätzt.

Wesentlich für die Vergleichsbetrachtung der Exilpolitik ist, dass im Kongo die Parteistruktur der Opposition nicht zerschlagen wird, die Oppositionsparteien selbst dort in gewissem Umfang intakt sind auch registriert werden (Council of the European Union, Bericht vom 8.11.1999, S. 18; zur Zulassungspraxis 2001 vgl. Lagebericht des AA vom 23.11.2001 - 508.516.80.3 COD -, Asylis-Ausdruck, S. 8).

Da liegt es auf der Hand, dass das Regime Kabila in der bloßen Existenz und der Struktur von Exilparteien und Exilorganisationen keine ernsthafte Gefahr für seinen Bestand sieht. Die interne Parteiarbeit und die einfache Parteimitgliedschaft in Exilparteien und Exilorganisationen kann aus den Erfahrungen des kongolesischen Staates mit der "gelähmten" Inlandsopposition für ihn keine ernsthafte Bedeutung haben. Nach dem eigenen Maßstab der kongolesischen Führung wird nur aktive, öffentlichkeitswirksame und pressewirksame Opposition ernst genommen und nach den eigenen Erfahrungen im Exil kann eine Gefährdung für den kongolesischen Staat lediglich von öffentlichkeitswirksamen Exilpolitikern ausgehen. Nach der Überzeugung des Senats wird die Exilpolitik vom kongolesischen Staat nur dann ernst genommen, wenn sie sowohl öffentlichkeitswirksam als auch profiliert im Sinne eines eigenen Gesichts ist. Dies trifft auf leitende politische Tätigkeit zu.

Von einer einfachen, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verfolgungsgefährlichen Exiltätigkeit ist vor allem dann auszugehen, wenn nicht einmal die Öffentlichkeitsschwelle überschritten wird (zur Notwendigkeit einer öffentlichkeitswirksamen Tätigkeit als Verfolgungsvoraussetzung OVG Lüneburg, Urteil vom 21.2.2000 - 1 L 4903/98 -, sowie VG Arnsberg, Urteil vom 10.5.2000 - 2 K 270/95.A -).

Die Öffentlichkeitsschwelle wird nicht überschritten durch die bloße Mitgliedschaft in einer Partei.

Auf der dargelegten Grundlage ist in der Rechtsprechung einschließlich des Sentas anerkannt, dass die bloße Parteimitgliedschaft in einer Oppositionspartei im Exil für eine beachtliche Gefahr der Rückkehrverfolgung nicht ausreicht (Urteil des Senats vom 3.12.2001 - 3 R 4/01 -, S. 42 des amtl. Umdrucks, für die UDPS-Mitgliedschaft; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.11.1999 - A 13 S 2844/95 - für die PDSC-Mitgliedschaft; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7.10.1999 - A 13 S 2476/97 -, für die UDPS-Mitgliedschaft; OVG Lüneburg, Urteil vom 14.1.2000 - 1 L 3974/98 -, S. 12, für die UDPS-Mitgliedschaft; VG Freiburg, Urteil vom 24.3.1999 - A 1 K 13049/95 - sowie VG Oldenburg, Urteil vom 2.6.1999 - 7 A 344/96 -, jeweils für die einfache UDPS-Mitgliedschaft). Ebensowenig wie durch die einfache Parteimitgliedschaft wird durch interne nicht öffentlichkeitswirksame Parteiarbeit in einer Oppositionspartei im Exil eine Verfolgungsgefahr begründet.

In der Rechtsprechung ist auf der Grundlage des Erkenntnismaterials anerkannt, dass eine innerparteiliche Betätigung innerhalb einer Oppositionspartei im Exil für eine beachtliche Verfolgungsgefahr nicht ausreicht (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.1.2000 - A 13 S 2451/97 -, S. 5 des amtl. Umdrucks, für die innerparteiliche Betätigung innerhalb der Oppositionspartei PALU; OVG Lüneburg, Urteil vom 14.1.2000 - 1 L 3974/98 -, zur internen Parteifunktion eines zweiten Sekretärs der UDPS; OVG Lüneburg, Urteil vom 10.12.1999 - 1 L 688/96 -, S. 11 des amtl. Umdr., zu organisationsinternen Zusammenkünften der UDPS; VG Ansbach, Urteil vom 6.8.1999 - AN 13 K 94.42877 -, für einen Finanzverwalter der UDPS; VG Düsseldorf, Urteil vom 2.8.1999 - 23 K 10683/93.A -, für die interne Parteifunktion eines dritten Vizepräsidenten einer Zelle der UDPS; VG Augsburg, Urteil vom 28.6.1999 - Au 7 A 98.30101 -, für die Betätigung einer stellvertretenden Schatzmeisterin der Partei MNC/L).

Der Senat folgt der überzeugenden Rechtsprechung, dass die interne Parteiverwaltung einschließlich organisationsinterner Zusammenkünfte sowie der Tätigkeit im Protokoll einer Exilpartei aus der Sicht des Kongo keine ernsthafte Gefährdung darstellt und mithin aus diesem Gesichtspunkt auch keine beachtliche Verfolgungsgefahr droht.

Nach der Überzeugung des Senats liegt die Schwelle der beachtlichen Verfolgungsgefahr in der Exilpolitik bei einer öffentlichkeitswirksamen profilierten Tätigkeit im Sinne eines eigenen Gesichts. (Urteil des Senats vom 1.10.2001 - 3 R 5/01 -, S. 28/41 des amtl. Umdrucks; vergleichbar Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 25.1.2000 - A 13 S 2451/97 -, S. 5 des amtl. Umdrucks, im Sinne einer profilierten exilpolitischen Betätigung; ebenso OVG Lüneburg, Urteil vom 14.1.2001 - 1 L 3974/98 -, S. 15 des amtl. Umdr., im Sinne einer exponierten Stellung als Exilpolitiker; VG Arnsberg, Urteil vom 10.5.2000 - 2 K 4270/95.A -, im Sinne einer herausragenden Aktivität; VG Freiburg, Urteil vom 6.3.2000 - A 1 K 12615/96 - im Sinne einer herausgehobenen Exilpolitik; zu weitgehend VG Düsseldorf, Ureil vom 14.10.1999 - 23 K 9590/93. A - im Sinne einer bedeutenden Persönlichkeit).

Die in der Rechtsprechung einschließlich des Senats zum Kongo weitgehend übereinstimmend erkannte Verfolgungsschwelle einer profilierten oder gleichbedeutend exponierten Exiltätigkeit stimmt mit der überwiegenden Einschätzung im Erkenntnismaterial überein.

Nach der Rechtsprechung reicht die Teilnahme an Demonstrationen einer Oppositionspartei im Exil - wie sie hier auch der Kläger vorträgt - für die Bejahung einer beachtlichen Verfolgungsgefahr nach der Rückkehr nicht aus (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.1.2000 - A 13 S 2451/97 -, S. 5 des amtl. Umdr., für Demonstrationen der PALU; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.11.1999 - A 13 S 2844/95 -, für die Teilnahme an Demonstrationen der PDSC; OVG Lüneburg, Urteil vom 14.1.2000 - 1 L 3974/98 -, S. 12, für eine Demonstration der UDPS mit der Verteilung von Bulletins; Urteil des VG Augsburg vom 28.6.1999 - Au 7 K 98.30101 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 25.5.2000 - 23 K 6207/94.A -, S. 17 des amtl. Umdr.). Der Beurteilung durch die Rechtsprechung entspricht die überwiegende Einschätzung in dem vorliegenden Erkenntnismaterial.

Zusammenfassend geht der Senat davon aus, dass die Exilpolitik vom kongolesischen Staat generell ernst genommen wird, wenn sie sowohl öffentlichkeitswirksam als auch profiliert im Sinne eines eigenen Gesichts ist. Für die Führungsebene im Exil der Bundes- und Landesvorsitzenden der im Kongo wesentlichen Oppositionsparteien ist dies regelmäßig der Fall. Die Parteichefs in Bund und Ländern ragen aus der Masse der politisch interessierten Asylbewerber heraus und haben im Sinne der Rechtsprechung des Senats ein "eigenes Gesicht".

Eine weitergehende generelle Einschätzung der Gefährung durch Exilpoltik ist nicht möglich, vielmehr muss die Exilpolitik übereinstimmend mit der Würdigung des Auswärtigen Amtes immer im Einzelfall beurteilt werden.

Mit der vom Senat dargelegten Schwelle einer profilierten Exilpolitik ist die Gefährdungskette nicht abgeschlossen. In einem weiteren Schritt muss es beachtliche Gründe dafür geben, dass die derart profilierte Exilpolitik dem kongolesischen Staat auch bekannt wird. Deshalb ist als weiteres Glied in der Kette der Gefährdung die Auslandsaufklärung des kongolesischen Staates in den Blick zu nehmen.

Ausgehend von den vorliegenden Tatsachen, dass der Inlandsgeheimdienst nachweislich funktioniert, ein Auslandsnachrichtendienst zweifelsfrei besteht, dass für die kongolesischen Auslandsvertretungen eine flächendeckende Registrierung der Auslandskongolesen nicht möglich ist und Informationen über die Exilpolitik tatsächlich in den Kongo gelangen, gibt es unter Beachtung der Eigeninteressen eines Nachrichtendienstes an der Informationsbeschaffung keinen wirklich überzeugenden Grund dafür, im Ergebnis von einer gänzlich unwirksamen Auslandsaufklärung auszugehen. Vielmehr spricht nach den wenigen bekannten, aber ausreichenden Tatsachen alles dafür, dass der tatsächlich bestehende Auslandsnachrichtendienst zu einer ausgedünnten, nicht flächendeckenden Beobachtung in der Lage ist und exponierte Exilaktivitäten in den bundesdeutschen Großstädten verfolgt.

Auch die weit aufgefächerte Parteienlandschaft des Kongo einschließlich der Exilparteien steht einer gezielten Beobachtung der wesentlichen Oppositionsparteien nicht entgegen. Die Zahl der vom kongolesischen Staat ernstgenommenen und deshalb auch verfolgten Oppositionsparteien ist relativ übersichtlich und umfasst nach der insoweit übereinstimmenden Auffassung von amnesty international und des Auswärtigen Amtes insbesondere die UDPS, die PDSC, die PALU, die MNC/L sowie die Partei FONUS (vgl. die Auflistung von amnesty international vom 21.1.1998 - AFR 62-97.222 -, S. 2 bis 4, die über den Fragekatalog des Gerichts hinaus der Vollständigkeit halber (S. 4) auf alle Fälle der Verfolgung konkreter Oppositionsbewegungen erweitert wurde; zur Auflistung von UDPS, MPR, FONUS, PDSC, PALU und MNC/L Lagebericht des AA vom 23.11.2001 - 508.516.80.3 COD -, Asylis-Ausdruck, S. 8).

Es spricht daher alles dafür, dass bereits über diesen ersten Weg des Auslandsnachrichtendienstes dem Kongo die Tätigkeiten profilierter Exilpolitiker, insbesondere der Parteichefs im Bund und den Ländern der Hauptoppositionsparteien, bekannt werden.

Nach dem jetzt erreichten Erkenntnisstand besteht aber auch ein weiter Informationsweg, nämlich durch private Zuträger des Kabila-Regimes. Von einem privaten Zuträgersystem geht amnesty international in mehreren Stellungnahmen aus (amnesty international vom 21.1.1998 - AFR 62-97.222 -, S. 5, sowie amnesty international vom 27.4.1999 - AFR 62-98.049/5 -, S. 6).

Aber auch unter dem Gesichtspunkt der generellen Gefährdung aller Rückkehrer in den Kongo mit Blick auf die dem Senat vorliegende Aussage des Zeugen Okito vor dem VGH Baden-Württemberg über die Zwangsrekrutierung der Rückkehrer steht dem Kläger kein Abschiebungsschutz zu.

Nach der im wesentlichen übereinstimmenden Rechtsprechung - unter Billigung des Bundesverfassungsgerichts - führt die Asylantragstellung allein nicht schon zur beachtlichen Verfolgungsgefahr für die Rückkehrer (BVerfG, Beschluss vom 21.7.2000 - 2 BvR 1429/98 -, NVwZ - Beilage I 12/2000, S. 145; Urteil des Senats vom 3.12.2001 - 3 R 4/01 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.1.2000 - AS 13 S 2451/97 -; HessVGH, Urteil vom 19.6.1999 - 3 UE 404/95 -; OVG Lüneburg, Urteil vom 14.1.2000 - 1 L 3974/98 -, S. 16).

Nach den konkreten und glaubwürdigen Feststellungen der für die Flüchtlinge arbeitenden Organisation UNHCR bleiben die rückkehrenden Asylbewerber aus Europa nach dem neuesten Stand abgesehen von mehrtägigen Vernehmungen mit schlechter Verpflegung im wesentlichen unbehelligt.

Auch nach Auffassung der EU konnte der Bericht über verschwundene Asylbewerber nicht bestätigt werden (EU - Diskussionspapier vom 13.9.2001 - SN 3724/01 -, S. 21).

Dies deckt sich im Ergebnis mit den Feststellungen des Auswärtigen Amtes in seinem Lagebericht vom 5.5.2001, das ebenfalls feststellt, dass die aus Europa Abgeschobenen unbehelligt bleiben und zu ihren Familienangehörigen gelangen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 5.5.2001 - 508 (514)-516.80/3 COD -, S. 22, dort allerdings noch unter Darstellung des bisherigen Flughafenverfahrens, S. 21).

Dem Kläger steht auch nicht Abschiebungsschutz mit Blick auf eine Extremgefahr nach § 53 VI 1 AuslG zu.

Die dem Senat vorliegende aktuelle Dokumentation spricht für die Richtigkeit der zum Kongo ergangenen Rechtsprechung, wonach eine individuelle Extremgefahr mit Ausnahme des VG Aachen verneint wird. Die Dokumente belegen zwar eine katastrophale wirtschaftliche und soziale Situation mit den Mangelerscheinungen der Unterernährung und unzureichender medizinischer Versorgung sowie mit Lebensmittelknappheit. Sie belegen aber nicht, dass ein nach Kinshasa zurückkehrender Ausländer dem baldigen sicheren Hungertod ausgesetzt ist.

Eine andere Betrachtung gilt weitgehend für Asylbewerber, die bereits in Deutschland an schweren Erkrankungen leiden. In der Rechtsprechung ist anerkannt worden, dass bei bereits in Deutschland bestehenden schweren Erkrankungen wie Aids im Fall notwendiger antiretroviraler Behandlung sowie im Fall von Krebs bei notwendiger Strahlenbehandlung oder Chemotherapie eine Extremgefahr im Sinne eines baldigen Todes zu bejahen ist (VG Koblenz, Urteil vom 21.10.1999 - 7 K 1076/99.KO - für Aids sowie VG Oldenburg, Urteil vom 2.6.1999 - 7 A 344/96 - für Krebs).

Auch das Auswärtige Amt referiert, dass das Gesundheitswesen im Kongo in katastrophalem Zustand ist und insbesondere eine Dauerbehandlung von Aids und Krebs im Kongo ausscheiden.

Das auch für gesunde rückkehrende Asylbewerber verbleibende Risiko, sich trotz Impfung eine Tropenkrankheit zuzuziehen, genügt nicht für die Feststellung des baldigen sicheren Todes oder schwerster Verletzungen.