Keine Flüchtlingsanerkennung wegen exilpolitischer Aktivität oder wegen im Ausland begangenem "Ehebruch":
1. Exilpolitische Aktivitäten für die nur im Ausland agierende monarchistische Organisation Farre Kiyani führen nicht zu einer Gefährdung, wenn die schutzsuchende Person keine exponierte Stellung in der Organisation innehat.
2. Ehebruch (während des Aufenthalts in Deutschland) ist zwar strafbar, jedoch werden die Strafvorschriften wegen der hohen Beweisanforderungen selten angewandt.
3. Psychische Krankheiten wie eine reaktive Depression sind im Iran behandelbar.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
24 Die von der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland unternommenen politischen Aktivitäten rechtfertigen keine andere Betrachtungsweise. Es entspricht einheitlicher obergerichtlicher Rechtsprechung (Hess. VGH, Urteil vom 10.08.2011 – 6 A 95/10.A – juris RdNr. 68; Urteil vom 21.09.2011 – 6 A 1005/10.A – juris RdNr. 29; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.08.2017 – 13 A 1793/16.A – juris RdNr. 10 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 29.07.2013 – 14 ZB 13.30084 – juris RdNr. 4; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 25.03.2020 – 2 LB 18/19 – juris RdNr. 39, jeweils m.w.N.), dass eine exilpolitische Betätigung eines iranischen Staatsangehörigen (erst) dann flüchtlingsrechtlich relevant ist, wenn sie in einem nach außen hin in exponierter Weise für eine regimefeindliche Organisation erfolgten Auftreten besteht und sein Gesamtverhalten ihn den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran einwirkenden Regimegegner erscheinen lässt. Die vorgetragene und von der Klägerin belegte exilpolitische Betätigung lässt sie ersichtlich nicht als eine derart exponierte, auf die Verhältnisse im Iran einwirkende Regimegegnerin erscheinen.
Die Mitgliedschaft der Klägerin in der Farre Kiyani macht die Klägerin nicht zu einer exponierten Regimegegnerin. Dabei handelt es sich um eine ausschließlich außerhalb des Iran agierende monarchistische Organisation, die ausweislich der Bescheinigung vom 21.06.2020 (Bl. 133 d. A.) europaweit in derzeit 12 Städten tätig ist. Auch die von der Klägerin verfassten Aufsätze, ihre Demonstration vor der chinesischen Botschaft sowie die Organisation von Infotischen lassen die Klägerin nicht als eine derart exponierte, auf die Verhältnisse im Iran einwirkende Regimegegnerin erscheinen. Wie auch die von der Klägerin eingereichten Lichtbilder ausweisen, sind diese Versammlungen und Veranstaltungen in der Regel derart unbedeutend, dass sie offensichtlich das politische System im Iran nicht in Frage stellen können. Im Übrigen ist den iranischen Stellen bekannt, das eine große Zahl iranische Asylbewerber aus wirtschaftlichen oder anderen unpolitischen Gründen versuchen, im westlichen Ausland und insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland dauernden Aufenthalt zu finden und hierzu Asylverfahren betreibt, in deren Verlauf eine oppositionelle Betätigung geltend gemacht und dementsprechend auch ausgeübt wird (vgl. Bay. VGH a.a.O.).
25 Der Klägerin ist die Flüchtlingseigenschaft auch nicht wegen des von ihr behaupteten Ehebruchs mit Herrn ... zuzuerkennen. Grundsätzlich ist nach islamischen Recht jeder Geschlechtsverkehr zwischen Personen strafbar, die nicht miteinander verheiratet sind (Art. 221 iranisches StGB). Für Personen, die einen Ehebruch begehen, ist die Steinigungsstrafe zu verhängen, wenn sie in dauernder Ehe verheiratet sind. Ob der Klägerin hier die Vergünstigung von Art. 227 iranisches StGB zu Gute kommt, wonach die Steinigungsstrafe entfällt, weil es ihr nicht möglich ist, jederzeit mit ihrem Ehepartner Verkehr zu haben infolge ihrer Ausreise nach Düsseldorf, soll hier dahinstehen.
Denn das bloße Bestehen von Rechtsvorschriften, nach denen sexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, können nicht bereits als Maßnahme betrachtet werden, die die Klägerin in so erheblicher Weise beeinträchtigen, dass der Grad an Schwere erreicht ist, der erforderlich ist, um diese Strafbarkeit als Verfolgung im Sinne des § 3a AsylG anzusehen (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 – C-199/12 u.a. – juris RdNr. 55). Deshalb wäre eine staatliche Verfolgung im vorliegenden Fall nur anzunehmen, wenn die den Ehebruch im Iran unter Strafe stellenden Rechtsvorschriften angewendet und die dort vorgesehenen Strafen in der Praxis tatsächlich verhängt werden würden.
Hierfür lässt sich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit zur Überzeugung des Gerichts jedoch nicht feststellen. Ausweislich einer Auskunft der schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 10.04.2015 (Gefährdungslage bei der Rückkehr in den Iran mit einem unehelichen Kind) werden in der Praxis grundsätzlich keine Todesstrafen ausgesprochen. Dies liege hauptsächlich darin begründet, dass für einen gültigen Schuldspruch entweder das Geständnis der oder des Angeklagten oder aber die Aussage von vier Zeugen oder Zeuginnen notwendig ist.
In der mündlichen Verhandlung am 03.09.2020 hat die Klägerin selbst erklärt, dass sie einen Ehebruch im Iran nicht gestehen würde. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist darüber hinaus anerkannt, dass ein Ausländer, dem es möglich ist, durch zumutbares Eigenverhalten eine im Heimat bzw. Abschiebungszielstaat drohende Gefahr abzuwenden, die Gewährung asylrechtlichen Abschiebungsschutzes nicht verlangen kann (Urteil vom 03.11.1992 – 9 C 21/92 – juris RdNr. 12).
Dass im vorliegenden Fall vier Zeugen oder drei Zeugen und zwei Zeuginnen den stattgefundenen Geschlechtsverkehr der Klägerin vor einem iranischen Gericht bezeugen könnten, erscheint ausgeschlossen. Allerdings ist dem iranischen Richter die Möglichkeit eingeräumt, auf der Grundlage eigenen Wissens ("Wissen des Richters") ein Urteil zu fällen. Allerdings muss der Richter nach Art. 211 iranisches Strafgesetzbuch im Urteil darlegen, worauf dieses Wissen beruht. Dies können ausweislich einer gesetzlichen Erläuterung Sachverständigengutachten, Augenscheineinnahmen durch Polizeibeamte etc. sein (vgl. Tellenbach, zum Strafgesetzbuch der islamischen Republik Iran von 2013 – ZSTW 2014, 775 (795)). [...]
27 Auch die Voraussetzungen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG sind nicht gegeben. Insbesondere rechtfertigen die der Klägerin attestierten Depressionen mit Symptomen wie Anpassungsstörungen, Ängste, Unruhezustände und Antriebsschwankungen nicht die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. Nach der Auskunftslage (AA – Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran (Stand: Oktober 2016) vom 08. Dezember 2016 – Seite 17; Lagebericht vom 26.02.2020 – Seite 22) entspricht die medizinische Versorgung zwar nicht (west-)europäischen Standards, die Versorgung mit Medikamenten ist jedoch weitgehend gewährleistet. Behandlungsmöglichkeiten auch für schwerste Erkrankungen sind zumindest in Teheran und gegebenenfalls gegen Zahlung entsprechender Kosten grundsätzlich gegeben.
Bereits im Jahr 2010 hatte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in einer Stellungnahme an das Sächsische Oberverwaltungsgericht vom 05. Dezember 2010 mitgeteilt, dass die Behandlung von psychisch Kranken selbstverständlich im Iran möglich sei. Zurzeit seien 1400 Psychiater im Iran tätig. Es gäbe auch ausreichend Psychologen, Psychotherapeuten und Sozialarbeiter. In gleicher Weise äußert sich die schweizerische Flüchtlingshilfe nach einer Schnellrecherche vom 11. Februar 2015. Danach werden unter Bezugnahme auf einen Bericht des UK Homeoffice vom 26. September 2013 die meisten psychischen Krankheiten im Iran in Spitälern oder Kliniken behandelt. Die Behandlungen finden meistens in Ambulatorien mit medizinischer Ausrichtung und in psychiatrischen Kliniken statt. Nur sehr wenige Patienten werden in tagesklinischen Behandlungseinrichtungen oder in Behandlungszentren, wo zusätzliche Dienstleistungen wie Rehabilitation oder Beratung angeboten werden, behandelt. Die Behandlung von psychischen Krankheiten zähle im Iran seit 1986 zur gesundheitlich Grundversorgung. [...]