VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.09.2002 - A 14 S 469/01 - asyl.net: M3573
https://www.asyl.net/rsdb/M3573
Leitsatz:

Kein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 bis 4, 6 AuslG, da für die Klägerinnen bei Rückkehr in den Kosovo dort keine lebensbedrohende Gefahr besteht; die vorgebrachten gesundheitlichen Beschwerden geben keine Anhaltspunkte für eine unmittelbar nach ihrer Rückkehr in den Kosovo drohende ernsthafte Erkrankung (Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Jugoslawien, Kosovo, Albaner, Minderjährige, Krankheit, Infektionsanfälligkeit, Bronchitis, Kiefererkrankung, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Versorgungslage, Existenzminimum, Hilfsorganisationen, Unterbringung, Verminung, Übergriffe, Organisierte Kriminalität, Mitrovica, Allgemeine Gefahr, Extreme Gefahrenlage
Normen: AsylVfG § 71; VwVfG § 51; AuslG § 53 Abs. 6 S. 1
Auszüge:

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist vorliegend allein der Anspruch der Klägerinnen auf Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG.

Anhaltspunkte dafür, dass im Fall der in der Bundesrepublik geborenen Klägerinnen ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG begründet sein könnte, liegen nicht vor.

Im Ergebnis zu Recht wird im angefochtenen Urteil auch ein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG verneint.

lm Hinblick auf die allgemeine Situation im Kosovo besteht eine extreme Gefahrenlage für die Klägerinnen im Falle ihrer Rückkehr dorthin nicht. Die Klägerinnen müssen bei einer Rückkehr in den Kosovo dort weder mit einem Leben unter dem Existenzminimum noch mit sonstigen lebensbedrohenden Gefahren und Nachteilen rechnen. Der Senat hat in seinem Urteil vom 16.03.2000 - A 14 S 2443/98 - hierzu im Einzelnen folgendes ausgeführt:

Ein Leben über dem Existenzminimum ist im Kosovo durch die Anwesenheit der KFOR- Truppen, der Zivilpräsenz der UNO und durch die Aktivitäten zahlreicher Hilfsorganisationen gewährleistet... An dieser Einschätzung hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest.

Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet der vielfältigen Wiederaufbauprogramme und Hilfsprojekte für den Kosovo mittlerweile eine extreme allgemeine Gefahrenlage im Sinne des § 53 Abs. 6 AuslG eingetreten sein könnte, sind nicht ersichtlich. Aus neueren Erkenntnissen, wie etwa dem ad hoc-Lagebericht des Auswärtigen Amts zum Kosovo vom 04.06.2002, ist vielmehr zu entnehmen, dass sowohl die Grundversorgung mit Lebensmitteln als auch die medizinische Betreuung und Versorgung zwischenzeitlich erheblich verbessert werden konnten.

Ebenso wenig steht der Klägerin Ziff. 2 mit Rücksicht auf die bei ihr festgestellten gesundheitlichen Beschwerden ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu.

Die in den ärztlichen Attesten vom 27.06.2001 und vom 26.09.2002 bestätigte, durch eine Frühgeburt bedingte erhebliche Infektanfälligkeit und das hyperreagible Bronchialsystem der Klägerin geben keine Anhaltspunkte für eine unmittelbar nach ihrer Rückkehr in den Kosovo drohende ernsthafte Erkrankung. Nach dem vom Verwaltungsgericht erhobenen Gutachten des Staatlichen Gesundheitsamts Mannheim vom 11.01.2001 sind die bei der Klägerin festgestellten Erkrankungen, mit deren Auftreten allerdings auch in Zukunft zu rechnen ist, durchaus alterstypisch. Eine spezielle, im Vergleich zu anderen Kindern dieser Altersstufe ungewöhnliche gesundheitliche Gefährdung besteht danach nicht. Auch ist die Klägerin ausweislich des Gutachtens nicht auf eine ständige medizinische Behandlung angewiesen. Selbst wenn im Fall der Klägerin eine über das normale Maß hinausgehende Infektanfälligkeit unterstellt wird, reicht die hierdurch bedingte höhere Wahrscheinlichkeit einer derartigen Erkrankung jedenfalls nicht aus, von einer unmittelbaren Gefahr für Leben und Gesundheit im Falle der Rückkehr in den Heimatstaat auszugehen.

Ebenso wenig liegt wegen der von der Klägerin Ziff. 2 zusätzlich geltend gemachten Zahnerkrankung ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG vor. Denn wenngleich als Folge des starken Kariesbefalls - nach Aussage der Mutter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung - die Entfernung aller (Milch)-Zähne im Oberkiefer erforderlich wurde und deshalb nachwirkende Folgen, etwa Missbildungen des Kiefers, nicht auszuschließen sind, kann auch insoweit von einer unmittelbar nach der Rückkehr bestehenden akuten Gesundheitsgefahr nicht ausgegangen werden.

Ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ist deshalb auch im Hinblick hierauf zu verneinen, ohne dass es noch näherer Feststellung dazu bedürfte, ob nicht die vorgenannten Erkrankungen, sollten sie später tatsächlich eintreten, auch im Kosovo durchaus erfolgreich und wirksam behandelt werden könnten.