VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Urteil vom 24.09.2002 - 11 UE 254/98.A - asyl.net: M3619
https://www.asyl.net/rsdb/M3619
Leitsatz:

Dem Mitglied einer monarchistischen Exilorganisation in Deutschland, wie der "Wächter des Ewigen Iran" - N.I.D. -, droht grundsätzlich auch bei regional hervorgehobener exilpolitischer Betätigung bei einer Rückkehr in den Iran nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Dies gilt in der Regel auch dann, wenn es aufgrund von Abbildungen oder Namensnennung in öffentlich zugänglichen Medien im Zusammenhang mit exilpolitischen Aktivitäten identifizierbar ist.(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Iran, Monarchisten, Flugblätter, Festnahme, Glaubwürdigkeit, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, NID/OIK, Organisation iranischer Konstitutionalisten, Medienberichterstattung, Zeitschriften
Normen: AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 53
Auszüge:

Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG liegen in der Person des Klägers nicht vor.

Es ist nicht festzustellen, dass der Kläger bei seiner Ausreise aus dem Iran im (...) von politischer Verfolgung betroffen war.

Dem somit unverfolgt aus dem Iran ausgereisten Kläger droht auch aufgrund seiner Nachfluchtaktivitäten bei einer Rückkehr in den Iran nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Dies gilt zunächst im Hinblick darauf, dass der Kläger einen Asylantrag in Deutschland gestellt hat. Die Asylantragstellung für sich genommen wird von iranischen Behörden nicht als verfolgungswürdiges Verhalten qualifiziert. Sie gehen davon aus, dass ein Asylantrag nicht unbedingt deshalb gestellt wird, weil der iranische Staatsbürger in Iran in der politischen Opposition aktiv war und deshalb verfolgt wurde. So sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen Asylberechtigte zwischen Iran und ihrem neuen Aufenthaltsstaat ohne Behinderungen hin- und herreisen konnten (Auswärtiges Amt vom 15.07.2002, Lagebericht). Iranischen Stellen ist bekannt, dass die Asylantragstellung zunächst der Erlangung eines Aufenthaltsrechts im Asylland dient und mit der Antragstellung als solcher keine eigene und zusätzliche politische Bedeutung verbunden ist (Deutsches Orient-Institut vom 08.04.2002 an VG Karlsruhe).

Dem Kläger droht aber auch wegen seiner politischen Aktivitäten in Deutschland bei einer Rückkehr in den Iran keine politische Verfolgung. Die Vorgehensweise iranischer Stellen gegen Oppositionelle ist grundsätzlich unsystematisch. Anknüpfend an die Bedeutung der Person und ihrer exilpolitischen Aktivitäten innerhalb einer bestimmten Gruppierung kann eine erhöhte Gefährdung vorliegen. Eine solche exponierte oppositionelle Betätigung kann je nach Organisation vor allem angenommen werden bei Führungs- oder Funktionsaufgaben in einer Organisation, Teilnahme an Führungsmitgliedern einer Organisation vorbehaltenen Veranstaltungen und der öffentlich werdenden Verantwortung für Presseerzeugnisse, öffentliche Veranstaltungen oder wirtschaftliche Belange einer Organisation. Eine allgemeine aktive Betätigung für eine exiloppositionelle Gruppierung führt allein noch nicht zu Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben (Bundesamt für Verfassungsschutz vom 23.08.2000 an VG Köln). Bei einfacher Teilnahme an Massendemonstrationen ist es auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass Teilnehmer identifiziert werden; selbst bei einer Identifizierung ist davon auszugehen, dass iranischen Sicherheitsbehörden bewusst ist, dass ein Aufenthalt in Deutschland meist nur durch Betreiben eines Asylverfahrens, in dem eine oppositionelle Tätigkeit zum Iran vorgetragen wird, erreicht werden kann (Auswärtiges Amt vom 11.01.1999 an VG Bayreuth). Eine reelle Gefährdung kann allenfalls für ganz hervorgehobene Persönlichkeiten der Oppositionsgruppen eintreten, die namentlich in Erscheinung treten (Auswärtiges Amt vom 18.04.2001, Lagebericht).

Exilpolitische Aktivitäten für monarchistische Organisationen wirken fast ausschließlich im Ausland und haben keine Ausstrahlung in den Iran. Eine exilpolitische Aktivität für Monarchisten ist jedenfalls, soweit sie nicht an führender Stelle öffentlichkeitswirksam und mit deutlicher Ausstrahlung in den Iran erfolgt, grundsätzlich unproblematisch. Eine wirkliche Gefährdung bei einer Rückkehr in den Iran ist bei Wahrnehmung einer untergeordneten oder auch bei einer organisatorisch etwas höher hervorgehobenen Funktion in einer monarchistischen Organisation nicht anzunehmen (Deutsches Orient-Institut vom 08.04.2002 an VG Karlsruhe). Da die iranischen Monarchisten im Iran keinerlei politische Bedeutung haben, ist das Interesse iranischer Behörden, über die Auslandsaktivitäten von Monarchisten zu konkreten Informationen zu kommen, relativ gering.

Da es sich bei exil-monarchistischen Organisationen um kleine Gruppen handelt, deren Aktivitäten relativ begrenzt sind, ist auch nicht davon auszugehen, dass insoweit eine intensive geheimdienstliche Ausforschungspolitik betrieben wird, da diese monarchistischen Organisationen seitens der iranischen Regierung nicht als gefährlich eingeschätzt werden.

Auf dieser Grundlage ist nicht davon auszugehen, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Iran wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten in Deutschland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht. Dies gilt zunächst im Hinblick auf seine Mitgliedschaft im N.I.D., dem er nach seinen Angaben seit Ende (...) angehört, und seine politischen Aktivitäten für diese Organisation. Der Kläger hat dazu vorgetragen, er nehme an allen Demonstrationen des N.I.D. teil. Er sei als Ordner tätig gewesen und habe Flugblätter verteilt.

Politische Verfolgung droht dem Kläger bei einer Rückkehr in den Iran ebenfalls nicht deshalb, soweit seine Tätigkeit für die monarchistische Organisation durch Medienveröffentlichung bekannt geworden ist. Der Kläger hat insoweit vorgetragen und durch Vorlage eines entsprechenden Zeitungsausschnittes belegt, dass er ausweislich der in persischer Sprache erscheinenden Zeitung(...) vom (...) neben anderen Personen als Verantwortlicher einer Veranstaltung in (...) am (...) bezeichnet wurde und auf einem Foto zu dem Zeitungsartikel abgebildet war. In einem Beitrag der(...) von (...) über Asylanträge von Schahanhängern in Deutschland wird ein "Monarchist Ali Darolsafa" erwähnt; der Kläger behauptet, dass damit seine Person bezeichnet worden sein sollte. Grundsätzlich ist festzustellen, dass auch das Bekanntwerden exilpolitischer Betätigungen einzelner Asylbewerber durch Namensnennung oder Abbildungen in Medien nicht dazu führt, dass solche Aktivitäten als gefährliche oppositionelle Handlungen angesehen würden, die zu einem Vorgehen der iranischen Behörden gegen solche Asylbewerber führten. Dies gilt insbesondere für organisatorisch hervorgehobene Funktionen in einer monarchistischen Organisation. Da iranische Monarchisten im Iran keine praktisch erhebliche Bedeutung haben, ist das Interesse iranischer Behörden an Auslandsaktivitäten monarchistischer Asylbewerber gering, auch wenn diese Asylbewerber namentlich bekannt sein sollten.

Dies gilt auch unter Würdigung der Tatsache, dass der Kläger eine Formularbescheinigung der N.I.D. vom (...), in die individuell nur das Datum und persönliche Angaben zu seiner Person eingesetzt worden sind, vorgelegt hat, nach der er von einem Fotografen namens Kawoos Gudarzi fotografiert und auf Video aufgenommen worden sei. Dieser Fotograf sei Anfang des Jahres (...) praktisch über Nacht mit seinem gesamten Film- und Videomaterial über den N.I.D. und dessen Aktivitäten nach Teheran geflohen. Es habe sich herausgestellt, dass es sich bei ihm um einen Spitzel der iranischen Regierung gehandelt habe.

Auch im Hinblick darauf kann eine Rückkehrgefährdung des Klägers nicht festgestellt werden. Zum einen ist festzuhalten, dass der angebliche Spion G. schon Anfang (...) Deutschland verlassen hat. Zu dieser Zeit war der Kläger erst seit einigen Monaten Mitglied der N.I.D.. Er hat für diese Zeit allenfalls berichtet, dass er an Veranstaltungen der N.I.D. als einfaches Mitglied teilgenommen habe. Es ist schon unter diesem Gesichtspunkt nicht ersichtlich, inwieweit sich daraus eine besondere Verfolgungsgefahr für den Kläger ergeben sollte, auch wenn er auf Fotos oder Videos des G. abgebildet sein sollte. Selbst wenn es sich bei G. um einen Spitzel gehandelt haben sollte, ist nicht erkennbar, dass aufgrund seiner Informationen gegen in den Iran zurückkehrende Personen, die in Deutschland für N.I.D. tätig waren, politische Verfolgungsmaßnahmen ergriffen worden wären. Nach den Feststellungen in den oben genannten Erkenntnisquellen gibt es keinerlei Anhaltspunkte und Bestätigungen dafür, dass iranische Konstitutionalisten oder Monarchisten wegen solcher Tätigkeiten bestraft worden wären oder im Übrigen als Unterstützer monarchistischer Auslandsorganisationen im Iran politisch verfolgt worden wären.