VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 11.11.2002 - 24 L 2529/02 - asyl.net: M3386
https://www.asyl.net/rsdb/M3386
Leitsatz:

Einer iranischen Staatsangehörigen ist es zumutbar, zur Passbeschaffung ein Passfoto mit Kopftuch anfertigen zu lassen, auch wenn sie in Deutschland zum Christentum konvertiert ist.(Leitsatz der Redaktion)

 

Schlagwörter: D (A), Iraner, Abgelehnte Asylbewerber, Passpflicht, Passersatzpapiere, Passbeschaffung, Mitwirkungspflichten, Ordnungsverfügung, Zwangsgeld, Kopftuchpflicht, Passfotos, Religionsfreiheit, Persönlichkeitsrecht, Sofortvollzug, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AsylVfG § 15 Abs. 2 Nr. 4; AuslG § 4; AuslG § 40 Abs. 1; OBG § 14 Abs. 1
Auszüge:

Die Pflicht, einen gültigen Nationalpass innezuhalten und auf Verlangen der Ausländerbehörde vorzulegen ergibt sich für Ausländer, deren bisher alleiniger Aufenthaltsgrund die Durchführung eines Asylverfahrens ist und die sich nicht im Status des asylverfahrensunabhängigen Anschlussaufenthaltes befinden, vorzugsweise aus § 15 Abs. 2. Nr. 4 AsylVfG.

Denn diese Bestimmung wirkt über das formale Ende des Asylverfahrens hinaus solange fort, bis der Aufenthalt des vormaligen Asylbewerbers beendet oder mit einem neuen asylverfahrensunabhängigen Zweck unterlegt ist (Baden-Württembergischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 6. Oktober 1998 - A 9 S 856/98 -; Beschlüsse des Gerichts vom 19. November 1999 - 24 L 3441/99 -; vom 15. August 2000 - 24 L 2482/00 -; vom 5. März 2001 - 24 L 89/01 -; vom 30. Januar 2002 - 24 L 2047/01 -).

Die inhaltlich gleiche Pflicht ergibt sich freilich für den Ausländer, der nicht (mehr) dem Regime des AsylVfG unterfällt, aus den subsidiär zur Anwendung gelangenden §§ 4 und 40 Abs. 1 AuslG, auf die die Antragsgegnerin ihre hier angegriffene Ordnungsverfügung gestützt hat.

Vor diesem gedanklichen Hintergrund, wonach die jeweilige Pflicht inhaltsgleich in § 15 Abs. 2 Nr. 4 AsylVfG und den §§ 4 und 40 Abs. 1 AuslG steht und deren Aktualisierung jeweils erst über § 14 Abs. 1 OBG erfolgen muss, ist es hier ohne Auswirkungen auf die materielle Rechtmäßigkeit der Passvorlageverpflichtung, dass die Antragsgegnerin die Pflicht bei der hier angegriffenen Ordnungsverfügung aus der allgemeineren und nicht der spezielleren Norm hergeleitet hat (Beschlüsse des Gerichts vom 5. März 2001 - 24 L 89/01 -; vom 30. Januar 2002 - 24 L 2047/01 -. Nach Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichthofes in dessen Urteil vom 11. Juli 2000 - 10 B 99.3200 -; NVwZ Beilage I 1/2001, S. 4, 5, soll es rechtlich sogar unschädlich sein, wenn die Ausländerbehörde nur die Vorschriften des AsylVfG in der Ordnungsverfügung anführt.)

Diese Pflicht trifft die Antragstellerin auch.

Auch unter der unter den Beteiligten unstreitigen Prämisse, dass die Antragstellerin für die Ausstellung eines Nationalpasses oder eines Passersatzpapieres wird Fotos vorlegen müssen, die sie mit einem ihr Haar verdeckenden Tuch zeigen, ist ihr die Passbeschaffung oder sonstige Mitwirkung auch unter Berücksichtigung der Grundrechte zumutbar.

Dass es mit der Glaubensfreiheit, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Gleichheitssatz vereinbar ist, wenn eine Muslimin für die Anfertigung von Passfotos eine Kopfbedeckung anlegen muss, ist obergerichtlich entschieden (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 23. März 2000 - 24 CS 00.12 -; NVwZ 2000, S. 950, 952) und auch aus Sicht des Gerichts nicht zweifelhaft. Aber auch wenn eine ehemalige Muslimin aus einem islamischen Land im Bundesgebiet zum christlichen Glauben konvertiert ist dies zumutbar.

Die Befugnis, diese öffentlich-rechtliche Pflicht im Falle der Nichtbefolgung mit dem Instrument des Verwaltungsaktes zu aktualisieren und der Vollstreckbarkeit zuzuführen, ergibt sich als solche nach Auffassung des Gerichts aus der gefahrenabwehrrechtlichen Generalermächtigung des § 14 Abs. 1 OBG (vgl. auch dazu Beschluss vom 19. November 1999 - 24 L 3441/99 -; dort auch zu den Gegenmeinungen; ferner Beschlüsse des Gerichts vom 15. August 2000 - 24 L 2482/00 -; vom 5. März 2001 - 24 L 89/01 -; vom 30. Januar 2002 - 24 L 2047/01 -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 11. Juli 2000 - 10 B 99.3200 -; NVwZ Beilage I 1/2001, S. 4, 5).

Tatbestandlich ist diese Bestimmung insofern erfüllt, als die Nichtbeachtung einer öffentlich-rechtlichen Ge- oder Verbotsnorm auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in ihrem Schutzgut "positives Recht" darstellt, wenn der Verstoß nicht auch als solcher straf- oder bußgeldbewehrt ist.

Schließlich verstößt die der Antragstellerin auferlegte Pflicht auch nicht etwa gegen die allgemeinen Grundsätze für gefahrenabwehrrechtliche Verfügungen.

Es wird dem Antragsteller nicht etwas rechtlich oder tatsächlich unmögliches auferlegt.

Zwar hat das Gericht es bereits für rechtswidrig gehalten, wenn die Ausländerbehörde den Beginn der dem Ausländer für die Vorlage des zu beschaffenden Nationalpasses gesetzten Frist an den Zugang der Ordnungsverfügung knüpft (Beschluss vom 22. August 1997 - 24 L 2795/97 -; a.A: wohl Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 11. Juli 2000, - 10 B 99.3200 -; NVwZ Beilage I 1/2001, S. 4, 5), weil auch der mitwirkungswillige Ausländer bei strikter Befolgung der Verfügung keinen Einfluss darauf hat, wann ein von ihm beantragter Nationalpass tatsächlich ausgestellt wird, um den angedrohten Zwangsmitteln entgehen zu können. Dem trägt die Antragsgegnerin hier jedoch dadurch Rechnung, dass sie es zur Meidung der angedrohten vollstreckungsrechtlichen Mittel ausdrücklich zulässt ihr nachzuweisen, dass man sich innerhalb der gesetzten Frist um die Beschaffung bemüht hat oder unverschuldet dazu in der Lage war (vgl. dazu Beschluss des Gerichts vom 5. März 2001 - 24 L 89/01 -; vom 30. Januar 2002 - 24 L 2047/01 -).

Die konkret-individuelle Verpflichtung zur Passbeschaffung ist auch nicht unverhältnismäßig.

Sie ist zweifelsohne als Maßnahme zur Verwirklichung des Zwecks der Bestimmungen über die Passpflicht geeignet. Sie ist auch erforderlich. Denn mit ihrer rechtsirrig begründeten, gleichwohl beharrlichen Weigerung, Passfotos der seitens des Iran geforderten Art anfertigen zu lassen, hat die Antragstellerin auch hinreichend Anlass geboten, die abstrakt-generellen Pflichten mittels Verwaltungsaktes so auszugestalten, dass sie notfalls zwangsweise durchgesetzt werden können.

Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in der Verfügung vom 14. März 2002 und hinsichtlich der Zwangsgeldfestsetzung im Bescheid vom 19. Juni 2002 war die aufschiebende Wirkung nicht anzuordnen, weil sie sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweisen.