BVerwG

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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 30.01.2003 - 1 B 169.02 - asyl.net: M3786
https://www.asyl.net/rsdb/M3786
Leitsatz:

Dass der Vorsitzende oder Berichterstatter sich im Laufe des gerichtlichen Verfahrens in gerichtlichen Verfügungen mit einem entscheidungserheblichen Vorbringen befasst hat, entbindet das Gericht nicht von der Verpflichtung, in den Entscheidungsgründen auf dieses Vorbringen einzugehen; eine Entscheidung über eine Berufung ohne mündliche Verhandlung gem. § 130 a VwGO ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil sich der zugrundeliegende Lebenssachverhalt, nicht aber der Streitgegenstand während des Berufungsverfahrens verändert hat.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Revisionsverfahren, Nichtzulassungsbeschwerde, Verfahrensmangel, rechtliches Gehör, Urteilsgründe, Berichterstatter
Normen: VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1; VwGO § 108 Abs. 1; VwGO § 108 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde ist hinsichtlich der Rüge, dass das Berufungsgericht bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bei dem Kläger zu 1 entscheidungserhebliches Vorbringen nicht berücksichtigt hat, zulässig und begründet. Der Kläger zu 1 rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 VwGO).

Der Kläger zu 1 hat eine psychische Erkrankung geltend gemacht, die wegen fehlender Behandlungsmöglichkeit im Kosovo zu den in § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG genannten Gefahren für Leib und Leben führen könne. Dieses Vorbringen ist entscheidungserheblich. Dennoch ist das Berufungsgericht in seiner Entscheidung weder im Tatbestand noch in den Gründen hierauf eingegangen. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass der entsprechende Vortrag des Klägers zu 1 vom Berufungsgericht nicht in Erwägung gezogen wurde. Dies liegt umso näher, als sich das Berufungsgericht mit dem Vortrag zu den Krankheiten der Kinder des Klägers zu 1, nämlich der Kläger zu 3 bis 11 sowie deren möglicher psychologischer Betreuung im Kosovo im Einzelnen auseinander gesetzt hat. Der Umstand, dass der Vorsitzende bzw. Berichterstatter sich im Laufe des Berufungsverfahrens in den Verfügungen vom 15. Mai und 10. August 2001 mit diesem Vorbringen befasst hat, enthebt das Gericht nicht der Verpflichtung, in den Entscheidungsgründen auf dieses erhebliche Vorbringen einzugehen. [...]