OVG Sachsen-Anhalt

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Zitieren als:
OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.01.2003 - A 2 S 412/98 - asyl.net: M3648
https://www.asyl.net/rsdb/M3648
Leitsatz:

1. Die Stellung eines Asylantrags im Bundesgebiet führt nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu politischer Verfolgung bei einer Rückkehr nach Togo.

2. Ob exilpolitische Tätigkeiten Verfolgungen auslösen können, ist eine Frage des Einzelfalls.

3. Weder die Mitgliedschaft in togoischen Auslandsorganisationen noch die Teilnahme an Demonstrationen lösen für sich genommen die beachtlich wahrscheinliche Gefahr der Verfolgung aus. Entscheidend ist auch nicht notwendig die Stellung innerhalb einer solchen Organisation, sondern der Grad der politischen Betätigung und deren Bekanntheit sowie die anzunehmende "Gefährdung" des Machtanspruchs der Diktatur in Togo.(Amtliche Leitsätze)

 

Schlagwörter: Togo, PDR, Parti pour la Démocratie et le Renouveau, EKPEMOG, Mitglieder, Demonstrationen, Vorladung, Festnahme, Folter, Glaubwürdigkeit, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, Verein Amical des Ressortissants Togolais en Sachsen-Anhalt, ARTSA e.V., Bâtir de Togo, Togo aufbauen e.V., Funktionäre, EXPO, Petition, Offener Brief, Hungerstreik, Überwachung im Aufnahmeland
Normen: AuslG § 51 Abs. 1
Auszüge:

Die zulässige Berufung des Beigeladenen, deren Gegenstand allein die Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbotes gemäß § 51 Abs. 1 AuslG ist, ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den diese Feststellung aussprechenden Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu Recht aufgehoben; denn dieser Bescheid entspricht nicht der gegenwärtigen Lage.

Die vom Beigeladenen im Termin zur Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und im Laufe des Klage- und Berufungsverfahrens vorgetragene Verfolgungsgeschichte ist unglaubhaft.

Seine Ausführungen zu den Protestdemonstrationen in Togo, die am (...) begannen und von Studentenprotesten ausgelöst wurden, und die sich daran anschließende Welle von Gewalt und Willkür fügen sich zwar durchaus in die damalige politische Lage ein. Der Senat hat auch keine Zweifel, dass der Beigeladene als "Mitläufer" an den Protestdemonstrationen teilgenommen und er möglicherweise aufgrund dieser Beteiligung am (...) eine Vorladung zur Brigade der Nationalen Gendarmerie (...) erhalten hat; schließlich ist die Echtheit der Vorladung vom (...)vom Auswärtigen Amt (Auskunft vom 24.07.2002 an das OVG LSA) bestätigt worden. Allerdings ist der Senat davon überzeugt, dass der Beigeladene über diese Vorladung hinaus nicht Opfer weitergehender staatlicher Repressionsmaßnahmen geworden ist; denn die Schilderung der angeblichen Verfolgung durch Angehörige der Sicherheitsdienste des Regimes (fünf Personen in Zivil; Militärbedienstete des Militärlagers ...) einschließlich der Inhaftierung, die der Beigeladene zur Begründung seiner angeblichen Vorverfolgung abgegeben hat, ist in sich widersprüchlich und gesteigert.

Ebenso wenig sind die Angaben des Beigeladenen zu seiner Inhaftierung und Flucht stimmig.

Dem nicht vorverfolgt ausgereisten Beigeladenen droht im Falle seiner Rückkehr nach Togo keine Verfolgung mit der einen Schutzanspruch auslösenden beachtlichen Wahrscheinlichkeit, und zwar weder wegen seiner Asylantragstellung noch seiner exilpolitischen Betätigung in Deutschland.

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass Menschenrechtsverletzungen und politische Verfolgung von Gegnern des togoischen Staatspräsidenten nicht von vornherein in jedem Fall ausgeschlossen sind, dass aber die einen Schutzanspruch auslösende beachtliche Wahrschein!ichkeit einer solchen Verfolgung nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände im EinzelfaIl gegeben ist (vgl. OVG LSA, Urt. v. 27.11.1997 - A 2 S 14/97 -; diese Rechtsprechung unter Auswertung der neuesten Auskünfte bestätigend: OVG LSA, Beschl. v. 29.08.2002 - 2 L 247/02 -).

Charakteristisch für Togo ist immer noch die große Diskrepanz zwischen den formellen Rechten und ihrer Beachtung im Alltag. Das gilt insbesondere für die Menschenrechtslage.

So gibt es zwar eine Reihe von Oppositionsparteien; der Staatspräsident beschneidet aber deren Einflussmöglichkeiten vor allem mit Hilfe von Armee und Sicherheitskräften. Trotz internationaler Proteste hat sich das in Togo herrschende Klima subtiler politischer Einschüchterung verbunden mit schwersten Menschenrechtsverletzungen auch nach den Präsidentschaftswahlen vom 21.06.1998 nicht geändert.

Auch der im Juli 1999 mit großen Hoffnungen begonnene innertogoische Dialog zwischen Vertretern der Regierung und der Oppositionsparteien, unter Beteiligung von ausländischen Mittlern, brachte keine wesentlichen Fortschritte im Demokratiesierungsprozess.

Bis zum heutigen Tage ist Togo ein Staat, der von Gewalt, Willkür, Unberechenbarkeit und Schikane vor allem gegenüber den oppositionellen Kräften im Lande geprägt ist. Am 24.02.2001 wurde eine Demonstration der Partei GAR, die zuvor vom Innenminister verboten worden war, unter Einsatz von Schlagstöcken und Tränengas aufgelöst. Studentendemonstrationen wurden am 11.04., 03.05. und 02.06.2001 von Sicherheitskräften aufgelöst. Am 04.05.2001 wurde eine Versammlung der Oppositionspartei GAR (Gomite d Action pour le Renouveau) in Niamtougou (Nordtogo) von mit Steinen und Knüppeln bewaffneten RPT-Anhängern verhindert und das

Versammlungslokal demoliert. Am 11.08. und 18.08.2001 wurden Demonstrationen für die Freilassung von Rechtsanwalt Agboyibo, der am 03.08.2001 von einem der RPT angehörenden Einzelrichter der Diffamierung des damaligen Premierministers Kodjo für schuldig befunden und zu sechs Monaten Gefängnisstrafe ohne Bewährung verurteilt worden war, von Sicherheitskräften unter Einsatz von Tränengas aufgelöst. Am 06.09.2001 wurden Vertreter der Oppositionspartei GPP (Gonvergence Patriotique Panafricaine) in Tchitchao von RPT-Anhängern mit Eisenstangen angegriffen und z. T. schwer verletzt, als sie versuchten, ein lokales GPP-Büro einzurichten (AA, Lagebericht vom 02.10.2002). Zwar ordnete der togoische Präsident Eyadema im März 2002 die Haftentlassung des prominenten Oppositionsführers Yaovi Agboyibo an (Frankfurter Rundschau vom 16.03.2002); die großen Oppositionsparteien Togos boykottierten aber dennoch die Abstimmung bei den Parlamentswahlen vom 27.10.2002 und kritisierten deren mangelnde Transparenz. Bei der Parlamentswahl in Togo hatte die Regierungspartei einen eindeutigen Sieg davongetragen. Die RPT gewann bei der Abstimmung nach offiziellen Angaben 72 der 81 Parlamentssitze; vier kleinere Oppositionsparteien und ein unabhängiger Abgeordneter teilen sich die neun übrigen Mandate (Frankfurter Rundschau vom 31.10.2002).

Unter Berücksichtigung dieser politischen Verhältnisse begründen dennoch allein die Stellung eines Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland und der langjährige Auslandsaufenthalt keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung des Beigeladenen im Falle seiner Rückkehr nach Togo.

Auch in seinem neuesten Lagebericht vom 02.10.2002 stellt das Auswärtige Amt hinsichtlich der Behandlung von Rückkehrern nach Togo fest, dass nach den Erfahrungen aus der jüngeren Vergangenheit die togoischen Behörden um korrekte Behandlung der Rückkehrer bemüht seien, um weder den deutschen Behörden noch den togoischen Exilorganisationen Anlass zur Kritik zu geben. Das bei der Einreise auf dem Flughafengelände durchgeführte Personenfeststellungsverfahren diene vorrangig der Klärung der Staatsangehörigkeit. Auch nach dem Deutschlandbesuch von Staatspräsident Eyadema im Oktober 2000, bei dem es zu Protestdemonstrationen gekommen war, sei keine Änderung der Behandlung von Rückkehrern festgestellt worden. Es sei aber nicht auszuschließen, dass Grenzkontroll- oder andere Beamte Rückkehrer in Einzelfällen unkorrekt behandeln würden. Gegenüber dem Auswärtigen Amt sei in mehreren Fällen vorgetragen worden, verschiedene aus Deutschland rückgeführte togoische Staatsangehörige seien nach ihrer Rückkehr Opfer staatlicher Repressionen geworden. Allen konkret vorgetragenen Behauptungen dieser Art sei das Auswärtige Amt nachgegangen. In keinem Fall hätten sich solche Behauptungen bei der Nachprüfung bestätigt. Eine Asylantragstellung allein löse nach den dem Auswärtigen Amt vorliegenden Erkenntnismitteln keine Repressionen aus.

Demgegenüber halten sowohl das Institut für Afrikakunde als auch amnesty international auch heute noch an ihrer Einschätzung fest, allein die Stellung eines Asylantrags und der längere Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland begründeten für einen Togoer die Gefahr staatlicher Repressionsmaßnahmen im Falle der Rückkehr nach Togo. Begründet wird das mit ihnen bekannt gewordenen und in den Auskünften namentlich aufgeführten Fällen von Misshandlungen von in den Jahren nach 1995 aus der Bundesrepublik Deutschland abgeschobenen Togoern im Anschluss an deren Rückkehr nach Togo (siehe ai, "Stellungnahme zu Menschenrechtsverletzungen an togoischen Staatsangehörigen, die im Jahre 1998 aus Deutschland nach Togo abgeschoben wurden" vom 19.01.1999, "Togo - Staatlicher Terror" vom 05.05.1999, Auskunft vom 12.07.2000 an VG Hamburg, sowie IfA, Auskunft vom 17.01.2000 an VG Oldenburg).

Allerdings ließen sich die von amnesty international in ihren Berichten genannten Fälle von aus Deutschland und der Schweiz abgeschobenen Asylbewerbern nicht verifizieren. Offenbar hat auch amnesty international insoweit keine näheren Informationen; denn die übrigen in den Berichten erwähnten Fälle werden im Gegensatz dazu sehr detailliert dargestellt. Auch der Fall des im Januar 1998 abgeschobenen und angeblich festgenommenen ehemaligen Gewerkschafters O.-A. Djeri lässt sich nicht bestätigen. Das Auswärtige Amt hat diesen Fall überprüft, wobei die Angaben des Betroffenen widersprüchlich waren (Lageberichte vom 25.4.2001 und vom 23.11.2001). Den Vorwurf mangelnder Sorgfalt bei den Ermittlungen, den amnesty international in dem Bericht vom 05.05.1999 gegen das Auswärtige Amt erhebt, hält der Senat angesichts unterschiedlicher Angaben Djeris, dessen Rechtsanwalt bei den Befragungen anwesend war, für unberechtigt.

Auch aus den sonstigen vom Verwaltungsgericht herangezogenen Quellen - einschließlich der Stellungnahmen des UNHCR, der UN/OAU-Untersuchungskommission und des Instituts für Afrika Kunde - lässt sich kein konkreter Fall von politischer Verfolgung eines aus Europa abgeschobenen togoischen Asylbewerbers verifizieren (so auch VGH BW, Urt. v. 22.11.2000 - A 13 S 1205/97-).

Der Senat folgt daher der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, dass die Asylantragstellung und Abschiebung allein nicht bereits mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen gegenüber dem betroffenen togoischen Staatsangehörigen durch togoische Sicherheitskräfte nach sich ziehen.

Dem Beigeladenen droht im Falle seiner Rückkehr nach Togo auch nicht wegen seiner exilpolitischen Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG.

Wegen der dargestellten Verhältnisse und mit ihrer Einschätzung durch die Auskunftsstellen hält der Senat an seiner Auffassung fest, dass einem togoischen Staatsangehörigen wegen seiner bloßen Mitgliedschaft in einer togoischen Oppositionspartei oder einer Exilorganisation sowie einer damit verbundenen "nicht exponierten" Parteiarbeit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung bei seiner Rückkehr nach Togo droht. Vielmehr ist stets nach den Umständen des Einzelfalls über die Gefahr der politischen Verfolgung bei einer Rückkehr zu entscheiden. Dabei kann nicht schematisch auf eine "aktive" oder "nicht aktive" Betätigung für derartige Organisationen abgestellt werden. Vielmehr muss angesichts der komplexen Situation eine umfassende Würdigung und Gesamtschau vorgenommen werden. Dabei sind die Asylantragstellung und die Dauer des Auslandsaufenthaltes nur einige der Risikofaktoren; zu bewerten sind ferner der Umfang und die Exponiertheit der exilpolitischen oder oppositionellen Betätigung, die Bedeutung sowie der Bekanntheitsgrad der Exilorganisation, eine eventuelle Medienberichterstattung in der Bundesrepublik Deutschland und der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass die Betätigung von dem Regime in Togo wahrgenommen wird (so schon OVG LSA, Beschl. v. 23.01.2002 - 2 M 323/01 -).

Zunächst ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die togoische Regierung die exilpolitische Szene in der Bundesrepublik Deutschland durch ihre Botschaft aufmerksam beobachtet. Die aus der Sicht der togoischen Regierung wegen der Einstellung der Entwicklungshilfe gespannten deutsch-togoischen Beziehungen werden zum Teil auch dem Wirken dieser Organisationen in Deutschland angelastet (UNHCR vom 19.06.1998 an VG Weimar). Das Regime nutzt insoweit auch eigene Informanten; allerdings ist das Regime technisch nicht in der Lage, die exilpolitischen Tätigkeiten der mehr als 11.000 Togoer, die sich in Deutschland aufhalten, wirklich systematisch zu erfassen (AA, Lagebericht vom 15.11.2000). Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die in Deutschland tätigen togoischen exilpolitischen Organisationen von dem Regime nahe stehenden Kreisen infiltriert sind (AA, Auskunft vom 17.02.1998 an das VG Hamburg; UNHCR vom 19.06.1998 an das VG Weimar; ai vom 11.10.1999 an das VG Hamburg). Der UNHCR weist in seiner Stellungnahme vom 28.07.2000 an das VG Oldenburg darauf hin, dass durch den Zuzug einer Reihe besonders profilierter togoischer Oppositioneller in die Bundesrepublik Deutschland seit 1998 das Interesse der togoischen Regierung an den exilpolitischen Aktivitäten in der Bundesrepublik noch gewachsen sein dürfte.

Die bloße Mitgliedschaft in einer togoischen Exilorganisation zieht aber dennoch nach wie vor nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen in Togo nach sich. Dies ist zunächst aus dem Umstand zu schließen, dass nahezu jeder togoische Asylbewerber, wie dem Senat aus den bisherigen anhängigen Verfahren togoischer Staatsangehöriger bekannt ist, einer - häufig sogar mehreren - Exilorganisationen angehört. Damit bilden diese Asylbewerber einen hohen Anteil der Rückkehrer nach Togo. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich aber, dass nach dem erfolglosen Abschluss ihres Asylverfahrens zurückkehrende Togoer obwohl sie in aller Regel einer exilpolitischen Organisation angehört haben, bisher keinen Verfotgungsmaßnahmen ausgesetzt waren.

Dass die bloße Mitgliedschaft in einer exilpolitischen Organisation nicht die Gefahr einer politischen Verfolgung begründet, kann ferner aus dem Vergleich mit der Gefährdungslage, der ein Togoer bei einem entsprechenden politischen Engagement in Togo ausgesetzt ist, abgeleitet werden. Allerdings wird die Verfolgungsgefahr für einen zurückkehrenden Togoer schon dadurch herabgesetzt, dass die Exilorganisationen im europäischen Ausland trotz der möglichen Beeinflussung der öffentlichen Meinung in den westlichen Aufnahmeländern zu Ungunsten des Eyadema-Regimes als Bedrohungsfaktor für den Herrschaftsanspruch des Regimes nur eine untergeordnete Rolle spielen können. Die Verfolgungsgefahr wird noch weiter dadurch gemindert, dass auch den interessierten togoischen Stellen bekannt sein dürfte, dass häufig ohne ernsthafte politische Ambitionen in Exilorganisationen mitgearbeitet wird, allein um die Chancen im Asylverfahren zu verbessern. Hinsichtlich der Reaktion des togoischen Regimes auf eine oppositionelle politische Betätigung in Togo führt das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht vom 02.10.2002 unverändert aus, dass Personen unbehelligt blieben, die lediglich Mitglied in einer Oppositionspartei (oder auch Verwandte eines Oppositionsmitglieds) waren. Hinsichtlich der Gefährdung von bloßen Mitgliedern von oppositionellen Parteien in Togo ist ferner zu berücksichtigen, dass in Togo seit Juni 1991 wieder eine große Zahl von Oppositionsparteien zugelassen ist und diese auch politisch tätig sind. Führt allein die Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei in Togo nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu Verfolgungsmaßnahmen, so kann für die bloße Mitgliedschaft in einer oppositionellen Exilorganisation, deren politische Ziele mit denen der in Togo zugelassenen Parteien identisch sind oder die gar vorwiegend den kulturellen, gesellschaftlichen oder sonstigen Interessen ihrer Mitglieder dienen, nichts anderes gelten.

Nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen begründet auch das Innehaben einer nominell herausgehobenen Stellung in einer exilpolitischen Organisation in der Bundesrepublik Deutschland nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit von Verfolgungsmaßnahmen im Falle der Rückkehr nach Togo; denn zunächst ist auf die inhaltlich unveränderte Darstellung des Auswärtigen Amtes (Lagebericht vom 02.10.2002) zu verweisen, wonach es für die Verfolgungsmaßnahmen in Togo nicht auf den Rang innerhalb einer Organisation, sondern in erster Linie auf den Grad der politischen Aktivität ankommt. Dies muss aus den oben ausgeführten Gründen - erst recht - für nominell hochrangige Funktionen in exilpolitischen Organisationen gelten. Ferner ist zu berücksichtigen, dass - wie sich aus den vorliegenden Erkenntnismitteln entnehmen lässt (Bundesverwaltungsamt vom 26.10.1999 an das OVG SH) -, bei den togoischen Exilorganisationen die Zahl der Funktionärsstellen in Relation zur Mitgliederzahl hoch ist und diese Stellen einer häufigen Rotation unterworfen sind. Wenn aber der ganz überwiegende Teil der togoischen Asylbewerber, die nach dem Abschluss des Asylverfahrens aus der Bundesrepublik Deutschland abgeschoben werden, nicht nur einer exilpolitischen Organisation angehört, sondern - vorübergehend - eine zumindest der Bezeichnung nach bedeutsame Funktion wahrgenommen haben, es aber an Referenzfällen für eine politische Verfolgung von zurückkehrenden Asylbewerbern fehlt, so ist daraus zu schließen, dass allein das Innehaben einer Funktionsstellung innerhalb der Organisation von den togoischen Behörden nicht zum Anlass für Verfolgungsmaßnahmen genommen wird. Der Vergleich mit den Folgen eines politischen Engagements in Togo, wie sie sich den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln entnehmen lassen, zeigt auch auf, unter welchen Voraussetzungen eine exilpolitische Betätigung die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung für den Fall der Rückkehr nach Togo zu begründen vermag. Wegen einer politischen Tätigkeit in Togo sind in erster Linie solche Personen gefährdet; deren politisches Engagement vom Staatspräsidenten und den ihn stützenden Kreisen als konkrete Gefährdung des Herrschaftsanspruchs des Regimes eingeschätzt wird. Dies gilt nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 02.10.2002 für politisch aktive Mitglieder der Opposition und aus politischen Gründen desertierte Angehörige der Sicherheitskräfte. Bei den verfolgten aktiven Mitgliedern der Opposition kommt es, wie bereits dargelegt, nicht auf den Rang in der Organisation, sondern in erster Linie auf den Grad der politischen Aktivität an. Für den Bereich der exilpolitischen Betätigung ist hieraus zu schließen, dass togoische Staatsangehörige grundsätzlich nur in besonderen Konstellationen, bei denen die politischen Aktivitäten über die Mitgliedschaft in einer exilpolitischen Organisation hinausgehen, d. h. die wegen des Grads ihrer politischen Aktivität besonders hervorgetreten sind und sie aufgrund dieser politischen Tätigkeit aus Sicht des Regimes eine ernstzunehmende Bedrohung für den Machtanspruch des Regimes darstellen, die Gefahr einer politischen Verfolgung im Falle der Rückkehr nach Togo angenommen werden kann.

Im Falle des Beigeladenen liegt eine besondere Konstellation, die nach den vorstehenden Ausführungen die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung begründet, nicht vor. Die Vereinigungen ARTSA e.V. (Amical des Ressortissants Togolais en Sachsen-Anhalt - Vereinigung togoischer Staatsangehöriger in Sachsen-Anhalt) und Batir le Togo (Togo Aufbauen e.V.) sind schon keine Exilorganisationen einer der Oppositionsparteien Togos, sondern ein Zusammenschluss togoischer Flüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland bzw. Sachsen- Anhalt. Die Mitgliedschaft in diesem Verein kann von den togoischen Behörden nicht wirklich als Gefährdung ihrer Macht im Lande angesehen werden, da beide Vereinigungen aufgrund ihrer geringen, zum Teil sich überschneidenden Mitgliederzahl lediglich kleine Gruppierungen darstellen, deren Wirkungskreis und Bedeutung naturgemäß nur begrenzt sein kann. Der Verein ARTSA ist zudem eine Vereinigung von togoischen Bürgern mit Sitz in Deutschland im Land Sachsen-Anhalt, deren Ziel es gemäß Art. 5 des Statuts der ARTSA (1997) ist, die materiellen und moralischen Interessen seiner Mitglieder bei den deutschen Behörden in Sachsen-Anhalt zu vertreten, und bei seinen Mitgliedern und bei der gesamten togoischen Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt das Gefühl der Solidarität und der bewussten Wahrnehmung ihrer Interessen zu entwickeln. Damit ist der Verein aber mit einer typischen togoischen Oppositionspartei, die sich vorwiegend mit der schwierigen politischen Gesamtsituation in Togo auseinander setzt, nicht zu vergleichen.

Die Organisation "Batir le Togo, Togo Aufbauen e.V.", die auch im europäischen Ausland und in den USA tätig ist, hat sich demgegenüber zwar zum Ziel gesetzt, auf friedlichem Weg eine starke, unstürzbare und verantwortliche demokratische Opposition in Togo aufzubauen (Bundesamt, Togo-Information; Togoische Exilorganisationen; Stand: Januar 2000). Allerdings kann die in Sachsen-Anhalt tätige Organisation schon aufgrund ihrer Mitgliederzahl (nach den Angaben des Beigeladenen ca. 12) nicht als ernsthafte Bedrohung des Herrschaftsanspruchs des Präsidenten angesehen werden. Zwar ist der Beigeladene inzwischen Mitglied der Koordinationskommission der Vereinigungen in Sachsen-Anhalt; dies ändert aber an der grundsätzlichen Einschätzung des Senats nichts, dass lediglich landesweit tätige Organisationen keine konkrete Gefährdung des Herrschaftsanspruchs des togoischen Regimes darstellen und mithin eine Mitgliedschaft in diesen Organisationen als Anlass für Verfolgungsmaßnahmen togoischer Behörden nicht beachtlich wahrscheinlich ist.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich sogar die Oppositionsparteien in Togo als solche aktiv betätigen können, wie der Wahlkampf zu den Parlamentswahlen im Herbst 2002 gezeigt hat. Es ist davon auszugehen, dass diese Parteien viele tausend Mitglieder haben, die sich in Togo selbst kritisch mit dem herrschenden Regime auseinander setzen, ohne deswegen systematisch verfolgt oder menschenrechtswidrig behandelt zu werden. Zwar wird von gelegentlichen Übergriffen gegen führende Funktionäre von Oppositionsparteien berichtet (AA, Lagebericht vom 02.10.2002); eine solche Funktion bekleidet der Beigeladene aber in den o. g. Vereinigungen nicht.

Vor diesem Hintergrund ist auch das Innehaben einer nominell herausgehobenen Stellung in einem Auslands-Verein - wie hier u. U. die Funktion des Beigeladenen als ... Berater in dem Verein "Batir le Togo e.V. " und als ...prüfer der ARTSA e.V.- dahingehend zu beurteilen, dass eine solche Funktion nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit von Verfolgungsmaßnahmen im Falle der Rückkehr nach Togo begründet; denn für die in Togo zu befürchtenden Repressionen kommt es nicht auf den Rang innerhalb einer Organisation, sondern in erster Linie auf den Grad der politischen Aktivität an (AA, Lagebericht vom 02.10.2002). Dies gilt aus den oben genannten Gründen erst recht für nominell hochrangige Funktionen in exilpolitischen Organisationen. Die politischen Aktivitäten des Beigeladenen zeichnen sich aber weder inhaltlich noch von ihrem Umfang her durch spektakuläre Aktionen aus, die über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden sind.

Er hat sich auf den Veranstaltungen und Demonstrationen in keiner Weise von den übrigen Teilnehmern unterschieden oder sonst in irgendeiner Weise profiliert.

Auch die Teilnahme des Beigeladenen an der Demonstration an lässlich des Expo-Besuchs von Eyadema am (...) und seine Aktivitäten vor Ort, u. a. das Rufen von Parolen, lässt eine Verfolgung nicht beachtlich wahrscheinlich erscheinen. Der Senat schließt dies aus dem Umstand, dass es nach dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 02.10.2002 auch nach dem Deutschlandbesuch Eyademas im Oktober 2000, bei dem es zu Protestdemonstrationen gekommen war, keine Änderung der Behandlung von Rückkehrern festgestellt worden ist.

Soweit der Beigeladene auf eine Petition vom (...) verweist, war diese an den damaligen Innenminister von Sachsen-Anhalt gerichtet und enthielt keinen Hinweis auf den Beigeladenen, so dass nicht davon auszugehen ist, dass diese Petition überhaupt den togoischen Behörden bekannt geworden ist. Dies gilt auch für die Briefe an den Präsidenten der Menschenrechtsorganisation LTDH, Herrn Jean Yaovi Degli, vom 11.04.1997 und an Heike Wunderlich, ai., vom 07.11.1997, die lediglich an diese Personen gerichtet waren und denen aus diesem Grund keine öffentlichkeitswirksame Bedeutung zukommt. Soweit der Beigeladene eine Verfolgungsgefahr aus dem Übersenden eines Bürgerbegehrens mit Unterschriftenliste an den Präsidenten Eyadema im August 1997 herleitet, vermag der Senat diese nicht zu erkennen, weil schon nicht ersichtlich ist, ob den Präsidenten dieses Bürgerbegehren jemals erreicht hat und im Übrigen ein derartiges Begehren einer kleinen Gruppe von 35 Exiltogoern keine ernsthafte Gefährdung des togoischen Regimes darstellt.

Die - gemessen an den bisher genannten - einzige spektakuläre Aktion des Beigeladenen, seine Teilnahme am Hungerstreik vom (...) , begründet weder allein noch im Zusammenhang mit den anderen Aktivitäten eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für Verfolgungen bei Rückkehr. Der Hungerstreik dürfte von der togoischen Regierung schon deswegen nicht als Angriff auf den Herrschaftsanspruch des Präsidenten Eyadema und seinen unmittelbaren persönlichen Bereich angesehen werden, weil der Streik sich in erster Linie gegen die Asylpolitik in der Bundesrepublik Deutschland und speziell gegen die Asylpraxis gegenüber togoischen Asylbewerbern in Sachsen-Anhalt richtete.