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VG Trier

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Zitieren als:
VG Trier, Urteil vom 07.04.2021 - 2 K 1021/20.TR - asyl.net: M29580
https://www.asyl.net/rsdb/M29580
Leitsatz:

Landesweite Verfolgung durch schiitische Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq; kein polizeilicher Schutz möglich:

Ausweislich der vorliegenden Erkenntnisquellen handelt es sich bei der Asa'ib Ahl al-Haqq um eine der größten schiitischen Milizen im Irak. Sie entfaltet erhebliche politische und militärische Aktivitäten. Den Klägern droht wegen ihres sunnitischen Glaubens Gewalt und Inhaftierung durch Angehörige der dieser Miliz.

Die staatlichen Behörden können im hiesigen Einzelfall keinen Schutz davor bieten. Im Falle einer Rückkehr wäre es den Klägern auch nicht mit hinreichender Sicherheit möglich, internen Schutz im Sinne des § 3e AsylG zu erlangen. Sie haben bereits erfolglos versucht, sich an die Polizei zu wenden und bei einem schiitischen Freund unterzukommen.

(Leitsätze des Einsenders)

Schlagwörter: Irak, Schiiten, Sunniten, Asa'ib Ahl al-Haqq, nichtstaatliche Verfolgung, Schutzbereitschaft, Schutzfähigkeit, interne Fluchtalternative, interner Schutz, Miliz,
Normen: AsylG § 3, AsylG § 3 Abs. 1, AsylG § 3d, AsylG § 3e,
Auszüge:

[...]

Den Klägern droht im hiesigen Einzelfall bei ihrer Rückkehr in den Irak aus individuellen, an ihre jeweilige Person anknüpfenden Gründen Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Die Kammer ist unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles, der Angaben der Kläger und nach Auswertung der vorliegenden Erkenntnismittel der Überzeugung, dass die Kläger mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Irak Gewalt- bzw. Willkürmaßnahmen der schiitischen Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq ausgesetzt wären.

Ausweislich der vorliegenden Erkenntnisquellen handelt es sich bei der Asa'ib Ahl al-Haqq um eine der größten schiitischen Milizen im Irak und sie entfaltet erhebliche politische und militärische Aktivitäten. Den Klägern droht Verfolgung durch Angehörige dieser Miliz in Gestalt von Gewalthandlungen oder unberechtigter Inhaftierung aufgrund ihres sunnitischen Glaubens. Die bereits erlittenen Bedrohungen und die Entführung des Klägers zu 1) sind auch flüchtlingsrechtlich relevant im Sinne des § 3c AsylG und es kann im hier zu entscheidenden Einzelfall unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisquellen (vgl. unter anderem: Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 22. Januar 2021, Länderinformation der Staatendokumentation Irak aus dem COI-CMS des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 3. März. 2021, ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen vom 2. Oktober 2020, ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen Musliminnen [a-104080-2(10481)] vom 2. Februar 2018) nicht davon ausgegangen werden, dass den Klägern Schutz durch in § 3d AsylG genannten Akteure geboten werden kann.

Auch wenn der Auslöser für die Probleme der Kläger zunächst nicht an deren Religion angeknüpft hat, sondern es sich vielmehr um Probleme im beruflichen Umfeld der Klägerin zu 2) gehandelt hat, so ist Kern der von den Klägern geschilderten Problemen nunmehr deren religiöse Überzeugung. Nach Auffassung der Kammer können (und wollen) die staatlichen Behörden im hiesigen Einzelfall keine Gewähr dafür bieten, dass es zu weiteren Übergriffen, wie sie unter anderem in Form der Entführung des Klägers zu 1) bereits stattgefunden haben, in Zukunft nicht mehr kommen wird. Diese Gefährdungslage erstreckt sich wegen der Besonderheiten des vorliegenden Falles auf alle Kläger.

Die Kammer vermag im hiesigen Einzelfall auch nicht zu erkennen, dass es den Klägern mit hinreichender Sicherheit möglich wäre, im Falle einer Rückkehr in den Irak internen Schutz im Sinne des § 3e AsylG zu erlangen, dies insbesondere, da sie bereits erfolglos versucht haben, bei einem schiitischen Freund unterzukommen und sich auch bereits erfolglos an die Polizei gewendet haben. [...]