OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.12.2002 - 10 A 10089/02.OVG - asyl.net: M3421
https://www.asyl.net/rsdb/M3421
Leitsatz:

Zum Begriff des schweren nichtpolitischen Verbrechens i.S.v. § 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG.

Zum Begriff der den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufenden Handlungen i.S.v. § 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG.

Der Ausschluss von Abschiebungsschutz des § 51 Abs. 1 AuslG nach Maßgabe des § 51 Abs. 3 Satz 2, 2. und 3. Alternative AuslG setzt über das betreffende Verhalten hinaus voraus, dass von dem Ausländer weiterhin Gefahren ausgehen, wie sie sich in seinem früheren Verhalten manifestiert haben. Dafür sprechen allerdings regelmäßig frühere Aktivitäten für eine terroristische Vereinigung, es sei denn, der Ausländer kann glaubhaft machen, sich endgültig aus diesem Umfeld gelöst zu haben.

Schlagwörter: Türkei, Kurden, DHKP-C, Mitglieder, Abschiebungsschutz, Ausschluss, Asylausschluss, Straftäter, Auslandsstraftaten, Terroristische Vereinigung, Nichtpolitisches Verbrechen, Terrorismusbekämpfungsgesetz, Genfer Flüchtlingskonvention, Flüchtlingsbegriff, Grundsätze der Vereinten Nationen
Normen: AuslG § 51 Abs. 3 S. 2; AuslG § 51 Abs. 1
Auszüge:

 

Nach der ständigen bis in die jüngste Zeit hineinreichenden (vgl. etwa das einen Anhänger der TKP-ML betreffende Urteil vom 18. Januar 2002 - 10 A 11408/01. OVG - oder das zu einem Aktivisten der TDKP ergangene Urteil vom 16. August 2002 - 10 A 10593/02.0VG -) und den Beteiligten bekannten Rechtsprechung des Senats laufen Rückkehrer, die als aktive Anhänger einer verbotenen die Verfassung und Grundordnung des türkischen Staates bedrohenden gewaltbereiten linksextremistischen Organisation erkannt oder auch nur verdächtigt werden Gefahr, nach ihrer Festnahme als ernst zu nehmende und mit allen Mitteln zu bekämpfende politische Gegner, aus Gründen ihres missliebigen ideologischen Standortes, Opfer schwerwiegender Übergriffe bis hin zu Misshandlungen und Folterungen zu werden.

Obwohl es mithin beachtlich wahrscheinlich ist, dass der Kläger bei Rückkehr in die Türkei Verfolgungsmaßnahmen wird erdulden müssen, kann er keinen Abschiebungsschutz nach Maßgabe des § 51 Abs. 1 AuslG beanspruchen, weil dem die Ausschlussgründe des Absatzes 3 Satz 2, 2. und 3. Alternative der Bestimmung entgegenstehen. Danach findet § 51 Abs. 1 AuslG keine Anwendung, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Ausländer vor seiner Aufnahme als Flüchtling ein schweres nicht politisches Verbrechen außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschlang begangen hat bzw. dass er sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Der Kläger erfüllt mit seinem Engagement für die DHKP-C diese Voraussetzungen.

Wie sich dem Wortlaut des § 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG klar entnehmen lässt, im Übrigen aber auch in der Gesetzesbegründung ausdrücklich hervorgehoben wird (BT-Drs. 14/7386, S. 57 ff.), ist der Tatbestand der Norm bereits dann erfüllt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer die entsprechenden Taten begangen hat; einer rechtskräftigen Verurteilung ihretwegen bedarf es mithin nicht. Umgekehrt bedeutet dies allerdings auch, dass die tatsächlichen Feststellungen in einem - ausländischen - Strafurteil die - deutschen - Verwaltungsbehörden und Gerichte für die Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG erfüllt sind, nicht binden, mögen sie auch ein mehr oder weniger starkes Indiz dafür sein, dass sich der Ausländer tatsächlich so verhalten hat, wie ihm im Urteil zur Last gelegt wird; dabei wird desto eher von der Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen ausgegangen werden können, je mehr das Strafverfahren - im Ausland - rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprochen hat.

Hier beruft sich der Kläger darauf, dass die Verurteilung durch das Staatssicherheitsgericht Istanbul auf einem unter Folter erzwungenen "Geständnis" beruht. Der Senat geht davon aus, dass diese Darstellung richtig ist. Zu sehen ist allerdings auch, dass den Urteilsgründen zufolge eine Vielzahl von "Beweisermittlungen" ausgewertet wurden und ... der Kläger in einem Punkt sogar freigesprochen wurde.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich für den Senat unter Berücksichtigung der im Strafurteil getroffenen Feststellungen und nicht zuletzt einer "Abstimmung" dieser Feststellungen mit den Einlassungen des Klägers gegenüber dem Bundesamt sowie im gerichtlichen Verfahren, insbesondere in der Berufungsverhandlung, überzeugende Belege dafür, dass der Kläger tatsächlich vor seiner Ausreise aus der Türkei in eine selbst vor Terroranschlägen zur Durchsetzung ihrer Ziele nicht zurückschreckende Vereinigung strukturell eingebunden war und bei seinen vielfältigen Aktivitäten für dieselbe auch eigene gemeingefährliche Gewaltbeiträge geleistet hat. Dass die DHKP-C nicht nur als gewaltbereite, sondern sogar terroristische - d.h. mit gemeingefährlichen Mitteln oder unter lebensbedrohlichen Angriffen auf Unbeteiligte operierende (vgl. dazu z.B. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 -, EZAR 201 Nr. 20) - Organisation zu bewerten - und dementsprechend auch in die vom Rat der Europäischen Union zur Bekämpfung des Terrorismus erstellte Liste als Gruppe bzw. Organisation aufgenommen - ist, wurde oben bereits hervorgehoben.

Nach alledem erfüllt der Kläger jedenfalls von ihrem in die Vergangenheit gerichteten Wortlaut her die Ausschlusstatbestände des § 51 Abs. 3 Satz 2,2. und 3. Alternative AuslG.

Was zunächst das den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufende Handeln angeht, ist zu berücksichtigen, dass der Sicherheitsrat in der Resolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 - zu deren Umsetzung mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz § 51 Abs. 3 AuslG um Satz 2 ergänzt worden ist (vgl. die Gesetzesbegründung, a.a.O.) - ausdrücklich erklärt hat, dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den - in Kapitel I der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten - Zielen und Grundsätzen dieser Organisation stehen und dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen der Vereinten Nationen stehen (vgl. Nr. 5 der Resolution). Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen - dem gemäß Art. 24 der Charta die Hauptverantwortung für die Wahrung unter anderem der internationalen Sicherheit übertragen ist und der bei der Wahrnehmung der sich aus dieser Verantwortung ergebenden Pflichten im Namen der Mitglieder und im Einklang mit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen handelt - hat damit klargestellt, dass dem Ziel der Vereinten Nationen, den internationalen Terrorismus zu bekämpfen, und den hierzu geltenden Grundsätzen nicht allein Personen zuwiderhandeln können, die aufgrund ihrer Stellung im Staatsgefüge eines Mitgliedstaates die Möglichkeit haben, zu einer Verletzung der insoweit für das Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander und gegenüber der Völkergemeinschaft im Ganzen maßgeblichen Leitlinien der Organisation durch ihren Staat direkt beizutragen, sondern dass sich auch eine Privatperson zu dem in Rede stehenden Ziel und den betreffenden Grundsätzen der Vereinten Nationen in Widerspruch setzen kann, wenn sie nach Maßgabe von Nr. 5 der Resolution in den Terrorismus verstrickt ist. Damit lässt sich die bislang zur 3. Alternative des mit § 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG wörtlich übereinstimmenden Art. 1 F des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK -) allgemein vertretene Auffassung (vgl. z.B. UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, September 1979 - im Folgenden nur: UNHCR Handbuch - Nr. 163; UNHCR, Berücksichtigung von Sicherheitsbelangen ohne Beeinträchtigung des Flüchtlingsschutzes (Standpunkt), November 2001 - im Folgenden nur: UNHCR Standpunkt - Nr. 14), den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen könne nur ein Inhaber von staatlicher Macht durch Mitwirkung an einer Verletzung dieser Ziele und Grundsätze durch seinen Staat zuwiderhandeln, nicht mehr aufrecht erhalten.

Ob schon dann schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigten, der Kläger habe vor seiner Ausreise aus der Türkei den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt, wenn nur sein - eigenes - gewaltfreies Engagement für die als terroristisch einzustufende DHKP-C und dabei insbesondere seine durch die Zugehörigkeit zu einem örtlichen Komitee der DLMK und einem Stadtviertelkomitee der DHKP-C vermittelte Einbindung in diese Organisation in Ansatz zu bringen wäre, könnte mit Rücksicht darauf zweifelhaft sein, dass die unter Art. 1 F (c) GK fallenden Handlungen strafrechtlich relevant sein müssen (vgl. z.B. UNHCR Handbuch, Nr. 162; vgl. dazu auch z.B. UNHCR Standpunkt, Nrn. 17 und 18; ferner UNHCR, Anmerkungen zum Vorschlag der Europäischen Kommission für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Terrorismusbekämpfung, November 2001 - im Folgenden nur: UNHCR Anmerkungen - Nr. 3) und sich schon von daher Entsprechendes auch für § 51 Abs. 3 ,Satz 2, 3. Alternative AuslG aufdrängt. Was das hier in Rede stehende Zuwiderhandeln gegen die UN-Ziele durch Verstrickung in den Terrorismus angeht, kann in dem Zusammenhang zudem darauf verwiesen werden, dass auch der sich unmittelbar aus dem Gewährleistungsinhalt des Grundrechts aus Art. 16 a Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - selbst ergebende Ausschluss von der grundrechtlichen Asylgewährleistung wegen terroristischer Aktivitäten voraussetzt, dass der Ausländer Teilnehmer im strafrechtlichen Sinne von Terrorhandlungen gewesen ist oder im Vorfeld Unterstützungshandlungen zugunsten terroristischer Aktivitäten unternommen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 -, BVerfGE 80, S. 315 ff.). Der Frage braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden, weil der Kläger über dieses Engagement für die DHKP-C hinaus in dessen Rahmen auch in eigener Person zweimal terroristisch aktiv geworden ist, indem er zusammen mit anderen Molotowcocktails geworfen hat.

Der Kläger erfüllt daneben aber auch die gesetzlich fixierten Tatbestandsmerkmale der 2. Alternative des § 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG. Es liegen schwerwiegende Gründe für die Annahme vor, dass der Kläger noch in der Türkei ein schweres nichtpolitische Verbrechen begangen hat. Dabei geht der Senat ungeachtet des Umstandes, dass mit Art. 1 F (b) GK - der wörtlich mit § 51 Abs. 3 Satz 2, 2. Alternative AuslG übereinstimmt - verhindert werden soll, dass sich der Ausländer der Strafverfolgung im Land der Begehung des Delikts entzieht (vgl. z.B. UNHCR Standpunkt, Nr. 22) - und dass hier sogar ein rechtskräftiges Strafurteil der türkischen Justiz gegen den Kläger vorliegt -, davon aus, dass nach Maßgabe des deutschen Strafrechts zu beurteilen ist, ob insoweit ein Verbrechen in Rede steht und ob es zudem um eine schwere Straftat dieser Art geht.

Hier steht ein Verbrechen im Sinne des deutschen Strafrechts in Rede. Zum einen erfüllte der Kläger jedenfalls mit seinem (Vorflucht-)Engagement für die DHKP-C als terroristische Organisation im Ganzen einschließlich seiner eigenen Gewaltbeiträge den Tatbestand der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129 a StGB), eines Verbrechens.

Daneben hätte sich der Kläger aber im Bundesgebiet auch noch durch das Werfen von Molotowcocktails in zwei Fällen strafbar gemacht. Insoweit rechtfertigen schwerwiegende Gründe die Annahme, dass sich der Kläger damit der (versuchten) schweren Brandstiftung (§ 306 a StGB), eines Verbrechens, schuldig gemacht hätte.

Was die von § 51 Abs. 3 S. 2, 2. Alternative AuslG geforderte Schwere des Verbrechens angeht, kann es nicht darauf ankommen, ob das Verbrechen mit einer höheren Mindestfreiheitsstrafe als von einem Jahr bedroht ist. Dafür spricht bereits, dass es auch im Rahmen des § 51 Abs. 3 Satz 1, 2.Alternative AuslG in bezug auf ein Verbrechen darauf ankommt, zu welcher Freiheitsstrafe - vorausgesetzt sind insoweit mindestens drei Jahre - wegen des Verbrechens verurteilt wurde, und sich dort zudem bei einer Verurteilung wegen eines Verbrechens die hierfür vorausgesetzte "besondere Schwere" aus eben einer Verurteilung zu einer derart hohen Freiheitsstrafe ergibt (vgl. z.B. Hailbronner, 1, Ausländerrecht, Stand August 2002, Rdnrn. 37 und 37 a zu § 51 AuslG). Im Übrigen sind aber auch im Rahmen des Art. 1 F (b) GK bei der Beurteilung des Verbrechens - im Sinne einer schwerwiegenden Straftat - alle relevanten Faktoren - alle mildernden, aber auch alle erschwerenden - in Betracht zu ziehen (vgl. UNHCR Handbuch, Nrn. 155 und 157).

Schließlich geht es vorliegend auch um "nichtpolitische" Straftaten. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger aus politischen Beweggründen gehandelt hat. Entscheidend ist, ob es sich bei ihm um eine Tat handelt, die aus sich heraus eine Umsetzung politischer Überzeugung darstellt, ob also - was jedenfalls bei einer Einbindung in eine zu schwerwiegenden Gewalttaten bereite Terrororganisation bzw. eigenen verbrecherischen Terrorakten indessen nicht mehr der Fall ist - das politische Element dasjenige nach gemeinem Recht überwiegt. Dies setzt nämlich vor allem einen unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen der Straftat und ihrem angeblichen politischen Zweck und Ziel sowie - sich damit überschneidend - voraus, dass kein grobes Missverhältnis zwischen der Straftat und dem angeblich erstrebten Ziel besteht (so im Wesentlichen auch UNHCR Handbuch, Nr. 152, sowie UNHCR Standpunkt, Nr. 15). Je eindeutiger eine Straftat politischer Gesinnung zuzuschreiben ist, desto eher droht politische Verfolgung und ist es angezeigt, dem betreffenden Ausländer den Flüchtlingsstatus zuzuerkennen; je weniger dies der Fall ist, desto "unproblematischer" ist die Versagung dieser Rechtsstellung. Dass allein der Abwehr und Ahndung des Terrorismus dienende staatliche Zwangsmaßnahmen gegenüber dem aktiven Terroristen, dem Teilnehmer an Terrorakten oder dem Unterstützer solcher Aktivitäten nicht einmal dem Gewährleistungsinhalt des Asylgrundrechts unterfallen, wurde oben schon erwähnt. Nach Maßgabe dieser Kriterien ist hier von einem "nichtpolitischen" kriminellen Fehlverhalten des Klägers auszugehen.

Nach alledem erfüllt der Kläger die vom Gesetz ausdrücklich geforderten Voraussetzungen der 2. und 3. Alternative des § 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG für einen Ausschluss vom "kleinen Asyl".

Das allein vermag es jedoch nicht zu rechtfertigen, ihm den Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zu versagen, hieße dies doch letztlich, dass er nur deshalb von diesem Schutz abgeschnitten wäre, weil er schon wegen seiner Vorfluchtaktivitäten des Asyls "unwürdig" wäre. So wird denn auch in der Tat im Allgemeinen zu Art. 1 F GK, unter Berücksichtigung dessen Rechtsgedankens § 51 Abs. 3 AuslG um den Satz 2 ergänzt worden ist (vgl. die Gesetzesbegründung, a.a.O.), die Auffassung vertreten, die Regelung beruhe auf dem Gedanken der Schutzunwürdigkeit (vgl. z.B. Hailbronner, a.a.O., Rdnr. 37 zu § 51; GKAsyIVfG, Stand Juni 2002, vor 11 - 2, Rdnr. 25; BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1983 - 9 C 36.83 -, BVerwGE 67, S. 184 ff.; UNHCR Standpunkt, Nr. 22; vgl. andererseits aber auch z.B. UNHCR Handbuch, nach dem es zufolge Nr. 151 Ziel und Zweck der Ausschlussklausel des Art. 1 F (b) GK ist, die Bevölkerung des Aufnahmelandes vor der Gefahr zu schützen, die mit der Aufnahme eines Flüchtlings entstehen könnte, der ein schweres nichtpolitisches Verbrechen begangen hat, bzw. nach Nr. 157 für den Ausschluss hiernach im Falle einer Strafverbüßung, Begnadigung oder Amnestie darauf ankommt, ob der kriminelle Charakter des Antragstellers immer noch vorherrscht). Dass das in § 51 Abs. 3 Satz 2, 2. und 3. Alternative AuslG angeführte missbilligte Verhalten des Ausländers vor seiner Aufnahme als Flüchtling für sich gesehen zum Ausschluss vom Abschiebungsschutz des § 51 Abs. 1 AuslG nicht ausreichen kann, vielmehr hinzukommen muss, dass von ihm weiterhin Gefahren ausgehen, wie sie sich in seinem früheren Verhalten manifestiert haben (so auch wohl KloeseI/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht, 4. Aufl., Stand April 2002, Rdnr. 22 a, nach denen der Abschiebungsschutz im Hinblick auf die Schwere der Taten und auf das von diesen indizierte Gefahrenpotential beschränkt ist), erschließt sich schon aus der Gesetzesbegründung zu § 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG sowie dem Rechtscharakter der Maßnahme, um deren Durchführung es geht, vor allem aber aus verfassungsrechtlichen Erwägungen.

Insbesondere aber folgt das Erfordernis einer fortbestehenden Gefahrenlage aus der grundrechtlichen Asylgewährleistung. Insoweit gilt im Wesentlichen nichts anderes als im Zusammenhang mit der Frage, ob mit Rücksicht auf das Verfassungsrecht über den Wortlaut der Ausschlusstatbestände des § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG hinaus eine hinreichend sichere Wiederholungsgefahr erforderlich ist (zur 1. Alternative bejaht BVerwG, Urteil vom 5. Mai 1998 - 1 C 17.97 -, Buchholz 402.240 § 45 Nr. 13; zur 2. Alternative bejaht BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 1975 - I C 46.69 -, a.a.O. - noch zu § 14 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965 -; BVerwG, Urteil vom 16. November 2000 - 9 C 6.00 -, NVwZ 2001, S. 442 ff.).

Dazu ist zunächst hervorzuheben, dass die Ausschlussvorschrift des § 51 Abs. 3 . AuslG unabhängig davon, ob im Einzelfall der Asylanspruch oder - wie hier - nur der Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG geltend gemacht wird, sowohl zum Wegfall des aus dem Asylrecht folgenden Abschiebungsschutzes als auch zum Wegfall des Abschiebungsschutzes für politische Flüchtlinge nach § 51 Abs. 1 i.V.m. Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 AuslG führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 1999 - 9 C 31.98 -, BVerwGE 109, S. 1 ff.). Von daher bedarf es in jedem Fall einer Vereinbarkeit der Ergänzung des § 51 Abs. 3 AuslG durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz mit der Gewährleistung des Asylgrundrechts bzw. einer entsprechenden verfassungskonformen Auslegung des Satzes 2 der Bestimmung.

Vor diesem Hintergrund ist aus verfassungsrechtlichen Gründen zu verlangen, dass über die gesetzlich festgelegten Tatbestandsmerkmale der 2. und 3. Alternative des § 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG hinaus der Ausländer weiterhin entsprechend seinem Auftreten vor seiner Aufnahme als Flüchtling als Gefahr auch für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland - als Teil der Staatengemeinschaft - bzw. auch für die Allgemeinheit hier - als Teil der Weltbevölkerung - zu betrachten ist. Deswegen kommt es auch darauf an, ob sich der Kläger tatsächlich, wie er geltend macht, von der DHKP-C losgesagt hat, insbesondere auch nicht etwa nach Art eines so genannten "Schläfers" von dieser Organisation - einschließlich ihrer Unterorganisationen - oder einer vergleichbar terroristisch aktiven ähnlichem Gedankengut verpflichteten Gruppierung gegebenenfalls zu "reaktivieren" bzw. "aktivieren" sein dürfte.

Dazu, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 Satz 2, 2. und 3. Alternative AuslG im oben dargestellten Sinne aus Gründen des Verfassungsrechts eng auszulegen sind, zwingt die Rechtsfolge des Ausschlusses vom Abschiebungsschutz des § 51 Abs. 1 AuslG, nämlich die dem Refoulement-Verbot widersprechende Zulässigkeit der Abschiebung eines Asylberechtigten in den Verfolgerstaat, die irreparable Folgen für Leib und Leben des Ausländers nach sich ziehen kann.

In dem Zusammenhang ist zunächst hervorzuheben, dass dem Asylrecht des Artikel 16 a GG der Ausschluss sogenannter Asylunwürdiger fremd ist, insbesondere die Ausschlusstatbestände des Art. 1 F GK das Asylrecht des politisch Verfolgten nach Art. 16 a GG nicht einschränken. Zu letzterem hat das Bundesverwaltungsgericht, nachdem es schon mit Urteil vom 7. Oktober 1975 - 1 C 46.69 - (a.a.O.) von seiner bis dahin vertretenen Rechtsauffassung abgerückt war, dass das Asylrecht den gleichen Schranken unterliege, wie sie die Genfer Konvention setze, in seiner Entscheidung vom 17. Mai 1983 - 9 C 36.83 - (a.a.O.) ausgeführt, Art. 1 F GK, der die Täter bestimmter schwerer Verbrechen von der Anwendung des Abkommens ausnehme, sei nicht Ausdruck eines Rechtsgrundsatzes mit Verfassungsrang und könne daher als niederrangiges Recht den Geltungsbereich eines unbeschränkt gewährleisteten Grundrechts nicht begrenzen; eine völkerrechtliche Pflicht zur Asylverweigerung werde durch die Genfer Konvention nicht begründet (vgl. zum Vorstehenden auch z.B.: BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1959 - 1 BvR 193/57 -, BVerfGE 9, S. 174 f.; Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147 u.a./80 -, NJW 1980, S. 2641 f.; Kemper, Probleme des Asylrechts in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, ZAR 1986, S. 3 f.; Gusy, Grenzen des Asylrechts, in: Beitz/Wollenschläger, Handbuch des Asylrechts, Band 1, 1980, S. 247 f., 264 f.; Hailbronner, a.a.O., Rdnr. 13 zu § 51 AuslG und Rdnr. 51 zu Art. 16 a GG).

Die mit dem Ausschluss vom Abschiebungsschutz verbundene Rechtsfolge kann unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Asylgrundrecht gemäß § 16 a Abs. 1 GG nicht unter einem Gesetzesvorbehalt steht, nur gerechtfertigt sein, wenn sie durch die Berücksichtigung anderer Grundrechte oder anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter Rechtswerte - als "ultima ratio" - geboten ist, wenn mit anderen Worten sonst die "Opfergrenze" des asylgewährenden Staates überschritten wäre. Eine den Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat ausschließende Norm genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen mithin nur, wenn bzw. soweit mit ihr die in Rede stehende Kollision im Wege praktischer Konkordanz gelöst wird, wenn sie sich in diesem Sinne als Konkretisierung "verfassungsimmanenter Schranken" darstellt.

Zur verfassungsfesten Rechtfertigung für das Zurücktreten des Asylrechts kommt so nur - wie es bereits aus dem Rechtscharakter der durch § 51 Abs.3 AuslG "freigegebenen" Maßnahme folgt - die Abwehr fortbestehender, dem Verhalten des Ausländers vor der Flüchtlingsaufnahme entsprechender Gefahren für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bzw. die Allgemeinheit hier in Betracht. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 7. Oktober 1975- 1 C 46.69 - (a.a.O.) ausgeführt, die Sicherheit des Staates als verfasster Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm zu gewährleistende Sicherheit seiner Bevölkerung seien Verfassungswerte, die mit anderen im gleichen Rang stünden und unverzichtbar seien, weil die Institution Staat von ihnen die eigentliche und letzte Rechtfertigung herleite.

In den Blick zu nehmen ist insoweit allerdings auch die Entstehungsgeschichte der Erweiterung des § 51 Abs.3 AuslG um die in Art. 1 F GK aufgeführten Tatbestände. Die Aufnahme dieser Ausschlussgründe geht, wie schon mehrfach betont und wie es auch ausdrücklich in die Gesetzesbegründung aufgenommen ist, auf die nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Art. 24 Abs. 2 GG (vgl. z. B. Mangoldt-Klein- Starck, Bonner Grundgesetz, 4. Auflage, Rdnr. 77 zu Art. 24) - dem sich der Bund nach Maßgabe dieser Norm zur Wahrung des Friedens eingeordnet hat - entsprechend ihrer Zielsetzung zur weltweiten Bekämpfung des internationalen Terrorismus gefasste Resolution 1373 (2001) zurück, mit der der Sicherheitsrat unter anderem beschlossen hat, dass alle Staaten den Terroristen und ihren Unterstützern einen sicheren Zufluchtsort verweigern werden (Nr. 2 c der Resolution), und alle Staaten unter anderem aufgefordert hat sicherzustellen, dass diese Personen den Flüchtlingsstatus nicht missbrauchen (Nr. 3 g der Resolution). Mit Rücksicht hierauf muss es für ausreichend erachtet werden, dass a u c h die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bzw. ihrer Bevölkerung eben als Te i I des kollektiven Sicherheitssystems bzw. der hierdurch geschützten Bevölkerung gefährdet ist.

Was schließlich den Prognosemaßstab in Bezug auf die künftige Gefährdung der in Rede stehenden Verfassungswerte angeht, begegnet es jedenfalls im Bereich der Terrorismusbekämpfung unter den Gesichtspunkten der 2. und 3. Alternative des § 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG mit Rücksicht auf das Ausmaß der drohenden Rechtsgutsverletzungen und die konspirativen Zusammenschlüsse dieser Art - wie der DHKP-C, gerade auch was ihr Wirken in Deutschland angeht (vgl. z.B. die Informationsschrift des Bundesamtes vom März 2000, m.w.N.) - innewohnende hohe Gefährlichkeit - die sich nicht zuletzt aus der Schwierigkeit einer Enttarnung der (noch aktiven) Mitglieder ergibt, vor allem dann, wenn es sich bei ihnen um so genannte "Schläfer" handelt - keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn von dem vor seiner Aufnahme als Flüchtling in der Richtung auffällig gewordenen Ausländer - wie bei einer widerlegbaren Vermutung - verlangt wird, dass er glaubhaft dartut, dass er sich endgültig von dem betreffenden Umfeld gelöst hat. Dass dies auch der Intention des Gesetzgebers entspricht, folgt für den Senat daraus, dass es anders als in § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG - im Rahmen des Satzes 2 der Bestimmung nach dem Gesetzeswortlaut nur auf das "Fehlverhalten" in der Vergangenheit ankommt, und sich der Gesetzgeber, wie sich seiner Begründung zu Satz 2 entnehmen lässt, sehr wohl der oben aufgezeigten Schwierigkeiten der Terrorismusbekämpfung bewusst war und es ihm von daher darum ging, insoweit verdächtige Ausländer durch die Versagung des Abschiebungsschutzes gemäß § 51 Abs. 1 AuslG "unter Kontrolle" zu behalten.

Der Würdigung des Senats, dass gegen eine solche "Beweislastverteilung" aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern ist, liegt maßgeblich die Erwägung zugrunde, dass der politisch Verfolgte, sofern ihm Gefahren im Sinne des § 53 AuslG drohen, auch bei einem Ausschluss vom Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG nicht in den Verfolgerstaat abgeschoben werden kann, so dass eine Preisgabe des Menschenrechtsschutzes nicht zu befürchten ist (vgl. hierzu z.B.: BVerwG, Urteile vom 30. März 1999 - 9 C 31.98 -, a.a.O. und vom 16. November 2000 - 9 C 6.00 - a.a.O.).