VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Urteil vom 03.12.2002 - 11 UE 3178/99.A - asyl.net: M3579
https://www.asyl.net/rsdb/M3579
Leitsatz:

Unmenschliche oder erniedrigende Behandlung wegen Ehebruchs ist im Iran wegen der hohen Beweisanforderungen in der Praxis selten; allein wegen Konversion zum Christentum droht unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.

Schlagwörter: Iran, Flüchtlingsfrauen, Folgeantrag, Nachfluchtgründe, Ehebruch, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Strafverfolgung, Hadd-Strafen, Körperstrafen, Steinigung, Beweisanforderungen, Christen (katholische), Konversion, Apostasie, Missionierung, Religiös motivierte Verfolgung, Religiöses Existenzminimum, Abschiebungshindernis, Menschenrechtswidrige Behandlung, Beachtlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab
Normen: AuslG § 53 Abs. 4;
Auszüge:

 

Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 1996 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, ein weiteres Asylverfahren hinsichtlich der Klägerin zu 1., beschränkt auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 AuslG, durchzuführen.

Die Klägerin zu 1. hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 AuslG in der Person der Klägerin zu 1. vorliegen. Denn die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 AuslG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG liegen nicht vor.

Soweit solche Abschiebungshindernisse sich aus den Umständen vor der Ausreise der Klägerin zu 1. aus dem Iran ergeben könnten, liegen die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 VwVfG nicht vor.

Es ist nicht festzustellen, dass sich im Hinblick auf das von der Klägerin zu 1. geschilderte Vorverfolgungsschicksal die dem Erstbescheid des Bundesamtes zugrunde liegende

Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten der Klägerin zu 1. geändert hätte, neue Beweismittel vorlägen, die eine der Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden oder insoweit Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben wären.

Die Klägerin zu 1. war jedenfalls nicht ohne grobes Verschulden gehindert, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen.

Soweit sie im Folgeantragsverfahren durch ihren Bevollmächtigten hat darlegen lassen, es gehe "auf psychische Faktoren" bei ihr zurück, dass sie ihre wahren Asylgründe insbesondere im Hinblick auf ihr Schicksal vor der Ausreise aus dem Iran nicht habe darlegen können, ist dies nicht substantiiert und zureichend dargelegt.

Etwas anderes gilt, soweit die Klägerin zu 1. geltend macht, wegen ihrer früheren sexuellen Beziehung zu Herrn S. bei einer Rückkehr in den Iran unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Gefahr, einer solchen Behandlung unterworfen zu werden, der Klägerin zu 1., da sie unverfolgt aus dem Iran ausgereist ist, "mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit" drohen muss. Denn der Begriff der Gefahr in § 53 Abs. 4 AuslG in Verbindung mit Art. 3 EMRK entspricht dem des asylrechtlichen Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, wie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung zugrunde legt (BVerwG, B. v. 18.07.2001 - 1 B 71.01 -, Buchholz 402.240

§ 53 Nr. 46). Im Hinblick auf das Element der Konkretheit der Gefahr kommt im Rahmen des § 53 Abs. 4 noch das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation hinzu. Daran fehlt es im Hinblick auf die von der Klägerin zu 1. geltend gemachten Umstände, die Abschiebungshindernisse begründen sollen, im vorliegenden Falle. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG liegen im Hinblick auf die von der Klägerin zu 1. dargestellten Umstände ihrer sexuellen Beziehungen zu Herrn S. vor, wie auch das Verwaltungsgericht schon zu Recht festgestellt hat.

Ein Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 4 AuslG liegt in der Person der Klägerin zu 1. wegen ihrer sexuellen Beziehungen zu Herrn S. und der Tatsache, dass diese sexuellen Beziehungen ihrem Ehemann bekannt geworden sind, nicht vor. Ihr droht deshalb nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran Folter, unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung.

Im Iran ist Geschlechtsverkehr grundsätzlich nur innerhalb einer gültigen Ehe erlaubt. Die materielle Strafbestimmung für sexuelle Beziehungen zwischen Personen, die verheiratet sind, findet sich in Art. 83 des Islamischen Strafgesetzbuches, und damit unter den Hadd-Strafen, die nach den Vorgaben des Koran gefasst sind (amnesty international vom 3. Februar 2000 an VG München; Deutsches Orient-Institut vom 08.04.2002 an VG Wiesbaden). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass nach Art. 7 des Gesetzes über die islamischen Strafen islamische Staatsangehörige auch für Straftaten im Ausland nach den Vorschriften der Strafgesetze der Islamischen Republik Iran im Iran bestraft werden können (Deutsches Orient-Institut vom 08.04.2002 an VG Wiesbaden). Als äquivalent zu der harten Bestrafung für Ehebruch von verheirateten Personen, die mit Steinigung bestraft wird, bestehen nach dem islamischen Strafgesetzbuch sehr hohe Anforderungen an die Gewissheit über die Täterschaft. Diese Gewissheit muss praktisch absolut sein, d. h. es bestehen sehr strenge und hohe Beweisanforderungen, von denen nicht abgewichen werden darf. Erforderlich ist zum Beweis einer i!legalen sexuellen Beziehung, dass vier männliche Augenzeugen bezeugen, dass sie die Beschuldigten mit eigenen Augen beim Beischlaf gesehen haben. Es gilt das Zeugnis von mindestens vier Männern oder drei Männern und zwei Frauen, die unbescholten sein müssen (Art. 74 Islamisches Strafgesetzbuch) und die das Geschehen aus eigener Anschauung bezeugen müssen (Art. 77). Daneben gibt es das gerichtliche Beweismittel des Geständnisses der Schuldigen (Art. 68 Islamisches Strafgesetzbuch, amnesty international vom 3. Februar 2000 an VG München). Die hohen Beweisanforderungen sind in der Praxis kaum zu erfüllen. Die angedrohten Strafen werden deshalb meistens nur praktisch, wenn ein Kapitalverbrechen, z. B. die Ermordung des Ehemannes zusammenfällt mit einer unerlaubten außerehelichen Beziehung (Deutsches Orient-Institut vom 31. Januar 2001 an VG Augsburg). Auch wegen dieser praktisch kaum erfüllbaren Beweisanforderungen ist die Todesstrafe, insbesondere in der grausamen Form der Steinigung, im Iran nicht häufig praktisch geworden, es sei denn, es handelte sich um gewerbsmäßige Unzucht, also unerlaubten Geschlechtsverkehr im Rahmen der Prostitution, oder es kam zu der sexuellen Straftat ein Kapitalverbrechen wie Mord hinzu (Deutsches Orient-Institut vom 8. April 2002 an VG Wiesbaden). Auf dieser Grundlage ist auch der letzte bekannt gewordene Bericht über die Vollstreckung einer Steinigung aufgrund verbotener sexueller Beziehungen vom November 1998 (amnesty international vom 3. Februar 2000 an VG München) zu würdigen.

Dem Auswärtigen Amt sind - mit Ausnahme des politisch beeinflussten und insofern nicht vergleichbaren Falles des deutschen Geschäftsmannes Hofer - keine Fälle bekannt geworden, bei denen die Todesstrafe allein wegen des Vorwurfs der Begehung eines Sexualstraftatdelikts auch tatsächlich verhängt wurde (Auswärtiges Amt vom 12. Februar 2000 an VG Wiesbaden). Die Zeugen für den Beweis des unerlaubten Geschlechtsverkehrs müssen den Verkehr selbst gesehen haben, ihre Aussagen dürfen nicht voneinander abweichen und sie müssen unabhängig voneinander und unmittelbar hintereinander aussagen, und zwar das gleiche. Bei Sexualstraftaten, die länger zurückliegen und zudem im Ausland begangen wurden, ist eine Bestrafung äußerst unwahrscheinlich (Auswärtiges Amt vom 6. Juni 2002 an VG Köln).

Auf dieser Grundlage droht der Klägerin zu 1. bei einer Rückkehr in den Iran nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erniedrigende oder unmenschliche Bestrafung bzw. Behandlung wegen ihrer außerehelichen sexuellen Beziehung zu Herrn S. in Deutschland bis zum November 1996.

Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Beziehung seit mehr als sechs Jahren beendet ist. Zum einen erscheint es deshalb in Ansehung der hohen Beweisanforderungen für eine Verurteilung wegen außerehelicher sexueller Beziehungen nach dem islamischen Strafrecht unwahrscheinlich, dass es nach so langer Zeit noch zu einer Verurteilung kommt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die oben geschilderten Beweisanforderungen durch Augenzeugen insoweit erfüllt werden können. Zum anderen dürfte nach den oben genannten Erkenntnissen auch der Umstand, dass die Klägerin zu 1. diese Beziehung vor mehr als sechs Jahren beendet hat, maßgeblich dagegen sprechen, dass im Hinblick darauf noch eine Verurteilung und Bestrafung im Iran erfolgt. Wenn es schon bei entsprechenden Delikten, die im Iran begangen werden, zu erheblichen Beweisschwierigkeiten mit der Folge kommt, dass praktisch kaum Verurteilungen allein wegen illegaler außerehelicher sexueller Beziehungen bekannt sind, dürfte dies erst recht für eine vor mehr als sechs Jahren abgeschlossene sexuelle Beziehung im Ausland gelten. Ein Strafverfolgungsinteresse dürfte insoweit auch unter dem oben genannten Gesichtspunkt, dass diese außereheliche sexuelle Beziehung im Iran nicht zu einem offenbaren sozialen Konflikt geführt hat, auch wenn sie über den Ehemann der Klägerin zu 1. Verwandten des Ehemanns bekannt geworden sein sollte, kaum bestehen. Eine Verurteilung mit dem Ausspruch der oben bezeichneten drastischen Strafen, die - wie insbesondere die Steinigung - eine erniedrigende Behandlung darstellen, ist deshalb nicht wahrscheinlich.

Ein Abschiebungshindernis ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Klägerin in Deutschland zum Katholizismus konvertiert ist. Unter diesem Gesichtspunkt droht ihr bei einer Rückkehr in den Iran nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erniedrigende oder unmenschliche Behandlung. Der Übertritt vom Islam zum Christentum ist nach dem iranischen Strafrecht nicht strafbar. Nach religiösen Regeln stellt allerdings der Tatbestand des "Abfalls vom Glauben" einen schweren Verstoß gegen die islamischen Regeln dar. Für die staatlichen Behörden kann der Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion deshalb relevant werden, weil damit der Verdacht begründet wird, dass sich der Betroffene politisch anders orientiert und Verbindungen zu ausländischen Gruppen pflegt, die nicht der Islamischen Republik Iran nahe stehen (Deutsches Orient-Institut vom 19. August 2000 an VG Gelsenkirchen). Unter bestimmten Umständen kann im Einzelfall auf dieser Grundlage die Konversion auch als Anhaltspunkt dafür genommen werden, dass jemand einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem unternehmen will, was mit der Todesstrafe bedroht ist.

Einer Frau, die vom Islam zum Christentum konvertiere, droht auch religionsgesetzlich nicht die Todesstrafe, sondern die Bestrafung mit 100 Peitschenhieben. Konvertiten müssen wie auch im Übrigen Angehörige von religiösen Minderheiten im Iran mit staatlicher Benachteiligung und Diskriminierung rechnen. Dies gilt auch für die gesellschaftliche Ebene, auf der es zu einer Isolation in familiärer und sozialer Hinsicht kommen kann (Deutsches Orient-Institut vom 28. Februar 2001 an VG München). Solange sich die Angehörigen der anerkannten christlichen Minderheiten im Iran an die vorgegebenen Restriktionen insbesondere im Hinblick auf das Missionierungsverbot in der Öffentlichkeit halten, gibt es keine Toleranzprobleme im Hinblick auf die nichtöffentliche Religionsausübung (Deutsches Orient-Institut vom 28. Februar 2001 an Niedersächsisches OVG).

Allerdings dauert die seit den Anfangsjahren der islamischen Revolution bestehende Diskriminierung religiöser Minderheiten, vor allem in wirtschaftlicher, beruflicher und sozialer Hinsicht, wenn auch in abgeschwächter Form, an. Traditionell im Iran vertretene armenische Christen und Zoroastrier sind in die Gesellschaft integriert und nicht auf die Gruppe gerichteten staatlichen Repressionen ausgesetzt. Auch christliche Kirchengemeinden, die ihre Arbeit ausschließlich auf die Angehörigen der eigenen Religion beschränken, werden vom Staat nicht systematisch behindert oder verfolgt. Wird allerdings Missionierungsarbeit betrieben, besteht die Gefahr staatlicher Repression, die sich aber ganz überwiegend gezielt gegen die Kirchenführer und in der Öffentlichkeit besonders Aktive, nicht aber gegen einfache Gemeindemitglieder, richten (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Iran vom 15. Juli 2002).

Insgesamt ist daraus zu entnehmen, dass allein wegen der Konversion vom Islam zum Christentum keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Soweit dies dann zu besorgen ist, wenn konvertierte Christen missionierend gegenüber Muslimen tätig werden, ist darauf zu verweisen, dass dies nicht durch das asylrelevante "religiöse Existenzminimum" umfasst und geschützt ist. Denn dieses umfasst nur die Religionsausübung im häuslich-privaten Bereich und die Möglichkeit zum religiösen Bekenntnis im nachbarschaftlich- kommunikativen Bereich, nicht aber die werbende Tätigkeit für die eigene Religion in der Öffentlichkeit (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. November 1989 - 2 BvR 403/84 u. a. -, BVerfGE 81, 58). Der Umstand, dass nicht völlig auszuschließen ist, dass eine Konversion staatlichen Stellen bekannt wird und es auf dieser Grundlage zu asylrelevanten

Maßnahmen gegen den Konvertiten kommen kann, reicht ohne das Hinzutreten weiterer

besonderer Umstände nicht aus, um die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung wegen des Übertritts vom Islam zum Christentum im Iran zu bejahen.

Dies gilt auch im vorliegenden Einzelfall für die Klägerin zu 1.

Aus dem Vorbringen der Klägerin zu 1. ist zu entnehmen, dass sie aufgrund längerer

Vorbereitung und ernsthaften Erwägungen vom Islam zum Katholizismus übergetreten ist. Ihre Entscheidung erscheint ernsthaft und sehr gefestigt, wie dies auch in der Taufe der Klägerin zu 1. wenige Tage vor der Beweisaufnahme am 14. Oktober 2002 zum Ausdruck kommt. Gleichwohl ist nicht davon auszugehen, dass ihr aufgrund der Konversion und der Gespräche mit befreundeten Musliminnen in Frankfurt am Main über die christliche Religion bei einer Rückkehr in den Iran deshalb unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Aufgrund der Auswertung des Inhalts der oben dargestellten Erkenntnisquellen ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine Konvertitin, die in Europa vom Islam zum Christentum übergetreten ist, deshalb politische Verfolgungsmaßnahmen drohen.

Zum einen sind durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass die Konversion der Klägerin zu 1. staatlichen iranischen Stellen bekannt geworden wäre oder bekannt würde, weder von der Klägerin zu 1. dargelegt worden noch im Übrigen ersichtlich. Im Übrigen ist auch im Falle des Bekanntwerdens der Konversion im Iran nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Klägerin zu 1. allein deshalb unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Denn den oben dargestellten Erkenntnisquellen ist zu entnehmen, dass allgemein ein vom Islam zum Christentum übergetretener Konvertit in der Regel nicht aufgrund seiner Abkehr vom islamischen Glauben bei einer Rückkehr in den Iran Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt ist, soweit nicht besondere Einzelfallumstände hinzukommen (vgl. zur Bewertung im Ergebnis ebenso: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, U. v. 26.10.1999 - 5 L 3180/99).

Diese Wertung gilt für die Klägerin zu 1. auch unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass sie - wie sie in der Beweisaufnahme bekundet hat und aus den oben bezeichneten Erklärungen ihrer Bekannten N. K. und N. N. zu entnehmen ist - mit befreundeten Musliminnen über das Christentum spricht und sie zu der Frauengruppe in der Liebfrauengemeinde in Frankfurt am Main einlädt und ihre Freundinnen zu bewegen sucht, auch Christinnen zu werden. Dabei handelt es sich entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten in seinem Schriftsatz vom 31. Oktober 2002 nicht um eine Missionierungsarbeit, die von staatlichen Stellen im Iran als Angriff auf den Islam angesehen würde, was Misshandlung, Folter u. ä. für die Klägerin zu 1. im Iran nach sich ziehen würde. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass nach den oben ausgewerteten Erkenntnisquellen Ansatzpunkte für staatliche Maßnahmen im Iran nur bei einer Missionierung im Iran selbst bekannt geworden sind. In den von der Klägerin zu 1. geschilderten Gesprächen mit befreundeten muslimischen Frauen in Frankfurt am Main über den christlichen Glauben und die von ihr besuchte Frauengruppe der Liebfrauengemeinde ist keine "Missionierung" im oben dargestellten Sinne zu sehen. Der Umstand, dass jemand seinen christlichen Glauben gegenüber Dritten positiv vertritt, stellt keine Missionierung dar. Dies gilt auch, soweit die Klägerin zu 1. gegenüber ihren muslimischen Freundinnen zum Ausdruck bringt, sie würde sich wünschen, dass auch diese zum christlichen Glauben überträten. Da sich die Gespräche der Klägerin zu 1. über den christlichen Glauben auf ihren näheren Freundinnenkreis beschränken, erscheinen diese Aktivitäten insgesamt als zu unbedeutend und zu gering, um sie als Missionierungstätigkeit einzuordnen, an die bei einer Rückkehr in den Iran staatliche Repressionsmaßnahmen angeknüpft würden.

Unabhängig davon gibt es aus dem Vorbringen der Klägerin zu 1. auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sie bei einer Rückkehr in den Iran dort missionierend für das Christentum tätig sein wollte.

Im Übrigen wären staatliche Repressalien im Iran wegen Missionierung für das Christentum auch nicht als politische Verfolgung zu werten. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zählt die Missionierung für eine Religion nicht zu dem "religiösen Existenzminimum" (BVerfG, B. v. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u. a. -, DVBI. 1988, 45). Das Asylrecht schützt grundsätzlich nicht vor staatlichen Maßnahmen, die sich gegen die Religionsausübung in der Öffentlichkeit und insbesondere für werbende Tätigkeit in der Öffentlichkeit richten (BVerfG, B. v. 19.12.1994 - 2 BvR 1426/91 -, DVBI. 1995,459). Insoweit ist es zur Vermeidung von staatlichen Repressionsmaßnahmen im Heimatland zuzumuten, die Religionsausübung auf den häuslich-privaten bzw. nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich zu beschränken und jede über diesen Bereich hinausgehende Missionierung zu unterlassen.