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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 09.05.2003 - 1 B 217.02 - asyl.net: M3830
https://www.asyl.net/rsdb/M3830
Leitsatz:

Bei den regelmäßig erstellten Lageberichten des Auswärtigen Amtes, die für die richterliche Aufklärung der maßgeblichen politischen Verhältnisse in den Herkunftsstaaten von zentraler Bedeutung sind, sind die mit Asylsachen befassten Verwaltungsgerichte grundsätzlich gehalten, sich von Amts wegen zu vergewissern, ob ein neuer Lagebericht zur Verfügung steht und asylrechtlich erhebliche Änderungen der politischen Verhältnisse in dem betreffenden Land beschreibt.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Revisionsverfahren, Verfahrensmangel, Sachaufklärungspflicht, Lagebericht, Auswärtiges Amt
Normen: VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3; VwGO § 86 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Beklagte rügt der Sache nach zu Recht, dass das Berufungsgericht seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO). Denn das Berufungsgericht, das seine Entscheidung im Beschlussverfahren gemäß § 130 a VwGO am 8. April 2002 getroffen hat, hat für seine Überzeugungsbildung den ihm mit Anschreiben des Bundesministeriums der Justiz vom 26. März 2002 übersandten Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 20. März 2002 nicht herangezogen. Die Beklagte braucht sich in diesem Zusammenhang nicht darauf verweisen zu lassen, dass sie das Berufungsgericht von sich aus auf den neuen Lagebericht hätte aufmerksam machen müssen. Bei den regelmäßig erstellten Lageberichten des Auswärtigen Amtes, die für die richterliche Aufklärung der maßgeblichen politischen Verhältnisse in den Herkunftsstaaten von zentraler Bedeutung sind, sind die mit Asylsachen befassten Verwaltungsgerichte grundsätzlich gehalten, sich von Amts wegen zu vergewissern, ob ein neuer Lagebericht zur Verfügung steht und asylrechtlich erhebliche Änderungen der politischen Verhältnisse in dem betreffenden Land beschreibt.

Die von der Beschwerde angefochtene Berufungsentscheidung kann auch auf der Nichtheranziehung des Lageberichts beruhen. Die Beklagte trägt zutreffend vor, dass der Bericht neue Erkenntnisse des UNHCR Bagdad und des IKRK über die Anwendung des "Amnestie-Dekrets" Nr. 110 vom 28. Juni 1999 enthält, die zu einer anderen Beurteilung der Verfolgungsgefahr wegen illegaler Ausreise und Asylantragstellung auch für aus Europa zurückkehrende Asylbewerber, zumindest aber zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen hätten führen können. Wegen dieses Verfahrensfehlers verweist der Senat die Sache nach § 133 Abs. 6 VwGO im Interesse der Verfahrensbeschleunigung - unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses - an das Berufungsgericht zurück. [...]