VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.03.2003 - A 9 S 1089/01 - asyl.net: M3497
https://www.asyl.net/rsdb/M3497
Leitsatz:

Der durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ausgesprochene Widerruf der Feststellung, dass Abschiebungshindernisse vorliegen, kann in eine erneute Feststellung des Bundesamtes umgedeutet werden, dass keine Abschiebungshindernisse bestehen.

Die Stellung eines Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland und ein Auslandsaufenthalt begründen für togoische Staatsangehörige keine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung in ihrem Heimatland und begründen somit auch keine Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (im Anschluss an die Rechtsprechung des 13. Senats des erkennenden Gerichtshofs im Urteil vom 27.11.1998 A 13 S 1913/96 -).

Die bloße Mitgliedschaft, sei sie auch formal herausgehoben, in einer oppositionellen togoischen Exilorganisation in der Bundesrepublik Deutschland hat nach wie vor nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Vefolgungsmaßnahmen in Togo zur Folge und begründet daher auch keine Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (wie VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.11.1998 a.a.O.).(Amtliche Leitsätze)

 

Schlagwörter: Togo, Abschiebungshindernis, Widerruf, Umdeutung, Erneute Feststellung, Antragstellung als Asylgrund, Auslandsaufenthalt, Aufenthaltsdauer, Exilpolitische Betätigung, Überwachung im Aufnahmeland, Situation bei Rückkehr, Versorgungslage, Extreme Gefahrenlage
Normen: AuslG § 53 Abs. 4; AuslG § 53 Abs. 6; AuslG § 73 Abs. 3; VwVfG § 47 Abs. 1
Auszüge:

Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG liegen in Bezug auf Togo nicht vor.

Der erkennende Gerichtshof hat zuletzt in seinem Urteil vom 22.11.2000 - A 13 S 1205/97 - entschieden, dass weder die Stellung eines Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland noch der Auslandsaufenthalt als solcher ein "ernsthaftes Risiko" bzw. die "reale Gefahr" einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in Togo bergen (so schon Urteile vom 03.07.1996 - A 13 S 578/96 -, vom 05.12.1996 - A 13 S 2453/96 - und vom 27.11.1998 - A 13 S 1913/96 -).

In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist weiter geklärt, dass eine exilpolitische Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mittelbare oder unmittelbare staatliche Verfolgung, insbesondere eine menschenrechtswidrige Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK drohen könnte. Dies gilt für die bloße Mitgliedschaft in einer togoischen Exilorganisation, aber auch für Tätigkeiten, die mit dieser Mitgliedschaft im Rahmen der "gewöhnlichen Parteiarbeit" ohne weiteres verbunden sind, wie z.B. die Teilnahme an Versammlungen und Parteiveranstaltungen sowie die Weitergabe von Informationen innerhalb der Organisation. Auch eine nominell herausgehobene Stellung innerhalb einer exilpolitischen Organisation in der Bundesrepublik Deutschland begründet für sich nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Falle der Rückkehr nach Togo. Gefährdet können lediglich solche Personen sein, deren politisches Engagement vom Staatspräsidenten und den ihn stützenden Kreisen als konkrete Gefährdung des Herrschaftsanspruchs des Regimes eingeschätzt wird. Dies gilt insbesondere für aus politischen Gründen desertierte Angehörige der Sicherheitskräfte sowie für abtrünnige ehemalige Regierungsbeamte, weil in diesen Fällen der Bereich der Sicherheitskräfte als des wichtigsten Machtinstruments berührt ist, und für Angehörige der extremistischen, gewaltbereiten Opposition sowie deren Familienangehörige (vgl. hierzu und zum vorstehenden VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2000, a.a.O.).

Auch die seit Ergehen der genannten Entscheidung gewonnenen neuen Erkenntnisse rechtfertigen keine andere Bewertung. Zwar wird auch im jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes ausgeführt, dass für Togo nach wie vor die große Diskrepanz zwischen den formellen Rechten und ihrer Beachtung im Alltag charakteristisch sei. Das wiederholte Eingreifen der Sicherheitskräfte in die innenpolitische Auseinandersetzung sei die Hauptursache schwerer Menschenrechtsverletzungen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Menschenrechte grundsätzlich geachtet bzw. dass von Sicherheitsbeamten begangene Menschenrechtsverletzungen disziplinarisch oder gerichtlich verfolgt würden. Die Regierung sei auch in der jüngeren Vergangenheit wiederholt mit Verhaftungen und Beschlagnahmungen gegen die - zum Teil sehr kritische - Oppositionspresse vorgegangen. Es habe immer wieder tätliche Angriffe der Sicherheitskräfte oder nicht feststellbarer Personen auf Oppositionelle gegeben. Bei den meisten Überfällen auf Mitglieder der Oppositionsparteien sei aber nicht ersichtlich, ob die sie verübenden Sicherheitskräfte auf Anordnung oder aus eigenem Antrieb handelten. In vielen Fällen könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass Repressionsmaßnahmen durch Mitglieder der Regierung oder der Staatsführung angeordnet würden. Die Täter müssten jedenfalls kaum damit rechnen, für ihre Taten zur Verantwortung gezogen zu werden. Repressionsopfer seien vor allem politisch aktive Mitglieder der Opposition. Dabei sei weniger der Rang in oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei als der Grad der politischen Aktivität ausschlaggebend (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 02.10.2002).

Andererseits ist in dem genannten Lagebericht ausgeführt, es sei nach wie vor nicht erkennbar, dass die bloße Asylantragstellung bzw. der Auslandsaufenthalt bei einer Rückkehr zu Übergriffen führen würde. Erfahrungen aus der jüngeren Vergangenheit zufolge seien die togoischen Behörden in der Regel um korrekte Behandlung der Rückkehrer bemüht, um weder den deutschen Behörden noch den togoischen Exilorganisationen Anlass zur Kritik zu geben. Auch nach dem Deutschlandbesuch von Staatspräsident Eyadema im Oktober 2000, bei dem es zu Protestdemonstrationen gekommen war, habe keine Änderung der Behandlung von Rückkehrern festgestellt werden können. Es sei aber nicht auszuschließen, dass Grenzkontroll- oder andere Beamte Rückkehrer in Einzelfällen nicht korrekt behandelten. Gegenüber dem Auswärtigen Amt sei in mehreren Fällen vorgetragen worden, verschiedene aus Deutschland rückgeführte togoische Staatsangehörige seien nach ihrer Rückkehr Opfer staatlicher Repressionen geworden. Allen konkret vorgetragenen Behauptungen dieser Art sei das Auswärtige Amt nachgegangen. In keinem Fall hätten sich solche Behauptungen bei der Nachprüfung bestätigt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 02.10.2002).

Nichts anderes gilt hinsichtlich exilpolitischer Aktivitäten. Das Auswärtigen Amt führt in dem jüngsten Lagebericht Togo hierzu aus, ihm sei nicht bekannt, in welchem Maße sich togoische Behörden Informationen über togoische Asylbewerber in Deutschland verschaffen könnten. Politische Aktivitäten togoischer Asylberechtigter und Asylbewerber in Deutschland würden von togoischen Regierungskreisen nach wie vor beachtet. Sie hätten wiederholt Anlass zu einzelnen, irritierten Anfragen von offizieller Seite gegeben. Es sei anzunehmen, dass die togoische Regierung grundsätzlich an den Aktivitäten von togoischen Exilorganisationen in Deutschland interessiert sei und dafür auch eigene Kontakte zu diesen Organisationen nutze. Die bloße Mitgliedschaft in einer Exilorganisation löse nach den dem Auswärtigen Amt vorliegenden Erkenntnissen jedoch keine Repressionen aus (vgl. Lagebericht, vom 02.10.2002).

Diese Einschätzung wird gerade dadurch bestätigt, dass selbst die Vorfälle anlässlich des Expo-Besuches von Präsident Eyadema nicht zu einer Gefährdung von Rückkehrern geführt haben.

Den Auskünften lässt sich jedenfalls entnehmen, dass auch die Demonstrationen auf der Expo nicht zu einer Änderung der Behandlung von Rückkehrer geführt haben, jedenfalls solcher, die nicht "in vorderster Linie" an den Demonstationen auf der Expo teilgenommen haben. In dieses Bild fügt sich die Auskunft des Bundesnachrichtendienstes vom 11.06.2002 an das VG Schwerin ein. Danach liegen dem Bundesnachrichtendienst Hinweise aus der exilpolitischen Szene Togos aus dem Jahr 2000 vor, die besagen, die togoischen Geheimdienste beobachteten die Auslandsopposition auch in Deutschland. Eine Bestätigung hierfür gebe es nicht. Eine systematische Beobachtung durch die Togoer Geheimdienste in Deutschland wird durch den Bundesnachrichtendienst jedoch aufgrund der dortigen Personalsituation für kaum realisierbar eingeschätzt. Es sei freilich davon auszugehen, dass Versuche unternommen würden, mittels Informanten eine Ausforschung der oppositionellen Szene zu betreiben.

Die sonstigen vorliegenden Erkenntnisse führen zu keiner anderen Einschätzung. In der Auskunft des UNHCR vom 16.08.2001 an das VG Hamburg ist ausgeführt, die Demonstration togoischer Staatsangehöriger auf der Expo am 25.10.2000 stelle insofern eine unübliche exilpolitische Veranstaltung dar, als sie zumindest teilweise direkt unter den Augen des togoischen Präsidenten stattfand. Entsprechend sei davon auszugehen, dass seitens des togoischen Geheimdienstes alles daran gesetzt worden sei, die Teilnehmer dieser Demonstration zu identifizieren. In unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Demonstration sei deshalb zu befürchten gewesen, dass jeder einzelne Teilnehmer unabhängig von seinem dortigen Auftreten und seinem sonstigen politischen Profil einer Gefährdung im Falle seiner Rückkehr unterliegen würde. Nach Ablauf mehrerer Monate seit dem Ereignis sei bei Personen, die sich bei der Demonstration völlig im Hintergrund gehalten hätten und bei denen auch keine weiteren Risikofaktoren vorlägen, von einer ernstzunehmenden Gefährdung jedoch nicht mehr auszugehen.

Es seien die jeweils im Einzelfall hinzutretenden Umstände für die Gefährdungsprognose von ausschlaggebender Bedeutung. Sei der betreffende Asylsuchende exilpolitisch und außerhalb rein interner Parteitreffen aktiv - unabhängig von seiner konkreten Stellung oder Funktion -, so erhöhe dies die Wahrscheinlichkeit von Repressalien im Falle seiner Rückkehr nach Togo. Wenngleich diese Auskunft eine gewisse Gefährdung von Teilnehmern an der Demonstration auf der Expo - jedenfalls derer in "vorderster Linie" - annimmt, lässt sich ihr nicht entnehmen, dass sich die togoische Praxis gegenüber Rückkehrern grundlegend geändert hätte und dass Rückkehrer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Repressalien zu rechnen hätten. Gleiches gilt hinsichtlich der Auskunft von amnesty international vom 29.01.2001. Darin heißt es, mangels Kenntnis von Referenzfällen könne amnesty international nicht mit letztendlicher Sicherheit einschätzen, ob exilpolitische Aktivitäten togoischer Staatsangehöriger auf der Expo im Falle einer Rückkehr zu staatlichen Zwangsmaßnahmen führten. Es sei jedoch bekannt, dass Teilnehmer an den Veranstaltungen vom 25.10.2000 von Regierungsanhängern und Sympathisanten gefilmt und fotografiert worden seien. Demzufolge sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Teilnehmer an derartigen Aktionen den togoischen Behörden bekannt geworden seien.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die bloße Asylantragstellung sowie exilpolitische Betätigung jedenfalls dann nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer menschenrechtswidrigen Behandlung begründet, wenn der Betroffene sich nicht in einer Weise exponiert hat, die dem togoischen Regime den Eindruck erweckt, es werde von der konkreten Aktivität bedroht.

Eine derartige Betätigung liegt bei dem Kläger nicht vor. Sie lässt sich zunächst dessen Angaben über seine politischen Aktivitäten in Togo nicht entnehmen. Sein entsprechender Vortrag ist nicht glaubhaft.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet in einer Weise auffällig gewesen wäre, die sich dem togoischen Regime als bedrohlich darstellen würde. Dass er wegen seiner individuellen Aktivitäten bei einer Rückkehr gefährdet wäre, kann sonach ebenfalls nicht angenommen werden.

Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1 bis 3 AuslG liegen gleichfalls nicht vor.

Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 AuslG liegen gleichfalls nicht vor.

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist in Togo gewährleistet. Lokale Notsituationen aufgrund von Naturkatastrophen oder Missernten konnten bislang stets durch nationale oder internationale Hilfsmaßnahmen behoben werden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 01.10.2002).