VG Hamburg

Merkliste
Zitieren als:
VG Hamburg, Beschluss vom 29.10.2002 - 8 VG 3547/2002 - asyl.net: M3355
https://www.asyl.net/rsdb/M3355
Leitsatz:

Rechtliches Abschiebungshindernis bei Risikoschwangerschaft der Ehefrau.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Ausländer, Duldung, Schutz von Ehe und Familie, Ehefrau, Unbefristete Aufenthaltserlaubnis, Visumsverfahren, Risikoschwangerschaft
Normen: VwGO § 123; AuslG § 55 Abs. 2; GG Art. 6 Abs. 1
Auszüge:

Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung zu besitzen. Die entsprechenden Voraussetzungen sind nach § 55 Abs. 2 AuslG u. a. erfüllt, solange die Abschiebung des Ausländers aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Rechtlich unmöglich ist die Abschiebung auch dann, wenn Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 8 EMRK der Entfernung des Ausländers aus dem Bundesgebiet entgegensteht (st. Rspr.; vgl. nur BVerwG, Urt. v. 04. 06. 1997, BVerwGE Bd. 105 S. 35, 43; Urt. v. 09. 12. 1997, BVerwGE Bd. 106 S. 13, 17). Verfassungs- und konventionsrechtlicher Schutz ist geboten, wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten ist, seine familiären Beziehungen durch Ausreise auch nur kurzfristig zu unterbrechen. Nach dem Sach- und Erkenntnisstand des vorliegenden Eilverfahrens dürfte es sich im vorliegenden Fall um eine derartige zugespitzte Situation im Sinne der dargelegten Maßstäbe handeln, die ihn deutlich von der Masse der Sachverhalte unterscheidet, in denem einem Ausländer die vorübergehende Rückkehr in sein Heimatland zwecks Beantragung eines Visums abverlangt werden muss (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 21. 11. 2001 - 3 Bs 159/01 - m.w.N.). Denn der Antragsteller hat durch Vorlage einer Reihe von Unterlagen glaubhaft gemacht, dass seine mit ihm lebende jugoslawische Ehefrau, die im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ist, in weit stärkerem Maße als üblich auf seine Anwesenheit in Deutschland angewiesen ist und seines fortdauernden Beistandes bedarf. Ausweislich des - vom die Ehefrau behandelnden Frauenarztes stammenden - Attestes vom (...) liegt bei ihr eine Risikoschwangerschaft vor. Nach fachärztlicher Einschätzung besteht die Notwendigkeit einer ständigen Betreuung durch den Antragsteller, um weitgehende Belastungen fernzuhalten, um die Schwangerschaft nicht zu gefährden. Nach dem neueren Attest desselben Arztes vom (...) besteht bei der Ehefrau des Antragstellers der Verdacht auf vorzeitige Wehen, die durch die aktuelle Stresssituation und die Angst, den Partner zu verlieren, ausgelöst werden können. Darin wird aus gynäkologischer Sicht ausdrücklich empfohlen, dem Antragsteller den Aufenthalt in Deutschland bis zur Geburt des Kindes zu gestatten.

Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin, sofern der Antragsteller unter Berücksichtigung der erst im vorliegenden Verfahren erfolgten Eheschließung nunmehr die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragen sollte, diesem möglicherwesie sogar einen derartigen Aufenthaltstitel erteilen würde, ohne die Durchführung des Visumsverfahrens zu fordern (vgl. zu diesem Gesichtspunkt OVG Hamburg, Beschl. v. 21. 11. 2001, a.a.O.).