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OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Urteil vom 11.06.2003 - 4 LB 583/02 - asyl.net: M3833
https://www.asyl.net/rsdb/M3833
Leitsatz:

Analoge Anwendung des § 121 BSHG auf den Erstattungsanspruch eines Nothelfers.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Ausländer, Illegale Einreise, Krankenbehandlung, Eilfall, Nothilfe, Kostenerstattung, BSHG, Analogie
Normen: BSGH § 121; AsylbLG § 4 Abs. 1
Auszüge:

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben, weil der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen für die Behandlung des Herrn (...) in der Zeit vom (...) 1999 in ihrem Krankenhaus begründet ist.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Regelung zum Erstattungsanspruch eines Nothelfers in § 121 BSHG auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht

unmittelbar anwendbar ist, weil Herr G. nicht Sozialhilfe beanspruchen konnte, sondern aufgrund seines Aufenthaltsstatus allenfalls leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewesen wäre, dass § 121 BSHG aber entsprechend anwendbar ist. Denn die Lücke, die im Recht der Fürsorgeleistungen für Ausländer (vgl. § 120 BSHG) als Folge der Sonderregelungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer im Asylbewerberleistungsgesetz dadurch entstanden ist, dass für diesen Rechtsbereich eine § 121 BSHG entsprechende Regelung zum Erstattungsanspruch eines Nothelfers nicht geschaffen worden ist, ist durch eine analoge Anwendung des § 121 BSHG zu schließen (VG Gera, Urt. v. 18.6.2002 - 6 K 739/01 - NVwZ-Beilage 2003,37; vgl. auch Urt. des OVG NRW vom 5.12.2000 - 22 A 3164/99 - FEVS 53, 353, in dem zwar ausführlich begründet wird, weshalb § 121 BSHG auch im Rahmen des AsylbLG anwendbar sein dürfte, diese Frage aber letztlich nicht entscheidungserheblich gewesen ist).

Denn der in § 121 BSHG geregelte Tatbestand ist dem hier zu beurteilenden Sachverhalt der Fürsorgeleistungen an vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer gleich zu bewerten.

Das verdeutlicht insbesondere der Umstand, dass auf bestimmte Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG das Bundessozialhilfegesetz entsprechend anzuwenden ist und dass nach der Intention des Gesetzes für den Nothilfeanspruch ein Grund für die Unterscheidung und Berücksichtigung der Dauer des Aufenthaltes des ausreisepflichtigen Ausländers nicht gegeben ist (vgl. dazu die genannte Entscheidung des OVG NRW, a.a.O.).

Die danach entscheidungserheblichen weiteren Voraussetzungen für eine entsprechende

Anwendung des § 121 BSHG sind - mit dem Verwaltungsgericht - als erfüllt zu beurteilen. Ein Eilfall im Sinne des § 121 BSHG hat bei der Aufnahme des Herrn G. am 23.9.1999 und bis zu dessen "Selbstentlassung" am 2.10.1999 vorgelegen. Ein Eilfall im Sinne des § 121 BSHG ist eine Sachlage, in der der Sozialhilfeträger (hier: die Beklagte als Leistungsträgerin nach dem Asylbewerberleistungsgesetz) nicht rechtzeitig handeln kann (vgl. Urt. d. Sen. v. 19.1.1999 - 4 L 5250/98 - FEVS 51, 94). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt: Herr G. bedurfte - unstreitig - sofort ärztlicher Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylbLG. Diese hätte bei rechtzeitiger Kenntnis die Beklagte ihm gewährt oder gewähren müssen. Hierfür kann - mit dem Verwaltungsgericht - eine weitere Aufklärung unterbleiben, ob Herr G. über einzusetzendes Einkommen oder Vermögen verfügte. Jedenfalls war wegen der insoweit ungeklärten Verhältnisse die Beklagte verpflichtet, vorläufig einzutreten. Vorläufige Hilfe gehörte wegen der Umstände des Einzelfalles zu der Hilfe im Sinne des § 121 BSHG, die bei rechtzeitiger Kenntnis gewährt worden wäre (vgl.. Senatsurt: v. 19.1.1999, a.a.O.).